Thema des Tages

06-10-2018 07:50

Wie wird Wind gemessen?


Am 5. Oktober 2017 - also gestern vor einem Jahr - zog das Sturmtief
XAVIER über den Norden und Nordosten Deutschlands hinweg und brachte
in der Nordosthälfte selbst im Tiefland verbreitet schwere Sturmböen,
lokal sogar Orkanböen. Die Spitzengeschwindigkeit wurde dabei mit 177
km/h - wieder einmal - auf dem Brocken gemessen. Erst kürzlich,
nämlich am 23. September 2018, sorgte das Sturmtief FABIENNE in der
Südhälfte Deutschlands einigerorts für schwere Schäden. Unsere
Wetterstation auf dem Weinbiet (Rheinland-Pfalz) meldete eine
(extreme Orkan-)Böe von 157 km/h, in Konstanz am Bodensee wurden
immerhin noch satte 149 km/h registriert!

Doch wie wird Wind - also die Bewegung der unsichtbaren Luft -
überhaupt gemessen?

Phänomenologisch kann eine Abschätzung der Windstärke über die
Beaufortskala gegeben werden. Diese wurde ursprünglich für die
verschiedenen Erscheinungen, die auf See bei bestimmten
Windgeschwindigkeiten auftreten, entwickelt. Erst 1906 schuf der
britische Wetterdienst dann eine Version, die auch die Auswirkungen
an Land beschreibt (bspw. für Windstärke 8: "Große Bäume werden
bewegt, Fensterläden werden geöffnet, Zweige brechen von Bäumen, beim
Gehen erhebliche Behinderung.").

Der Wind ist eine vektorielle Größe, d.h. er besitzt sowohl eine
Richtung (angegeben in Grad oder mit Himmelsrichtung, aus der er
kommt) und einen Betrag (also die Windgeschwindigkeit, bei uns
allgemein in km/h, m/s, kn (Knoten) oder Bft (Beaufort) angegeben).

Eine simple Methode, sowohl die Richtung und die Stärke des Windes zu
bestimmen, ist der in der Regel rot-weiß gestreifte Windsack. Diesen
sieht man häufig an Flugplätzen oder auch an windanfälligen
Straßenabschnitten, wie bspw. auf hohen Brücken. Er besteht aus einem
an einem Ende spitz zulaufenden und beidseitig offenen Schlauch, der
an einem Mast drehbar gelagert aufgehängt wird. Er wird vom Wind
aufgeblasen und so gedreht, dass das kleinere Ende nach Lee weist.
Hängt der Windsack schlaff herab, weht kein anzeigbarer Wind. Steht
er jedoch stramm in der Horizontalen, so herrscht starker Wind. Dabei
gilt als Faustregel: pro aufgeblasenem Ring fünf Knoten (ca. 9 km/h)
Windgeschwindigkeit.

Genauere Werte liefern jedoch Anemometer (griech. "anemos" = "Wind").
Diese gibt es in verschiedenen Bauformen, wobei sicherlich
Flügelrad-, Schalen- und Ultraschallanemometer die bekanntesten sind.


Beim Flügelradanemometer werden - ähnlich wie bei einer
Windkraftanlage - die Flügel durch den Wind angetrieben. Aus der
Geschwindigkeit dieser Drehung, sprich der Winkelgeschwindigkeit,
kann dann auf die Windgeschwindigkeit rückgeschlossen werden.

Analog funktioniert auch das Schalenanemometer. Dieses besteht aus
einem drei- oder vierarmigen Stern halbkugelförmiger Hohlschalen, die
einem Eiskugelformer ähneln (siehe linkes Gerät im Bild). Weht nun
der Wind in diese frei drehbar gelagerten Schalen, setzen sich diese
in Bewegung. Aus der Rotationsbewegung des Sterns wird dann die
Windgeschwindigkeit abgeleitet.

Diesen beiden Anemometern ist jedoch gemein, dass sie trotz möglichst
geringer Reibung träge sind, d.h. sie brauchen einerseits erst einen
gewissen Anlauf und laufen andererseits nach. Dies ist beim
Ultraschallanemometer (rechtes Gerät im Bild) nicht der Fall. Das
Messprinzip eines Ultraschallanemometers basiert nämlich darauf, dass
akustische Wellen von dem Medium, in dem sie sich ausbreiten,
mitgeführt werden. Daher hängt die Laufzeit über eine feste Strecke
vom Sender zum Empfänger von der Durchströmungsgeschwindigkeit der
Messstrecke ab. Ein Ultraschallanemometer hat meist mehrere
Messstrecken zwischen Ultraschallsendern bzw. -empfängern, über die
abwechselnd die Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Raumrichtungen
gemessen wird. Daraus wird auf die horizontale und vertikale
Windgeschwindigkeit sowie die Windrichtung geschlossen. Vereinfacht:
Weht der Wind vom Punkt A zum Punkt B, braucht das Signal von A nach
B weniger lang als von B nach A.

Ein weiteres Anemometer ist das Hitzdrahtanemometer, bei dem ein
Draht erwärmt und vom Wind umströmt wird. Somit wird dem Draht Wärme
entzogen und mit dem damit verbundenen Wärmeverlust kann die
Windgeschwindigkeit bestimmt werden.

Soll gleichzeitig die Windrichtung erfasst werden, kombiniert man das
Anemometer mit einer Windfahne (beim Ultraschallanemometer ist das
nicht nötig, da sich die Richtung errechnen lässt). Die gemessene
Windrichtung wird in Grad angegeben und beschreibt die Richtung, aus
der der Wind kommt. Dabei bedeuten 0 Grad (= 360 Grad) Nord, 90 Grad
Ost, 180 Grad Süd und 270 Grad West.

Für repräsentative und vergleichbare Messungen werden die
Windmessgeräte fernab größerer Hindernisse auf einer freien Fläche
und in der Regel in zehn Metern Höhe angebracht.


M.Sc. Met. Stefan Bach
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.10.2018

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