DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

11-09-2018 11:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 11.09.2018 um 10.30 UTC



Anfangs das zonal Großwetterlagenmuster Wa (West antizyklonal) bzw. BM (Brücke
Mitteleuropa), ab Wochenbeginn zunehmende Meridionalisierung, dabei
wahrscheinlich sehr warm und meist trocken.
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Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 18.09.2018


Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Freitag unter dem
südlichen Rand der Frontalzone, die sich vom mittleren Nordatlantik bis in den
Westen bzw. Nordwesten Russlands erstreckt. Eine schleifende Kaltfront, deren
Passage von Nord nach Süd sage und schreibe drei Tage und Nächte gedauert hat,
hat mittlerweile die Alpen erreicht, deren Hauptkamm sie wahrscheinlich nicht
überqueren wird/kann. So verwundert es nicht, dass südlich der Donau, also auf
der kalten Seite der Front, mit Unterstützung einer sich vorübergehend
einstellenden schwachen Gegenstromlage Regen induziert wird, der sich im
Tagesverlauf aber mehr und mehr an und in die Alpen zurückzieht.
Ansonsten kommt die frisch eingeflossene subpolare Meeresluft (T850 3 bis 7°C)
unter leichten Hochdruckeinfluss, der sich in Form eines zonal ausgerichteten,
vom Atlantik bis nach Mitteleuropa vorstoßenden Bodenkeils widerspiegelt. Einzig
der küstennahe Raum wird peripher von einem kleinen Tief beeinflusst, das
nördlich an Schottland vorbei zur Norwegischen See zieht (=> stärkere Bewölkung,
etwas Regen).

Am Wochenende ändert sich relativ wenig an der Strömungskonstellation, sprich,
die großräumige Potenzial- und Druckverteilung bleibt stark zonal gefärbt. Für
Deutschland bedeutet das ganz vereinfacht ein leicht zyklonal beeinflusster ergo
wechselhafter Norden, dem sich ein antizyklonal konturierter großer Rest der
Republik nach Süden hin anschließt. An den Alpen und im südlichen Vorland gibt
es vor allem am Samstag noch ein paar "Schönheitsfehler" in Form einzelner
Schauer. Das Temperaturniveau steigt peu a peu wieder an, am Sonntagabend kurz
vorm TATORT reicht die Spanne der 850-hPa-Temperatur von etwa 6°C im äußersten
Norden bis zu 14°C am Alpenrand.

Zu Beginn der neuen Woche setzt als Folge einer über dem westlichen Nordatlantik
beginnenden Austrogung eine Aufwölbung der Frontalzone über dem nahen
Ostatlantik ein. Hinzu kommt WLA vorderseitig des relativ weit nördlich in die
Westwindzone eintretenden Tropensturms HELENE, so dass sich ein letztlich ein
veritabler Höhenrücken bildet, der schon am Dienstag weite Teile Mitteleuropas
überdeckt.
Zuvor schwenkt am Montag stromab aber noch ein flacher Randtrog über den Norden
und Osten des Vorhersageraums ostwärts hinweg. Ihm ist die Kaltfront eines von
Schweden nach Karelien ziehenden Tiefs vorgeschaltet, die uns unter Abschwächung
von Nord nach Süd überquert. Dabei gelangt insbesondere in den Norden
vorübergehend noch mal ein Schwall frischer Meeresluft (T850 um 5°C), bevor sich
am Dienstag die eingeflossene Luftmasse durch starkes Absinken
(niedertroposphärisch) merklich erwärmt (18 UTC 9°C Richtung Oder und Neiße, bis
15°C im äußersten Süden und Südwesten).

Im weiteren Verlauf der Woche (erweiterte Mittelfrist) intensiviert und
amplifiziert sich der Höhenrücken, wobei er seine Position kaum verändert. Das
korrespondierende Bodenhoch allerdings verlagert seinen Schwerpunkt etwas nach
Osten, wodurch nun auch advektiv sehr warme Luft in den Vorhersageraum gelangt
(T850 am Donnerstagabend 14 bis 17°C!). Es scheint also, als wäre die Atmosphäre
nicht im Geringsten interessiert, den Sommer 2018 schon in den Herbst zu
entlassen. Naja, vielleicht geht es irgendwann auch direkt vom Sommer in den
Winter, wer weiß?
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Der heutige 00-UTC-Lauf von IFS (ECMF) zeigt bis einschließlich kommenden
Sonntag eine ähnliche Entwicklung wie seine jüngsten Vorgänger. Danach nehmen
die Unterschiede zu, was in einer Mittelfristvorhersage prinzipiell nichts
Besonderes darstellt und vielschichtige Ursachen haben kann. Im vorliegenden
Fall scheint es aber einen Hauptgrund zu geben, warum die Prognosen anfangen zu
divergieren. Im Laufe des Wochenendes begibt sich nämlich der Tropensturm HELENE
(nicht zu verwechseln mit dem Hurrikan FLORENCE, der noch im Laufe dieser Woche
die US-Ostküste erreichen wird) in die Wetterküche der mittleren Breiten
respektive der Westwindzone, wo er natürlich nicht umhinkommt, seinen Senf zur
großräumigen Entwicklung dazuzugeben. Dabei werden die Geschmacksnerven der
Computermodelle offensichtlich derart irritiert, dass sie Schwierigkeiten haben,
eine einigermaßen verdauliche Kost (im Sinne einer konsistenten Vorhersage) zu
servieren. Oder mit anderen Worten, die Unsicherheit hinsichtlich Zugbahn und
Intensität des Tropensturms projiziert sich auf die numerischen Prognosen, die -
je weiter wir uns vom Ausgangszeitpunkt entfernen - mal mehr, mal weniger
voneinander abweichen.

