Thema des Tages

06-06-2016 14:40

Blitz und Donner auch am gestrigen Sonntag

Man konnte es erahnen, wenn man gestern zwischen dem
Niederrheinischen Tiefland und dem Harz früh aus dem Bett stieg - es
lagen Gewitter in der Luft. Die Luftmasse war bereits sehr feucht,
was sich in Form zahlreicher, teils sehr dichter Nebelfelder
bemerkbar machte, die die Sichtweiten bis weit in den Vormittag
hinein gebietsweise auf unter 150 m drückten. Teils herbstlich
anmutende Sonnenaufgänge im wabernden Nebelmeer waren die Folge.
Zu dieser Jahreszeit bedeutet jedoch eine sehr feuchte und warme
Luftmasse, dass es mit fortschreitender tageszeitlicher Erwärmung
darin zu brodeln beginnt. Die dabei aufsteigende Luft kühlt ab,
bildet zunächst die allseits bekannten Haufen-/ oder Blumenkohlwolken
(lat. cumulus), die dann aber immer weiter anwachsen, bis sie an der
Oberkante vereisen und den typischen "Amboss" aufweisen. Sie ziehen
dann meist mit Blitz und Donner über die Lande und verteilen ihre
Regenlast in der betroffenen Region meist sehr ungleichmäßig. Schon
früh wurden daher am gestrigen Sonntag erneut Vorabinformationen über
das sehr wahrscheinliche Auftreten von heftigen Gewittern
herausgegeben, die weite Bereiche vom Ruhrgebiet bis zur Pfalz und
ganz Süddeutschland umfassten.

Doch sorgten nicht nur die Einstrahlung der Sonne und die damit
einhergehende Erwärmung für die Entwicklung der teils schweren
Gewitter, sondern es bildeten sich, wie auch schon während der
Vortage, zahlreiche bodennahe Windkonvergenzen, die ebenfalls zur
Gewitterauslösung beitrugen. Die Beschreibung von Konvergenzen kann
im Thema des Tages vom 05.06.16 auf der Homepage des DWD nachgelesen
werden.

Doch etwas unterschied die Sonntagsgewitter dann doch von denen der
vergangenen Tage: Sie hatten deutlich mehr Energie zur Verfügung. Das
bedeutet vereinfacht gesagt, dass die aufsteigende Luft besonders
schnell aufsteigen und kondensieren bzw. Regen und Eis produzieren
konnte. Die Folge der besonders mächtigen Gewitterwolken und ihren
starken Auf- und Abwinden war vielerorts wolkenbruchartiger
Starkregen oder Hagel. Wenn nun zahlreiche, nah beieinanderstehende
Gewitterzellen viel Regen produzieren, dann können die Gewitter auch
allmählich zusammenwachsen und eine oder mehrere Gewitterlinien
bilden. So zogen am Sonntagnachmittag gleich mehrere dieser Linien
z.B. von Nordhessen in Richtung Westerwald oder von Thüringen und
Nordbayern nach Südhessen.

Eine dieser Gewitterlinien überrollte auch den Standort des
Berichterstatters und auf dem beigefügten Foto kann man anhand der
Wolkenformationen die für solche Gewitterlinien typischen Strömungen
in der unteren Troposphärenschicht erkennen. In 1a) wird warme und
feuchte Luft emporgerissen, was die dunkle und eher glatte
Wolkenstruktur ganz rechts erklärt. Rückseitig fällt dann die vom
Regen abgekühlte Luft nach unten und sorgt für ein sehr
wirres/verwirbeltes Wolkenbild. In 1b) wurde in diesen Bereich noch
näher hereingezoomt. Steht man unter diesen Wolken, dann droht in
Kürze Ungemach in Form heftigen Regens oder gar Hagels. Im Gegensatz
zu den vorherigen Tagen sind solche Gewitterlinien auch mit stärkeren
Windböen, teils stürmischen Böen verbunden und sie bringen meist auch
keine so extremen Regensummen, da sie, angetrieben durch die
herabfallende kalte Luft, zügig über die Lande ziehen. Dennoch
reichte es am Sonntag erneut eng begrenzt für unwetterartige
Regenmengen, wie z.B. in Bundenthal (Rheinland-Pfalz) oder
Heinrichtsthal (Bayern) mit jeweils 33 l/qm in einer Stunde.

Darüber hinaus gab es auch zahlreiche Blitzentladungen, was im
rechten Bildbereich anhand mehrerer Fotos zu erkennen ist. Solch
kräftige Blitzentladungen waren während der letzten Tage für
zahlreiche Unfälle verantwortlich, da die Gefahr eines Blitzschlages
allgemein unterschätzt wird. Ein sogenannter "Blitz aus dem Blauen"
ist eine Entladung, die aus der Wolke durch die Luft weit entfernt
vom eigentlichen Gewitter vollkommen überraschend, sprichwörtlich wie
aus dem heiteren Himmel, in Gegenstände am Boden einschlagen kann.
Das kann nachweislich bis zu 40 km abseits eines Gewitters der Fall
sein. Von daher ist es sehr wichtig, dass man frühzeitig bei einem
nahenden Gewitter Schutz sucht! Die Entstehung von Blitzen wurde am
31.05. in einem Thema des Tages beschrieben und kann im Archiv
nachgelesen werden.

Zuletzt sei noch erwähnt, dass besonders über Schleswig-Holstein im
Zuge einer markanten Windkonvergenz mehrere Tornados entstanden, die
teilweise gleichzeitig auftraten und von zahlreichen Augenzeugen
gefilmt wurden, Gott sei Dank aber eher unbewohntes Gebiet trafen.
Die Entstehung dieser Tornados würde den Rahmen des heutigen Thema
des Tages sprengen, doch sei erwähnt, dass diese Art von Tornados
immer wieder mal im Bereich von Konvergenzen vorkommen kann, wenn die
Luft feucht ist und sehr rasch zum Aufsteigen gezwungen wird. Auch in
anderen Bereichen Deutschlands gab es die ein oder andere
Tornadosichtung. Meist weisen diese aber nur eine kurze Lebensdauer
auf.

Von all dem bekamen die Menschen im Nordwesten und äußersten
Nordosten Deutschlands nichts mit, da dort bei viel Sonnenschein und
Höchstwerten von bis zu 30 °C (z.B. Berlin-Kaniswall mit 30.0 °C) der
Sommer in vollen Zügen genossen werden konnte - etwas, was uns allen
endlich mal zu wünsche wäre. Verdient hätten wir das!


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.06.2016

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