Thema des Tages

05-09-2018 07:50

Wind, der ein bisschen aus der Reihe tanzt

Die Vorhersage des Windes (beinhaltet den Mittelwind, Böen und die
Windrichtung) ist fixer Bestandteil eines jeden Wetterberichts.
Außerdem ist der Wind das Wetterelement mit dem großflächigsten
Schadenspotential. Daher ist es beruhigend, dass dieser mithilfe der
numerischen Wettervorhersage (Wettermodelle) mittlerweile sehr gut
prognostiziert werden kann. Eine Ausnahme bilden aber noch die in
Verbindung mit Gewittern stehenden Böen, die aufgrund der limitierten
Gewittervorhersagbarkeit gewisse Unsicherheiten aufweisen.


Aber auch regional kommt es zu besonderen Windentwicklungen, für
deren Vorhersage ein hochaufgelöstes Wettermodell benötigt wird.
Besonders an sonnigen Tagen entwickeln sich im gegliederten Gelände
bevorzugt im Sommerhalbjahr sehr gut ausgeprägte Windsysteme, die in
den verschiedenen Wetterberichten aufgrund deren Kleinräumigkeit und
Variabilität nur eingeschränkt kommuniziert werden können. Zudem
braucht es für die Vorhersage dieser Windphänomene einige Erfahrung
und eine Portion Lokalkenntnis.


Ein gutes Beispiel dafür sind die unterschiedlichen Windsysteme in
den Mittelgebirgen sowie in den Alpen. Jeder, der schon einmal einen
Wanderurlaub dort unternommen hat, wird bemerkt haben, dass der Wind
in einem Tal im Tagesverlauf deutlichen Schwankungen in Stärke und
Richtung unterliegt. Sobald die Sonne am frühen Morgen über den
Horizont gestiegen ist, wird eine Talseite aufgrund der geometrischen
Gegebenheiten stärker beschienen als der gegenüberliegende Hang.
Entsprechend kann an einem der Sonne zugeneigten Berghang deutlich
mehr Sonnenenergie vom Boden absorbiert werden, als auf der
schattigen Seite. Durch die absorbierte Energie wird der Boden je
nach Beschaffenheit mehr oder weniger stark erwärmt.


Diesen Wärmeüberschuss gibt der Untergrund sogleich wieder an die
darüber liegende Luft ab. Die nun erzeugte dünne Warmluftschicht ist
aber deutlich leichter als die kalte Umgebung und beginnt daher in
Form von Warmluftblasen aufzusteigen. Damit ergibt sich eine
Luftströmung, die den Hang entlang hinaufsteigt. In der Fachsprache
wird daher von einem sogenannten "Hangaufwind" gesprochen. Als
Gegenbewegung strömt in der Talmitte oder auf der Schattenseite die
Luft abwärts und bildet damit zusammen mit dem Hangaufwind die
"Hangwindzirkulation".


Am Talboden werden diese Hangwinde vom Talwindsystem überlagert.
Dieser Effekt lässt sich damit erklären, dass in den Tälern deutlich
weniger Luft erwärmt werden muss als im angrenzenden Flachland. Damit
steigt die Temperatur auch deutlich schneller an. Die in den Tälern
aufsteigenden Luftmassen müssen aber ersetzt werden und so beginnt im
Tagesverlauf eine in das Tal hinein gerichtete Luftströmung. Bei
sonst unveränderten Randbedingungen setzt der Taleinwind an
aufeinander folgenden Tagen meist um eine ähnliche Uhrzeit ein. In
der Nacht kehrt sich dieser Effekt wie beim Hangwindsystem um: die
Luftmasse in den Tälern kühlt deutlich schneller und stärker ab.
Diese erzeugte Kaltluft fließt nun talauswärts ins Flachland.


Doch jedes Tal hat seine eigene Charakteristik. Weist zum Beispiel
ein Alpental in dessen hydrologischem Einzugsbereich Vergletscherung
auf, beeinflusst diese die lokale Windentwicklung. Auf dem Gletscher
kühlt die oberflächennahe Luftschicht aufgrund des Wärmeentzugs durch
das Schmelzen oder die Verdunstung des Eises im Sommer stark ab. Da
kalte Luft dichter und damit schwerer ist, fließt diese in Form einer
dünnen Strömungsschicht talabwärts. Dieser kalte Fallwind
("Gletscherwind"), der fachlich unter die "katabatischen Winde" (gr.
katabatikos: herunterfließend) fällt, überlagert sodann tagsüber den
erwarteten thermisch bedingten Wind, der taleinwärts wehen würde.
Daher unterscheiden sich die Windsysteme von Tälern mit
vergletscherten und unvergletscherten Einzugsgebieten deutlich.


Zu diesen Effekten kommt es aber nicht nur in den Alpen. Besonders
kräftig sind solche katabatischen Winde auch am Rande Grönlands, wenn
die Kaltluft von den höheren Regionen der Insel in Richtung Meer
hinabströmt. Auch in der Antarktis kommt es zu solchen, teils
gefürchteten Winden, die sehr hohe Geschwindigkeiten erreichen können
("Inlandeiswind"). Besonders gefährlich können die Fallwinde werden,
wenn diese den lockeren Schnee aufwirbeln und daher die Sicht
einschränken und einen die Orientierung verlieren lassen.

Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.09.2018

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