DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

06-12-2018 12:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 06.12.2018 um 10.30 UTC



Übergang von Wz (West zyklonal) zu NWz (Nordwest zyklonal) mit Einwinterung und
z.T. reichlich Neuschnee in den Bergen. Anfangs sehr windig bis stürmisch.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 13.12.2018


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag werden die
Weichen für eine bevorstehende Umstellung der Großwetterlage gestellt, die in
der mehrheitlich von Winteranhängern besetzten Vorhersage- und Beratungszentrale
des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach fast so euphorisch gefeiert wird wie
damals der erste Sieg von Jung-Bobele Becker in Wimbledon. Dabei passiert
eigentlich nicht mehr, als dass ein Schwall maritimer Polarluft arktischen
Ursprung auf direktem Weg nach Mitteleuropa gesteuert wird, die dem Bergland den
ersehnten Schnee bringt und im Tiefland ein paar winterliche Nadelstiche setzt.
Ja, ja, angesichts des allgemeinen Erwärmungstrends ist man bescheiden geworden
und freut sich über jede Wetterlage, die irgendwas mit "Winter" zu tun hat. Doch
der Reihe nach:

Am Sonntag befindet sich Deutschland zu Beginn des Tages noch am unmittelbaren
Rand der Frontalzone, die relativ glatt und nur leicht mäandrierend vom
mittleren Nordatlantik kommend bis zum zentralen Mittelmeer verläuft.
Eingelagert ist ein ausgeprägter Jet, unter dessen hebungsintensiven linken
Ausgang zumindest in der ersten Tageshälfte der Vorhersageraum liegt. Das
steuernde Bodentief zieht von Südnorwegen langsam aber sicher in Richtung
schwedische Ostküste, wobei es sich allmählich beginnt aufzufüllen (Startwert
bei etwas unter 980 hPa). Auf seiner Südflanke wird ein lebhafter, teils
stürmischer westlicher Wind generiert, mit dem zwar Meereskaltluft herangeführt
wird, die aber aufgrund ihres weiten Bogens um das Tief herum deutlich erwärmt
ist (T850 um oder etwas unter 0°C). Da verwundert es nicht, dass die wiederholt
auftretenden, meist schauerartigen, in Staulagen aber auch andauernden
Niederschläge zunächst nur in höheren Lagen (teils über 1000 m) in fester Form
fallen.

Im Laufe des Tages verliert die großräumige Strömungskonfiguration aber
zunehmend ihren zonalen Charakter. Angefacht von einem kanadischen
Kaltluftausbruch kommt es über dem Westteil des mittleren Nordatlantiks zu einer
markanten Austrogung, die ein klassisches Downstream-Development und den Aufbau
einer Rosby-Welle zur Folge hat. Über dem Osttalantik steigen Potenzial und
Luftdruck deutlich an, über dem Westteil des europäischen Kontinents trogt es
ebenfalls aus. Zwischen dem sich mit seinem Schwerpunkt über der Biscaya
etablierenden Bodenhoch und dem langsam ostwärts ziehenden skandinavischen
Bodentief dreht die Strömung kontinuierlich auf Nordwest, wodurch ebenso
kontinuierlich (also frontenlos) Meeresluft vom Europäischen Polarmeer auf
direktem Wege Zugang zum Vorhersageraum findet. Nun ist es freilich nicht so,
dass diese Luftmasse "affenkalt" ist, was aufgrund der vorgelagerten, relativ!!
warmen Meeresgebiete auch gar nicht geht. Die niedertroposphärische Abkühlung
auf 850-hPa-Temperaturen um -5°C reicht aber aus, um die Schneefallgrenze etwa
ab Sonntagsabend soweit sinken zu lassen, dass es erst bis in mittlere Lagen der
Mittelgebirge, am Montag dann teils auf 400-200 m runterschneit. Auch in und an
den Alpen geht der anfängliche Regen bis in die Täler bzw. ins Vorland zunehmend
in Schnee über.