Im vorliegenden Fall würde das bedeuten, dass am Montag eine Kaltfront unter
Abschwächung von Nord nach Süd über Deutschland hinwegziehen würde, bevor sich
danach Hochdruckeinfluss einstellt. Die Konsequenz: ein grundsätzlich kühlerer
und wechselhafterer Wochenstart mit Regen im Norden und der Mitte, wenn auch
keine großen Mengen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Der Vergleich der etablierten Globalmodelle fällt gar nicht so heterogen aus,
wie man das angesichts des Einstiegs von TS HELENE vielleicht hätte vermuten
können. Genau genommen sind die Muster sogar ziemlich ähnlich, auch wenn im
Detail freilich die üblichen Unschärfen am Prognosehorizont auftauchen. So fällt
auf, dass die zyklonale IFS-Lösung von Sonntag zu Montag (Kaltfront von Nord
nach Süd) nur beim kanadischen GEM auftaucht, während ICON und GFS (UKMO
schneidet leider bei T+144h ab) eine antizyklonalere Variante präsentieren. Der
Grund dafür liegt darin, dass die Austrogung über dem Atlantik weiter östlich
als bei IFS erfolgt, wodurch der davor gelagerte Rücken eher auf den
Vorhersageraum übergreifen kann (die o.e. Randtrogpassage entfällt bei ICON und
GFS).
Im Lauf der nächsten Woche (ICON steigt allerdings am Dienstag aus) läuft dann
alles auf eine warme bis sehr warme, stark meridional geprägte Hochdrucklage
hin, bei der GFS am ehesten mal die Nerven verliert und etwaige Störungen
vorderseitig des sich über dem nahen Ostatlantik einnistenden LW-Troges auf
Westdeutschland übergreifen lässt.

FAZIT: Trotz Einbindung eines Tropensturms in die numerische Vorhersage zeigen
die verschieden Modelle eine brauchbare Performance, aus dem man den Generalkurs
ableiten kann. Unsicherheiten betreffen demnach vor allem den Wochenstart.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte verlaufen bis
einschließlich Sonntag eng gebündelt und dicht angelehnt an die Prognose des
Hauptlaufs. Danach nimmt die Streuung zwar zu, die Mehrheit peilt aber
tendenziell ein hohes Potenzial- und Temperaturniveau an, was die
Wahrscheinlichkeit für warmes Hochdruckwetter hoch erscheinen lässt. Die
Kaltfrontpassage am Montag wird übrigens bei weitem nicht von allen Ensembles
gestützt. Auffallend sind zwei EPS-Lösungen, die am Montag krass und deutlich
nach unten aus der Kurvenschar ausscheren, was für eine Troglage sprechen würde.
So oder so, die Dichte und Häufigkeit von Niederschlagssignalen bleibt
vergleichsweise gering, so dass mit nennenswertem Regen mittelfristig kaum zu
rechnen ist. Die GFS-EPS-Rauchfahnen verlaufen übrigens ähnlich wie ihre
"Kollegen" vom IFS.

Die Clusterung von IFS-EPS wartet für den Zeitraum T+120...168h (Sonntag bis
Dienstag) mit vier Clustern auf, die mit 15, 15, 12 und 9 Fällen besetzt sind.
Der Hauptlauf ist CL 3, der Kontrolllauf CL 2 zugeordnet, der am zyklonalsten
aufgestellt ist (Trogpassage im Norden). CL 1 verzichtet auf den
Kaltfrontdurchgang am Montag und baut den Höhenrücken ähnlich CL 4 schon relativ
früh auf (ab Sonntag). Die beiden o.e. Ausreißer dürften am ehesten CL 2
zuzuordnen, da bei allen anderen Lösungen das Potenzial zu hoch ist.
Ab Mittwoch (T+192...240h) reduziert sich die Anzahl der Cluster auf zwei
(33+HL+KL, 18 Fälle). CL 1 sieht uns unter einem breiten Höhenrücken (=> warmes
bis sehr warmes Spätsommerwetter), während CL 2 den Rücken westlich des
Vorhersageraums belässt. Die Folge wäre eine leicht zyklonal konturierte
west-nordwestliche Höhenströmung mit wechselhafterem und kühlerem Wetter.

FAZIT: Es spricht vieles dafür, dass sich nächste Woche eine warme Hochdrucklage
bei uns einstellt. Der Weg dorthin allerdings ist insbesondere am Sonntag/Montag
noch etwas "glitschig".
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Wenn auch die Vorhersage noch ein paar Imponderabilien beinhaltet, so lässt sich
doch mit gutem Gewissen behaupten, dass uns alles andere als eine warnintensive
Wetterlage bevorsteht.
Zu Beginn am kommenden Freitag liegt im äußersten Süden noch eine minimale
Wahrscheinlichkeit für vereinzelte Gewitter vor. Ebenso ist nicht
ausgeschlossen, dass eine bereits die Nacht zuvor - möglicherweise - begonnene
Stark- bzw. Dauerregenlage an den Alpen am Vormittag noch andauert.
Ansonsten stehen ab Samstag lediglich an der Küste geringe Wahrscheinlichkeiten
für stürmische Böen 8 Bft um Südwest auf der Karte.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit MOS-Mix und etwas Bauchgefühl.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann