Thema des Tages
10-07-2018 09:50
Wenn ein Tief auf Deutschlandreise geht
Wenn man am heutigen Dienstag auf eine Bodendruck-Wetterkarte schaut,
springt einem ein Tiefdruckgebiet über Deutschland ins Auge, das auf
den Namen GISLINDE getauft wurde.
Ausgeprägt ist dieses Tief allerdings vor allem in höheren
Luftschichten. Wer nun aufgrund des Namens mutmaßt, GISLINDE sei
älteren Semesters, hat gar nicht so unrecht: Sie entstand schon
letzte Woche Dienstag über Kanada, machte sich dann auf den weiten
Weg über den Atlantik und zog schließlich am gestrigen Montag von
Norwegen nach Dänemark. Aber GISLINDE gönnte sich keine Nachtruhe
(obwohl es in Jütland ja durchaus lauschige Plätzchen geben soll),
denn bereits heute früh hat sie die deutsch-dänische Grenze passiert
und weilt nun über Schleswig-Holstein.
Wenn man den aktuellen Computerberechnungen Glauben schenkt, dann
gefällt es ihr hierzulande recht gut, verweilt sie doch zwei ganze
Tage bei uns. Erster "Sightseeing Stop" ist Hamburg. Ob sie nach der
durchwachten Nacht auf der Suche nach einer steifen Brise ist oder
nur hanseatisches Flair erleben möchte weiß man natürlich nicht,
jedenfalls geht's danach weiter über das östliche Niedersachsen nach
Nordhessen. Dieser erste Tag in Deutschland scheint doch etwas
kräftezehrend zu werden, denn GISLINDE entscheidet sich dafür, in der
kommenden Nacht ihr Tempo zu drosseln und etwas langsamer
fortzuziehen. Allerdings scheint sie sich nicht so recht entscheiden
zu können, ob das Nachtlager nun in der Rhön oder im Thüringer Wald
aufgeschlagen werden soll ? jedenfalls fällt nach dem Weg von
Norddeutschland gen Süden die Wahl auf die Mittelgebirge.
Gestärkt durch die Thüringer Waldluft macht sie sich
Mittwochvormittag auf zur Leipziger Tieflandsbucht, von wo aus sie
sich ganz gemächlich entlang der Elbe nach Sachsen-Anhalt bewegt.
Dann scheint sie doch gerne einmal "gegen den Strom" schwimmen zu
wollen, denn in der Nacht zum Donnerstag macht sie sich flussaufwärts
wieder zurück nach Sachsen und erreicht Donnerstagfrüh die Lausitz.
Dies soll dann auch die letzte Station des "Roadtrips" in Deutschland
zu sein, von dort aus zieht sie am Donnerstag weiter nach Polen.
Aber was hat denn GISLINDE nun eigentlich als "Mitbringsel" für uns
im Gepäck? Die Antwort wird vermutlich alle Gartenbesitzer und
Landwirte zum Lächeln verleiten: Niederschlag! Diese lang ersehnten
Regenwolken werden in richtigen "Bändern" um das Tief herum gedreht,
was man schön in der beigefügten Grafik erkennen kann. Der Regen wird
dann durch eingelagerte Schauer und Gewitter noch lokal verstärkt,
wobei die genauen Schwerpunkte von der exakten Position GISLINDEs
abhängen ? und diese ist noch unsicher.
In der Grafik kann man die Regionen gut erkennen, in denen die
Regentonnen in den nächsten Tagen gefüllt werden. Besondere Erwähnung
verdient dabei der Nordosten Deutschlands, wo nach aktuellen
Berechnungen stellenweise um 40 l/qm in 12 Stunden fallen könnten.
Aber wie schon erwähnt sind die genauen Niederschlagsschwerpunkte
noch unsicher, was daran liegt, dass Höhentiefs allgemein nur schwer
berechenbar sind ? man könnte auch sagen, GISLINDE hat ein sehr
spontanes Gemüt. Man weiß also nicht, ob sie sich kurzfristig
umentscheidet, ihren letzten Stopp in Deutschland nicht in der
Lausitz, sondern doch lieber im Vogtland zu verbringen, was kräftige
Regenfälle knapp 200 km weiter westlich zur Folge hätte.
Und wie sehen die Wochenendpläne von GISLINDE aus? Ihr scheint es im
östlichen Mitteleuropa ganz gut zu gefallen, und so hält sie sich die
meiste Zeit im Dreiländereck Polen-Weißrussland-Litauen auf. Und das
bedeutet für das Wetter in Deutschland: Von Westen kann sich wieder
Hochdruckeinfluss durchsetzen und für ruhiges und niederschlagsfreies
Wetter sorgen.
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 10.07.2018
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