Am Montag und Dienstag bleibt die Grundkonstellation (Nordwest zyklonal)
bestehen, allerdings wird der Wind zwischen dem sich weiter auffüllenden Tief
(zieht zum Baltikum) und dem etwas ostwärts vorstoßenden Hoch sukzessive
schwächer. Der Witterungscharakter ist im Tiefland trotz etwas sinkender
850-hPa-Temperatur eher nasskalt mit Schauern, die tagsüber aufgrund solider
Durchmischung häufig als Regen oder Schneeregen fallen. Gerade abends und nachts
kann es hier und da aber für eine weiße "Überraschung" reichen. Darüber hinaus
muss aufgrund leichten Nachtfrostes mit Glätte durch Schnee/Matsch, vor allem
aber auch durch gefrierende Nässe (kann sogar markant werden!) gerechnet werden.

Im Bergland schneit es wiederholt, in Nordwest-Nordstaulagen auch länger
andauernd und zeitweise kräftig. Die Sonne gibt sich mehr als zurückhaltend und
überlässt Gewölk und Niederschlags das Terrain. Gerade am Montag könnten
allerdings Teile Norddeutschlands (bevorzugt SH) vom Skandinavienföhn (=>
Abtrocknung der feuchten Polarluft, sonnige Abschnitte) profitieren.

Am Mittwoch und Donnerstag steigt der Luftdruck an, der Gradient verebbt
gänzlich. Die Höhenströmung bleibt aber klar zyklonal konturiert, zudem ist
weiterhin Höhenkaltluft am Start (besonders am Mittwoch, T500 unter -30°C), so
dass sich weitere Regen- oder Schneeschauer entwickeln. Die Niederschlagsmengen
nehmen gegenüber den Vortagen aber sukzessive ab.

Zuletzt noch ein Blick auf die erweiterte Mittelfrist ab Freitag: IFS setzt
unverhohlen auf eine südliche Westlage, bei dem sich Tiefs von West-Nordwest die
Klinke in die Hand geben. Die Folge wäre unbeständiges und windiges Wetter mit
wiederholten Niederschlägen bei steigender Temperatur, vor allem im Süden. Mal
sehen, was daraus wird...
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz von IFS (ECMF) kann im Großen und Ganzen als gut bezeichnet
werden. Zwar beginnen die Basisfelder zum Ende hin (also ab Wochenmitte) etwas
stärker voneinander abzuweichen, für die Prognose bis nächsten Donnerstag hat
das aber keinen substanziellen Einfluss. Es sei aber erwähnt, dass das
Eintreffen der maritimen Polarluft arktischen Ursprungs von Sonntag zu Montag
etwas später erfolgen soll, was ein verzögertes Absinken der Schneefallgrenze
zur Folge hätte (ungefähr 12 h Verzug). Die Umstellung von "mild West" (Wild
West würde auch passen angesichts des für das Wochenende apostrophierten
windigen/stürmischen und unbeständigen Wetters) auf "nasskalt Nordwest" (mit
Bergwinter und winterlichen Nadelstichen im Tiefland) kann als eingetütet
betrachtet werden.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen etablierten Globalmodelle wie ICON, GFS, GEM und UKMO folgen von
Nuancen abgesehen der IFS-Version (nun gut, wer jetzt genau wem folgt, lässt
sich in der Kürze der Zeit nicht feststellen, spielt aber auch keine Rolle), was
die Vorhersage aus rein deterministischer Sicht auf sichere Füße stellt.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen (und gleichzeitig auch die Kollegen von GFS-EPS)
verschiedener deutscher Städte zeigen bis etwa nächsten Donnerstag eine
vergleichsweise homogene Kurvenverteilung, in der sich die auf Basis des
Hauptlaufs beschriebene Entwicklung gut widerspiegelt (relativ niedriges
Temperatur- und Potenzialniveau, ab Montag langsam abnehmende
Niederschlagsaktivität). Lediglich eine Hand voll der Ensembles beginnen ab
Dienstag zu opponieren, indem sie (teils deutlich) nach oben ausscheren. In
einem Fall (Referenz Rauchfahne Offenbach, IFS-EPS) beträgt der
Temperaturanstieg in 850 hPa binnen 36 h satte 12 Grad (von -6°C auf +6°C). Ab
Donnerstag streuen die Kurven dann erheblich stärker bei wieder zunehmenden
Niederschlagssignalen. Während bei der Temperatur das Gros des Ensembles einen
Anstieg sieht (-3 bis 0°C), zeigt die Potenzialverteilung indifferent ohne
klaren Trend.
Erstaunlicherweise fördert die IFS-EPS-Clusterung für den Zeitraum T+120...168h
(Dienstag bis Donnerstag) vier verschiedene Cluster zutage (21 Fälle + HL/KL,
11, 10, 9), die bei genauerem Hinsehen aber gar nicht so verschieden sind. Das
Grundmuster ist überall sehr ähnlich, die Unschärfen resultieren im Wesentlichen
aus der unterschiedlichen Verlagerungsgeschwindigkeit des sich von Westen
nähernden Hochs.
Richtig interessant wird es ab Freitag (T+192...240h), wenn ebenfalls vier Cluster
offeriert werden, die dann aber tatsächlich voneinander abweichende Grundmuster
zeigen. CL 1 (25 + HL/KL) tendieren zu einer südlichen Westlage, CL 2 (12) zu
einer zyklonalen Grenzwetterlage mit - vereinfacht - kaltem Nordosten und mildem
Südwesten. CL 3 (10) wiederum favorisiert eine zyklonale Südwestlage, während
der große Außenseiter CL 4 (4) auf Hochdruckeinfluss mit bodennaher Kaltluft
setzt.

FAZIT: Trotz der paar Ausreißer nach oben steht die Vorhersage bis nächsten
Donnerstag auf einem sehr soliden probabilistischen Fundament. Danach darf man
gespannt sein, welchen Kurs die Atmosphäre einschlägt.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Sowohl deterministisch als auch probabilistisch liegen ausreichend Hinweise vor,
dass die Wetterlage durchaus was zu bieten hat.

WIND/STURM:
Am Sonntag deutliche Signale für Böen 8-9 Bft an der Nordsee, den Hochlagen
sowie gebietsweise auch in tieferen Lagen Süddeutschlands. Zudem in exponierten
Kamm- und Gipfellagen Böen 10 bis 11 Bft wahrscheinlich. Ob sich in der
westlichen Grundströmung eine Welle bildet (wie gestern von IFS recht deutlich
gezeigt), die für eine noch stärkere Windentwicklung sorgt (zumindest auf der
Südseite), ist unsicher.
Ab Montag nimmt der auf NW drehende Wind sukzessive ab, an der Nordsee und im
höheren Bergland bleibt es zunächst aber noch stürmisch.

REGEN:
Hier ist die Sachlage etwas weniger klar als beim Sturm. Zwar werden für Sonntag
für die Weststaulagen des Schwarzwalds und des Allgäus größere
Niederschlagsmengen signalisiert, es muss aber berücksichtigt werden, dass ab
spätestens Sonntagabend die Schneefallgrenze sinkt. Von daher ist fraglich, ob
an den genannten Orten die markante Dauerregenschwelle (12- oder 24-stündig)
tatsächlich noch mal gerissen werden.

SCHNEE/GLÄTTE:
Dass mit Beginn der neuen Woche der Winter im Bergland Einzug hält, ist
unstrittig. Über die Bewertung, ob diese Tatsache mehr Segen oder mehr Fluch
ist, möchte der Verfasser an dieser Stelle den Mantel des Schweigens hüllen,
obwohl seine Meinung den meisten bekannt sein dürfte.
Wie auch immer, Im Stau der Alpen sowie in den N-NW-Staulagen der Mittelgebirge
kommt es ab Sonntagabend zu länger andauernden und teils ergiebigen Schneefällen
und entsprechender Einwinterung nebst der üblichen Begleiterscheinungen auf den
Straßen. Wie viel Neuschnee am Ende tatsächlich fallen wird, ist noch nicht ganz
sicher. In den Staulagen dürfte die Größenordnung aber im Bereich 20 bis 50 cm
liegen.
In tiefen Lagen bekommt der Schneefall keinen richtigen Zugriff, auch wenn es
punktuell durchaus mal weiß werden kann. Dafür nimmt die Gefahr von gefrierender
Nässe (teils sogar markant) deutlich zu.

GEWITTER:
Besonders am Sonntag sind vereinzelte kurze Gewitter mit Böen 8-9 Bft nicht
ausgeschlossen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, MOSMIX, IFS-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann