DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

20-10-2018 09:30
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 20.10.2018 um 10.30 UTC



Der Herbst ist da: Unbeständig bei zurückgehenden Temperaturen; Dienstag im
Norden und Osten stürmisch, Mittwoch an den Alpen Dauerregen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 27.10.2018


Zu Beginn kommender Woche findet die bisherige Dominanz antizyklonal geprägter
Wetterlagen in Mitteleuropa ein vorläufiges Ende und wir erleben den Übergang zu
einer teils zyklonal, teils (vor allem im Südwesten) auch antizyklonal
konturierten Nordwestlage. Damit kommt es zwar verbreitet zu Niederschlägen, die
speziell am Alpenrand auch ergiebig ausfallen können, diese reichen aber vor
allem im Südwesten vorerst nicht, um das bisherige Defizit auch nur
annäherungsweise auszugleichen.

Zu Beginn des Mittelfristzeitraumes, am Dienstag, befindet sich Deutschland
bereits zwischen einer kräftigen und hochreichenden Antizyklone mit Schwerpunkt
über dem nahen Ostatlantik westlich der Britischen Inseln und einem Trog über
Nordeuropa, der durch einen von Nordwesten hereinlaufenden Randtrog bis
Mittwoch, 00 UTC über dem Baltikum regeneriert wird.
Mit der sich dadurch verstärkenden nordwestlichen Höhenströmung wird eine
Warmfrontwelle über der Norwegischen See unter deutlicher Vertiefung über
Südskandinavien bis Mittwoch, 00 UTC ebenfalls ins Baltikum geführt. Das im
Tagesverlauf zunehmend okkludierende Frontensystem des Tiefs überquert bis
Mittwochfrüh Deutschland südostwärts. Niederschläge gibt es zunächst vor allem
im Norden und Osten, in der Nacht zum Mittwoch dann in der Südhälfte, an den
Alpen setzt etwa ab der zweiten Nachthälfte Dauerregen ein.
Mit der Tiefpassage über Südskandinavien hinweg geht im Laufe des Tages eine
deutliche Gradientverschärfung einher, im Norden und Osten gibt es auch im
Binnenland steife bis stürmische Böen aus Nordwest, an den Küsten und auf den
Bergen Sturm-, vereinzelt auch schwere Sturmböen. Der Kaltfront folgt ein
Schwall maritimer Polarluft, die aber zunächst hauptsächlich die Osthälfte mit
Temperaturen bis -3 Grad in 850 hPa flutet, im höheren Erzgebirge kann es dabei
auch etwas Schnee geben.
Am Mittwoch kommt der Trog über Nord- und Osteuropa unter Amplifizierung nur
sehr langsam etwas nach Osten voran, während sich der Schwerpunkt des Höhenhochs
westlich der Britischen Inseln etwas nach Süden verlagert, wobei sich ein
Höhenrücken bis zur Norwegischen See aufwölbt. Die Höhenströmung über
Mitteleuropa steilt dadurch etwas auf und an den Alpen stellt sich eine Staulage
ein, während sich ein Keil des Bodenhochs knapp westlich der Britischen Inseln
nach West- bzw. Südwestdeutschland ausweitet. Bis in die Nacht zum Donnerstag
hinein ist dort - unterstützt durch Einbeziehung einer flachen Warmfrontwelle -
mit Dauerregen zu rechnen, in höheren Lagen (etwa ab 1500 m, aber noch sehr
unsicher) fällt Schnee. Erst nach Abzug der Warmfrontwelle sinkt die Temperatur
in 850 hPa an den Alpen auf knapp unter 0 Grad und die Schneefallgrenze sinkt
Donnerstagfrüh wohl auf etwa 1000 m bei gleichzeitig aber abklingenden
Niederschlägen.
Ansonsten klingen die meist nur leichten Regenfälle bereits im Tagesverlauf des
Mittwochs von Norden her allmählich ab und vor allem im Nordosten kann sich im
Skandenlee häufiger die Sonne durchsetzen. Der Wind schwächt sich gegenüber dem
Vortag etwas ab, an den Küsten und auf den Bergen kann es aber weiterhin
stürmische Böen, exponiert Sturmböen aus Nordwest geben.
Am Donnerstag verlagert sich der Höhenrücken im Tagesverlauf nach Mitteleuropa
und im Bodenfeld setzt sich vor allem im Südwesten des Landes Hochdruckeinfluss
durch. Dabei greift von Westen her die Warmfront eines Tiefs über dem
Europäischen Nordmeer bzw. der Norwegischen See auf Deutschland über, die vor
allem in der Nordhälfte auch leichte Regenfälle im Gepäck hat. Dort bleibt es
meist stärker bewölkt, während sich im Südwesten ab und zu die Sonne durchsetzt
bei wieder etwas steigenden Temperaturen.
Am Freitag wird der Höhenrücken nach Osten abgedrängt und wir geraten auf die
Vorderseite eines von Nordwesten auf die Britischen Inseln übergreifenden
Höhentroges.
Das korrespondierende Bodentief zieht von der Norwegischen See bis Samstag, 00
UTC nach Mittelskandinavien. Während dessen Warmfront rasch bis ins östliche
Mitteleuropa vorankommt, verwellt die Kaltfront über der Nordsee und greift erst
in der Nacht zum Samstag auf die deutsche Nordseeküste über. Im Vorfeld der
Kaltfront ist vor allem im Norden und Nordwesten, in der Nacht zum Samstag auch
im Westen/Südwesten somit verbreitet mit meist leichten Regenfällen zu rechnen,
ansonsten bleibt es zunächst noch vielerorts trocken. Am Temperaturniveau ändert
sich meist nur wenig, lediglich im Süden und Südwesten wird es mit etwas
Sonnenschein noch milder als am Vortag.
Am Samstag kommt der Höhentrog unter Amplifizierung und mit zunehmend positiv
geneigter Achse kaum nach Osten voran und Deutschland verbleibt auf dessen
Vorderseite.
Die Kaltfront des Richtung Bottnischen Meerbusens ziehenden Tiefs kommt
ebenfalls nur zögernd südostwärts voran und greift schleifend auf das
Vorhersagegebiet über. Erst in der Nacht zum Sonntag erreicht sie allmählich den
Südosten des Landes. Vorderseitig kann sich an den Alpen Föhn mit Sturmböen auf
den Gipfeln einstellen.
Im Frontbereich und präfrontal ist vielerorts mit allerdings nicht allzu
ergiebigen Regenfällen zu rechnen. Im Südosten bleibt es sehr mild, ansonsten
gehen die Temperaturen wieder etwas zurück, bleiben aber wohl meist noch im
knapp zweistelligen Bereich.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis zur Nacht zum Freitag kann dem aktuellen Lauf des IFS eine sehr gute
Konsistenz zu seinen beiden Vorgängern bescheinigt werden. Am Freitag und
Samstag kam nach Lesart des gestrigen 00 UTC-Laufes der Trog von den Britischen
Inseln her allerdings deutlich schneller nach Osten voran als im aktuellen Lauf
und befand sich bereits am Samstag über Mitteleuropa, während der gestrige 12
UTC-Lauf sogar noch etwas weiter nach Südwesten zurückhängen ließ als der
aktuelle Lauf. Entsprechend wurden nach dem gestrigen 00 UTC-Lauf am Samstag
weite Teile des Vorhersagegebietes von maritimer Polarluft geflutet, die sogar
einen "Hauch" von Winter in höheren Mittelgebirgslagen (600 bis 800 m) bzw. am
Alpenrand bis in Höhenlagen um 800 m erahnen ließ. Diese Variante ist aber mit
den beiden aktuelleren Läufen vom Tisch.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich der Nacht zum Freitag zeigen alle Modelle mit kleineren
Differenzen bzgl. der genauen Lage der Geopotenzial- und Druckgebilde eine sehr
ähnliche Wetterentwicklung, einschließlich der Sturmlage am Dienstag (die vom
IFS etwas markanter simuliert wird als vom ICON und auch vom GFS) und der
Dauerregenlage am Mittwoch (da haben GFS und ICON etwas höhere Mengen im
Programm als IFS).
Der nächstfolgende Höhentrog, der am Freitag auf die Britischen Inseln
übergreift, wird dagegen von den vorliegenden Modellen etwas anders behandelt
als vom IFS. GFS fährt dabei die progressivste Variante und lässt den Trog -
ähnlich wie der gestrige 00 UTC-Lauf des IFS - bereits am Samstag auf
Mitteleuropa übergreifen, mit ähnlichen Konsequenzen (bei 850 hPa-Temperaturen
um -5 Grad sogar mit etwas Schnee bis in mittlere Höhenlagen). Die ICON-Lösung
und auch das GEM lassen den Trog am Samstag immerhin schon auf das westliche
Mitteleuropa übergreifen, während nach Lesart des IFS der Trog noch am weitesten
nach Südwesten zurückhängt.

Letztendlich hängt davon ab, ob es am kommenden Wochenende bis in höhere (ICON,
GEM) oder gar bis in mittlere Lagen (GFS) zu ersten (leichten) Schneefällen
kommt oder ob es auch im höheren Bergland noch nicht für Winter reicht (IFS).
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Sechs(!) Cluster zeigt die Clusteranalyse zu Beginn der Mittelfrist (Zeitraum
T+72-96 h), die sich bzgl. der Wetterentwicklung über Mitteleuropa aber kaum
unterscheiden. Einige Cluster sind mit schärferem Gradienten ausgestattet als
andere, was letztendlich aber nur insofern von Bedeutung ist, ob es im Nordosten
und Osten Deutschlands für Böen Bft 7 bis 8 oder Bft 8 bis 9 reicht.
Im nächstfolgenden Zeitraum (T+120-168 h) reduziert sich deren Zahl immerhin auf
vier (jeweils 16, 16, 15 und 4 Member, Haupt- und Kontrolllauf in Cluster 2),
die aber umso deutlichere Differenzen aufweisen. Den weit nach Westen
zurückhängenden Trog am Freitag und vor allem Samstag zeigen Cluster 2 und 3,
während Cluster 1 eher der ICON- bzw. GEM-Variante ähnelt. Cluster 4 zeigt den
Trog am Samstag, 00 UTC markanter ausgeprägt als die anderen Cluster, allerdings
mit Drehzentrum über Südskandinavien.
Die erweiterte Mittelfrist (T+192-240 h) ist ebenfalls mit vier Clustern
(jeweils 17, 13, 12 und 9 Membern, Hauptlauf in Cluster 2) ausgestattet. Cluster
1, 3 und 4 haben dabei eine Austrogung über Mitteleuropa bzw. etwas weiter
östlich im Programm, während Cluster 2 (ähnlich wie der Hauptlauf) den Trog über
Südwesteuropa abtropfen lässt und zu Beginn übernächster Woche einen von West-
auf das nördliche Mitteleuropa übergreifenden Keil zeigt, der für das
Vorhersagegebiet deutlich antizyklonaler geprägtes Wetter zur Folge hätte.
Vor allem das kanadische GEM tendiert übrigens ebenfalls in diese Richtung und
auch das GFS zeigt für Anfang/Mitte übernächster Woche diesen Abtropfprozess.
Bei Betrachtung der Rauchfahne für Offenbach fällt der relativ große Spread der
850 hPa-Temperatur am Dienstag und Mittwoch auf. Dieser Spread fällt im
äußersten Südwesten sowie vor allem im Nordosten des Landes geringer aus. Grund
dafür ist der recht scharfe nieder- und mitteltroposphärische Temperaturgradient
innerhalb der von Nordwesten über die Mitte des Landes nach Südostbayern
verlaufenden Frontalzone. Der Hauptlauf rauscht dabei vom oberen Bereich der
Kurvenschar am Dienstag, 12 UTC (um +10 Grad) bis Donnerstag, 00 UTC in den
untersten Bereich (-3 Grad).
Das vor allem vom Haupt- und Kontrolllauf, aber auch von einigen Membern
simulierte Zurückhängen des Troges am Samstag ist auch anhand der Kurvenschar
der 850 hPa-Temperatur gut nachzuvollziehen, wobei sich beide Läufe im oberen
Bereich bewegen. Die meisten Member zeigen von Freitag auf Samstag bereits einen
deutlichen Rückgang der Temperatur.
Schwache Niederschlagssignale hat die Rauchfahne für Offenbach am Dienstag bzw.
der Nacht zum Mittwoch auf der Karte und dann erst wieder ab Freitag.

Fazit: Die Wetterentwicklung bis Freitag scheint einigermaßen sicher zu sein.
Danach werden die Unsicherheiten größer, vor allem, was das Übergreifen des
Troges am kommenden Wochenende angeht. Ob er dann zu Beginn übernächster Woche
über Südwesteuropa abtropft (was neben dem Hauptlauf nur wenige Member, aber
auch GFS und vor allem GEM zeigen) oder ob er über Mittel- bzw. Osteuropa
austrogt (was durchaus zu einem ersten "Wintereinbruch light" im
Mittelgebirgsraum bzw. an den Alpen führen könnte), steht noch in den Sternen.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Von Warnrelevanz dürfte ab Dienstag in erster Linie der Wind sein. Vor allem im
Nordosten und Osten sowie an den Küsten und im Bergland überschreitet er mit
recht hoher Wahrscheinlichkeit auch markante Warnkriterien (Bft 8 aus Nordwest,
geringe Wahrscheinlichkeiten für Bft 9 vor allem nach ECMWF-EPS in der
Osthälfte, Bft 9 bis 10 an den Küsten und auf den Berggipfeln wahrscheinlich,
auf dem Brocken und dem Fichtelberg auch Bft 11 bis 12 nicht ausgeschlossen).
In der Nacht zum und vor allem im Laufe des Mittwochs nimmt der Wind zumindest
in den Niederungen bzw. im Binnenland wieder ab, markante Böen gibt es aber
weiterhin auf den Bergen und an den Küsten.
EFI zeigt im Zeitraum Dienstag bis Mittwoch, 00 UTC über dem östlichen
Mitteleuropa bis in den äußersten Osten bzw. Nordosten Deutschlands Werte von
über 0,8.
Von Donnerstag bis Samstag gibt es auf den Gipfeln vor allem der zentralen und
östlichen Mittelgebirge und mit geringerer Wahrscheinlichkeit auch an den Küsten
noch einzelne stürmische Böen aus West bis Nordwest.
Die Dauerregenlage an den Alpen am Mittwoch wird auch von den Ensembleverfahren
mitgetragen, die dort vor allem für den Zeitraum Mittwoch, 00 UTC bis
Donnerstag, 00 UTC recht hohe Wahrscheinlichkeiten für mehr als 40 Liter in 24
Stunden zeigen, aber nur geringe Wahrscheinlichkeiten und lediglich die
exponierten Staulagen betreffend für mehr als 50 Liter in 24 Stunden (Unwetter).
Schwache Signale für markanten Dauerregen treten auch im Westerzgebirge sowie im
Südschwarzwald (letztere Region nur im Cosmo-LEPS) auf.

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Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, ECMWF-EPS
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff