DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

28-11-2018 10:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 28.11.2018 um 10.30 UTC



Unwinterlicher geht's kaum: Unbeständig, zeitweise windig und mild.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 05.12.2018


Nachdem vor allem am Freitag die warntechnisch undankbare Großwetterlage
"winkelförmige Westlage" - mit anderen Worten: "Frontenfriedhof über
Mitteleuropa" - dem ein oder anderen, in der Vorhersage bzw. im Warndienst
tätigen Kollegen wohl einiges an Kopfzerbrechen bereitet haben wird (Stichwort:
Glatteis), kann sich die milde Atlantikluft am Wochenende, also zu Beginn des
Mittelfristzeitraumes, wohl endgültig im Vorhersagegebiet durchsetzen.
Eingebettet in die über dem nahen Ostatlantik und Westeuropa recht zonal
ausgerichtete und nur leicht mäandrierende westliche Höhenströmung greift am
Samstag ein flacher Kurzwellentrog auf die Britischen Inseln und die Nordsee
über. Vorderseitig kann sich das Geopotenzialfeld über dem Vorhersagegebiet
durch WLA nochmals vorübergehend etwas aufwölben. Bereits im Laufe des
Nachmittags/Abends erreicht aber das Frontensystem eines von Irland bis Sonntag.
00 UTC zur nördlichen Nordsee ziehenden Tiefs den Westen Deutschlands und
überquert bis Sonntagfrüh mit meist nur leichten Regenfällen (noch wirkt das
Hoch über Russland blockierend, im Osten/Südosten kann nochmals Glatteis nicht
ausgeschlossen werden) nahezu das gesamte Land ostwärts.
Bereits am Sonntag folgt der nächste Anlauf: Ein weiterer, etwas markanter
ausgeprägter Kurzwellentrog überquert bis zur Nacht zum Montag das
Vorhersagegebiet ostwärts. Korrespondierend dazu verlagert sich ein Bodentief
über die mittlere Nordsee hinweg bis Montagfrüh nach Südschweden und sorgt wohl
dafür, dass spätestens am Sonntag tagsüber auch die letzten Kaltluftseen in
Südostbayern ausgeräumt werden. Nahezu flächendeckend werden nun Niederschläge
meist mäßiger Intensität simuliert, dazu milde 850 hPa-Temperaturen von über 5
Grad im Warmsektor und auch rückseitig der über Süddeutschland verwellenden
Kaltfront noch um 2 Grad sowie vor allem auf den Bergen und an den Küsten in
Böen stürmischer West- bis Südwestwind.
Ein weiterer flacher Kurzwellentrog überquert Mitteleuropa unter
Amplitudengewinn im Laufe des Montags. Dahinter kann die Höhenströmung durch WLA
vorderseitig eines westlich der Azoren nach Süden ausgreifenden Troges über dem
nahen Ostatlantik nordwärts aufwölben, so dass sie in der Nacht zum Dienstag
über dem Vorhersagegebiet rückseitig des Kurzwellentroges auf Westnordwest
dreht.
Im Bodenfeld verlagert sich ein Montagfrüh über Schottland gelegenes flaches
Tiefdruckgebiet bis Dienstagfrüh nach Jütland, das Frontensystem überquert
Deutschland südostwärts, ihm folgt ein Schwall immer noch milder Meeresluft
subpolaren Ursprungs (Temperaturen in 850 hPa zwischen 1 und 4 Grad).
Bis Mittwoch, 00 UTC kommt der Höhenrücken zum westlichen Mitteleuropa voran,
wird aber mit Übergreifen eines Troges auf die Norwegische See und die Nordsee
von Norden her allmählich "abgehobelt". Das Bodentief verlagert sich bis zur
Nacht zum Mittwoch nach Finnland, rückseitig dreht die Grundströmung auf
Nordwest und maritime Polarluft (T850 HPa zwischen -1 und -4 Grad) kann weite
Teile des Vorhersagegebietes fluten, abgesehen von der Südhälfte, wo die
Kaltfront erneut nicht ankommt, sondern übergeht in die Warmfront eines weiteren
Wellentiefs, der morgens den Südwesten der Britischen Inseln erreicht. Somit ist
bei mit Abzug des Tiefs abschwächendem Südwest- bis Westwind auch am Dienstag
vor allem in der Mitte und im Süden verbreitet mit Regenfällen zu rechnen, die
im Norden und Nordwesten nach Kaltfrontpassage aber rasch abklingen.
Am Mittwoch wird der flache Höhenrücken endgültig nach Südosten abgedrängt, der
Trog über der Nordsee bzw. der Norwegischen See greift auf das nördliche
Mitteleuropa über und verlagert sich unter Amplitudengewinn sowie Vergrößerung
der Wellenlänge bis Donnerstag, 00 UTC nach Nord- bzw. ins östliche
Mitteleuropa. Rückseitig greift ein Höhenrücken auf die Britischen Inseln über.
Im Bodenfeld überquert das Wellentief am Mittwoch in etwa die Mitte Deutschlands
mit teils anhaltenden Niederschlägen ostwärts, schwächt sich dabei aber ab.
Rückseitig kann vor allem in den Norden und in die Mitte des Landes erneut ein
Schwall erwärmter Polarluft vordringen, die rasch unter Hochdruckeinfluss gerät.

