Thema des Tages

05-06-2016 14:40

Konvergenzlinie - Eine Linie mischt die Atmosphäre auf!

In den letzten Tagen entwickelten sich wiederholt kräftige Gewitter,
die teilweise auch linienhaft organisiert waren und oftmals mit
unwetterartigem Starkregen sowie größerem Hagel einhergingen.
Beispielhaft fielen dem Radar zur Folge in Teilen des Wendlandes am
gestrigen Samstag, den 4. Juni, in wenigen Stunden bis 100 Liter
Regen auf den Quadratmeter. Auch am heutigen Sonntagmorgen sorgten
linienhaft angeordnete wiederholt auftretende Gewitter im Osten
Bayern für Starkregen bis 40 l/m². Schon am Samstagabend meldete die
Station Osterhofen-Thundorf im Südosten Bayerns innerhalb einer
Stunde 53 Liter pro Quadratmeter. Beobachtet wurde in der letzten
Unwetterwoche zudem häufiger großer Hagel mit 2 bis 3 cm Durchmesser.
Oftmals waren die linienhaften Gewitterstrukturen das Resultat von
zusammenströmender Luft.

In der Atmosphäre wird bei jeder Bewegung auch Masse transportiert.
Da die Atmosphäre nicht beliebig komprimierbar ist, schafft die
Atmosphäre dort, wo Konvergenz (Zusammenströmen) und Divergenz
(Auseinanderströmen) in der Horizontalen auftritt, vertikale
Ausgleichsströme. Dabei steigt über einem Konvergenzgebiet die Luft
am Boden auf und divergiert in der Höhe. Über einem Divergenzgebiet
am Boden sinkt die Luft stattdessen ab und konvergiert in der Höhe
(vgl. Graphiken 1 und 2).

Die so genannten Konvergenzlinien beschreiben dabei eine bestimmte
Zone von zusammenfließender (konvergierender) Luft in Bodennähe. Der
resultierende Massenüberschuss am Boden wird dabei durch
kompensierendes Aufsteigen ausgeglichen. Im Gegensatz zu den
Luftmassengrenzen wie Warm- oder Kaltfront handelt es sich bei
Konvergenzlinien um Phänomene, die innerhalb einer Luftmasse
auftreten und somit nicht zwingend thermische Gegensätze abtrennen.

Typische Konvergenzlinien entstehen in Mitteleuropa z.B. bei starker
Warmluftzufuhr aus Südwesten in einem gewissen Abstand vor der
nachfolgenden Kaltfront. Dabei markiert die Konvergenzlinie nicht
selten die Achse der wärmsten Luft am Boden, die in der Höhe häufig
von vorauseilender Kaltluft überlaufen wird. Nachfolgend stellen sich
große vertikale Temperaturunterschiede ein, die schließlich vertikale
Umwälzungen hervorrufen. Die Folge sind meistens starke Gewitter.

Neben der beschriebenen, dynamischen Entstehung einer Konvergenzlinie
können auch thermische Bedingungen zusammenströmende Luftmassen
auslösen. Kann sich der Erdboden und somit auch die bodennahen
Luftschichten in einer schmalen Zone beispielsweise durch die
Sonneneinstrahlung sehr stark aufheizen, kommt es ebenfalls zum
Aufsteigen der warmen und daher leichten Luft. Der Massenverlust am
Boden muss schließlich durch zusammenströmende Luft ausgeglichen
werden.

Ein erster Hinweis einer sich bildenden Konvergenzlinie ist der
beginnende Druckfall in einem langgezogenen Bereich, der sich von der
Umgebung deutlich unterscheidet.

Auch am heutigen Sonntag sowie an den nächsten Tagen muss vor allem
in der Westhälfte weiter mit kräftigen, teilweise auch
unwetterartigen Gewittern mit heftigem Starkregen und großem Hagel
gerechnet werden. Regional können dabei auch wieder Konvergenzlinien
die Finger mit im Spiel haben.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.06.2016