Thema des Tages

12-06-2016 14:40

Forensische Meteorologie Teil 3 - "Wetterdetektive" des Deutschen
Wetterdienstes

In den ersten beiden Teilen der Reihe "forensische Meteorologie"
wurden bereits einige anschauliche Beispiele aufgeführt, bei denen
das Wettergeschehen maßgeblich zum Ermittlungserfolg beitrug. Auch
der Deutsche Wetterdienst beschäftigt an unterschiedlichen Standorten
in Deutschland eigene, speziell ausgebildete Gutachter, wie zum
Beispiel Uta Frisch vom Klimabüro in München, die auf über 30 Jahre
Erfahrung als meteorologische Sachverständige zurückblicken kann und
freundlicherweise etwas Zeit für ein Gespräch fand.

Nicht nur in den USA werden "Wetterdetektive" zertifiziert, in
Deutschland existieren ebenfalls Zertifikate für meteorologische
Sachverständige, die man nach mehreren Jahren Berufserfahrung
erwerben kann. Die amtlichen Gutachten an sich folgen dabei
festgelegten Richtlinien und werden nicht nur vom Deutschen
Wetterdienst angeboten, auch private Wettergutachter liefern solche
Dienstleistungen.

Da die amtlichen Gutachten meist jedoch sehr aufwendig und
entsprechend teuer sind, lohnt sich ein solches nur in
Ausnahmefällen. Zudem ist nicht immer gleich ein professioneller
Gutachter von Nöten. Die Internetplattform "WESTE-XL" (Wetterdaten
und -statistiken Express - XL) bietet den kostenfreien Online-Zugriff
auf Messwerte, die am häufigsten nachgefragt werden. Dabei sind auch
klimatologische Auswertungen umfangreicher Datensätze möglich. Die
entsprechenden Informationen finden Sie unter www.dwd.de/weste.

Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass nicht jedes
Wetterereignis an den Messstationen nachgewiesen werden kann.
Gewitter treten beispielsweise nur eng begrenzt auf. So kommt es vor,
dass Begleiterscheinungen wie Fallböen oder Starkregen zwischen zwei
Stationen für Schäden sorgen, an den Stationen selbst jedoch nicht
registriert werden. In einem solchen Fall kann dann die Anfrage eines
Gerichts erfolgen: Sind Gewitterfallböen zum Zeitpunkt eines Unfalls
aufgetreten und wenn ja, in welcher Stärke?

Auch die Einschätzung von Sichtverhältnissen stellt unter Umständen
eine schwierige Aufgabe dar. Bei einem durch einen Geisterfahrer
verursachten Verkehrsunfall kamen die Insassen der beiden
verwickelten Fahrzeuge ums Leben. "Unser Sherlock", Uta Frisch, bekam
dann den Auftrag, die Sichtverhältnisse zum Unfallzeitpunkt zu
ermitteln. Konnte der Autofahrer den Geisterfahrer auf sich zukommen
sehen? Wie groß war dabei die Sichtweite? Eine solche Aussage zu
treffen ist dann nur begrenzt möglich, da das Messstationsnetz recht
weitmaschig ist und man somit nicht über flächendeckende
Beobachtungsdaten verfügt. Als zusätzliches Hilfsmittel bietet sich
da der Blick aus dem All an. Allerdings schaut man mit dem Satelliten
nur von oben auf die Nebeldecke. Eine Abschätzung der Sichtweite auf
50 m genau ist dann entsprechend nicht möglich.

Beim Fund einer eingeschneiten Leiche in winterlichem Gelände lässt
sich der Todeszeitpunkt für Gerichtsmediziner nur schwer bestimmen,
da die Leiche von Insektenbefall verschont bleibt. Jedoch kann man
sich auch hier die Witterung zunutze machen. Vergleicht man die
Schneedecke unter der Leiche mit der Schneedecke, die sich auf der
Leiche gebildet hat, kann man mithilfe einer Niederschlagsanalyse den
Tod zeitlich näher eingrenzen. Entsprechend muss der Frage
nachgegangen werden, in welchem Zeitraum welche Mengen an Schnee
gefallen sind.

Wetter beeinflusst aber auch den Kleidungsstil eines Menschen. Zum
Beispiel werden im Sommer gerne kurze und luftige Kleidungsstücke
getragen, im Winter mag man es dagegen eher lang und dick. Bei der
Frage, wann sie eine Person das letzte Mal gesehen haben, erinnern
sich viele Zeugen an die Kleidung der Person. War es ein besonders
warmer Tag im Frühling, kann das Datum womöglich näher eingegrenzt
werden.

In einem weiteren spannenden Ermittlungsverfahren kam es zu einer
Drogenrazzia. Dabei beobachtete ein Polizist, wie sich einer der
Täter über den Balkon des durchsuchten Gebäudes scheinbar einer Tüte
Rauschgift entledigte. Im Anschluss an die Razzia musste die Aussage
des Polizisten mit den vorherrschenden Lichtverhältnissen abgeglichen
werden, da die Wahrnehmung beispielsweise durch dichte Wolken oder
Regen eingeschränkt hätte sein können. Falls das
Sachverständigengutachten dann aufgrund mangelnder Daten zu ungenau
ist, kommt es im äußersten Fall zu einem Ortstermin, bei dem die
lokalen Lichtverhältnisse bei ähnlichen Wetterbedingungen unter die
Lupe genommen werden.

MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 12.06.2016