In der erweiterten Mittelfrist setzt sich dann nach Lesart des aktuellen
IFS-Laufes mit dem erneuten Übergreifen atlantischer Tiefausläufer von
Nordwesten her der unbeständige und meist zu milde Witterungsabschnitt fort.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Im Großen und Ganzen kann dem aktuellen IFS-Lauf zunächst eine einigermaßen gute
Konsistenz zu seinen beiden Vorgängern bescheinigt werden. Die Frontpassage in
der Nacht zum Sonntag wird nahezu identisch simuliert.
Die nächste Tiefdruckpassage am Sonntag bzw. in der Nacht zum Montag wurde von
Lauf zu Lauf ein wenig nach Norden verschoben.
Zu Wochenbeginn werden die Differenzen zu den Vorläufen größer. Zwar zeigen alle
Läufe bis über die Wochenmitte hinaus eine etwas stärker mäandrierende, aber
nach wie vor überwiegend zyklonal konturierte West- bis Nordwestlage, allerdings
ergeben sich im Detail zunehmend Unterschiede, vor allem, was die Passagen
kurzwelliger Troganteile angeht. Für den Mittwoch simulierten die beiden
gestrigen Läufe rückseitig eines nach Mittelskandinavien ziehenden Sturmtiefs
die Passage einer Kaltfront, die abends die Alpen erreichen soll. Der aktuelle
Lauf hat dagegen das Sturmtief deutlich schwächer und etwas weiter östlich auf
der Karte, dafür ein Wellentief entlang der Kaltfront und rückseitig am
Donnerstag vorübergehenden Hochdruckeinfluss über dem Vorhersagegebiet, während
der gestrige 12 UTC-Lauf dann bereits ein neues Frontensystem auf Mitteleuropa
übergreifen ließ.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Für das Wochenende sind kaum Unterschiede zwischen den einzelnen globalen
Modellen auszumachen. Das Tiefdruckgebiet am Sonntag wird vom IFS allerdings
etwas progressiver, auf nördlicherer Zugbahn und markanter simuliert als vom
ICON und GFS (nach beiden Modellen bleibt es im Nordosten Deutschlands am
Sonntag tagsüber noch trocken), während GEM mit einer flachen, über
Norddeutschland hinweg westwärts laufenden Tiefdruckrinne und mehreren, darin
eingelagerten Kernen noch eine andere, leicht modifizierte Variante auf der
Karte hat.
Zu Wochenbeginn werden die Differenzen dann größer: Während das ICON am Montag
eine recht kräftige Tiefdruckentwicklung über Schottland auf der Karte hat und
das Tief bis Dienstagmittag zum Kattegat verlagern lässt, simulieren GFS und IFS
das Tief deutlich schwächer und lassen es bis Dienstag bereits nach Finnland
(IFS, mit flachem Randtief über dem Kattegat) bzw. zur mittleren Ostsee ziehen.
GEM belässt es bei einer flachen Tiefdruckrinne über Norddeutschland.
Prognoserelevant sind diese Unterschiede zunächst kaum, gehen doch alle
Varianten mit recht verbreiteten Regenfällen in den mittleren und südlichen
Landesteilen sowie verbreitet milden Temperaturen einher und außer nach GEM muss
auf den Bergen weiterhin mit Sturmböen gerechnet werden.
Das Drehen der Höhenströmung auf Westnordwest in der Nacht zum und am Dienstag
zeigen eigentlich alle Modelle, wobei GEM den nachfolgenden Höhenrücken bereits
am Dienstag über Mitteleuropa hinweg südostwärts schwenken lässt. Auch GFS und
ICON simulieren den Rücken etwas progressiver als IFS.
Am Mittwoch wird dann der von Nordwesten her auf Mitteleuropa übergreifende
Kurzwellentrog vor allem vom ICON und GEM unter Einbezug des Wellentiefs bei den
Britischen Inseln intensiver und weiter nach Westen ausgreifend sowie deutlich
langsamer als vom IFS simuliert. Das Wellentief selbst soll dann nach Lesart des
GEM unter deutlicher Vertiefung über die Nordsee hinweg ostwärts ziehen bzw.
nach GFS als weiterhin flaches Tief über Norddeutschland hinweg. In der
erweiterten Mittelfrist postuliert der aktuelle Lauf GFS eine Umstellung auf
eine antizyklonal konturierte Nordwestlage, GEM hat eher eine zyklonale Südwest-
bis Westlage auf der Karte, während IFS nach Durchschwenken eines Höhenrückens
Richtung West bis Nordwest zyklonal tendiert.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Clusteranalyse produziert im Zeitraum 72 bis 96 Stunden 6 (!) Cluster, die
sich - die Wetterentwicklung über Mitteleuropa betreffend - naturgemäß noch
ziemlich ähneln. Allerdings fahren Cluster 4 und 5 am Sonntag, 00 UTC eine
geringfügig antizyklonalere Variante als die anderen vier (Haupt- und
Kontrolllauf befinden sich in Cluster 1).
Im Zeitraum 120 bis 168 Stunden (Montag bis Mittwoch) verteilen sich die
ENS-Läufe, Haupt- und Kontrolllauf auf 3 Cluster. Dabei ergeben sich vor allem
ab Dienstag Unterschiede, hauptsächlich zwischen Cluster 2 (19 Member, inklusive
Haupt- und Kontrolllauf) und den anderen beiden Clustern (25 bzw. 7 Member).
Dabei fahren Cluster 1 und 3 Varianten, die den Lösungen von GFS und ICON ähneln
und den Trog am Mittwoch noch lange Richtung Britische Inseln zurückhängen
lassen, was eher einer zyklonalen Südwestlage ähnelt, während Cluster 2 bereits
in der Nacht zum Mittwoch den Übergang zu einer zyklonalen Westnordwestlage
markiert.
Für den erweiterten Mittelfristzeitraum (192 bis 240 Stunden) ergeben sich 4
Cluster (jeweils 18, 12, 11 und 10 Member, Haupt- und Kontrolllauf in Cluster
3). Cluster 1 zeigt eine recht weit südlich verlaufende zyklonale Westlage,
während Cluster 2 und 3 - ähnlich wie der Hauptlauf - Richtung etwas stärker
mäandrierende, aber meist zyklonal konturierte Nordwestlage tendieren. Cluster 4
zeigt zunächst einen Höhenrücken über Mitteleuropa, wobei zum Ende hin dann doch
wieder die Westlage (durchbrechen" sollte.
Bzgl. der Rauchfahne Offenbach das Wichtigste vorweg: Nahezu alle Member haben
vor allem im Zeitraum Nacht zu Sonntag bis Dienstag Niederschläge auf der Karte
und auch danach gibt es genügend Signale. Die Kurvenschar der 850 hPa-Temperatur
bewegt sich bis Montag zunächst eng gebündelt im Temperaturbereich zwischen etwa
3 und 6 Grad. Danach zeigen etwa die Hälfte der Member einen Abwärtstrend
(kleine Bündelung am Mittwoch und Donnerstag im Bereich um -4 Grad), während
sich viele Member weiterhin im oberen Bereich der Rauchfahne bewegen (um 7
Grad). In der zweiten Wochenhälfte gibt es wenige Ausreißer nach "ganz oben",
während sich das Gros der Member am Do und Fr zwischen etwa -4 und +3 Grad
bewegt.

FAZIT:
Die "Westautobahn" kommt nun doch mal in Gang, ob eher Südwest oder Nordwest, ob
stärker mäandrierend oder eher glatt, ist naturgemäß noch unsicher. Dennoch
scheint es jetzt doch mal die dringend benötigten flächendeckenden Niederschläge
zu geben, nach einer großräumigen Dauerregenlage sieht es aber nicht aus. Auch
windtechnisch läuft alles noch mit "gebremstem Schaum", für Sturmböen reicht es
wohl nur auf den Bergen und eventuell auch mal auf den Bergen.
Eines ist aber sicher: Winter ist bis auf weiteres, also bis weit in die
erweiterte Mittelfrist, weit und breit nicht in Sicht.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


EFI springt vor allem bzgl. der Temperaturen am Sonntag und Montag in erster
Linie in der Südhälfte Deutschlands an (mit Werten bis über 0,8). Es steht also
ab Sonntag ein sehr bis außergewöhnlich milder Witterungsabschnitt an.
Vorher besteht in der Nacht zum Sonntag im Südosten Bayerns noch ein geringes
Risiko für Glatteisregen.
Im Fokus der Warntätigkeit steht aber an eigentlich allen Tagen ab Sonntag der
Wind. Zumindest auf den Bergen sind Sturmböen - meist aus westlichen Richtungen
- wahrscheinlich, an den Küsten ab und zu stürmische Böen nicht ausgeschlossen.
Auch die Probabilistik liefert im Zeitraum Sonntag bis Dienstag entsprechende
Signale. Eine ausgewachsene Sturmlage, die auch das Binnenland bzw. die
Niederungen betreffen würde, steht aber nicht ins Haus.
Dauerregen ist vor allem in den Weststaulagen einiger Mittelgebirge Thema. Vor
allem COSMO-LEPS, aber auch ICON-EU-EPS liefern Signale dafür, hauptsächlich am
Sonntag/Montag im Schwarzwald (COSMO-LEPS sogar bis in den Unwetterbereich).
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Basis für Mittelfristvorhersage
ECMWF-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff