Thema des Tages
29-05-2018 07:50
Faszination Gewitter - Tanzendes Leuchten
In den vergangenen Tagen konnte man sich ein weiteres Mal der Gefahr
bewusst werden, die von einem Gewitter ausgeht. Häufig sind es die
Begleiterscheinungen wie heftiger Starkregen, Orkanböen, großer Hagel
oder Tornados, die enorme Schäden anrichten. Aber auch ein
Blitzschlag kann ein Haus in Flammen aufgehen lassen oder sogar
tödlich enden. Trotzdem faszinieren uns diese Gewalten der Natur auch
immer wieder aufs Neue. Besonders die mit hohen elektrischen
Spannungen zusammenhängenden Leuchterscheinungen sind dabei besonders
schön anzusehen.
Bei der Bildung eines Gewitters steigen feuchte und energiereiche
Luftmassen rasant auf. Dabei wird die Luft mit zunehmender Höhe
schnell abgekühlt, sodass es zur Kondensation des in der Luft
enthaltenen Wasserdampfes. Entsprechend kommt es zur
Quellwolkenbildung, die schließlich zu einem ausgewachsenen
Cumulonimbus (Gewitterwolke) heranwachsen. Im sogenannten
Aufwindbereich des Cumulonimbus werden sehr viele Wassertröpfchen und
Eiskristalle mit Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern in
eisige Höhen, zum Teil über 10 km, katapultiert, um anschließend
wieder in Richtung Erde zu fallen. Auf ihrem Weg durch die
Gewitterwolke stoßen sie dabei aneinander, wodurch es zu einer
elektrischen Ladungstrennung innerhalb der Wolke kommt. So entstehen
zum einen positive Ladungen, die sich im oberen Bereich der Wolke
ansammeln, zum anderen konzentrieren sich negative Ladungen im
unteren Teil. Die Spannungen sind dabei erheblich und können bis zu
1.000.000.000 Volt betragen.
Aufgrund dieser hohen Spannungen können unterschiedliche Phänomene
entstehen. Blitze entstehen beispielsweise, um den Ladungsunterschied
innerhalb der Wolke bzw. zwischen Wolke und Erdboden wieder
auszugleichen. Am Nachmittag des diesjährigen Muttertags, dem 13. Mai
2018, konnte man in Würzburg gegen 16 Uhr jedoch eine weitere überaus
seltene Erscheinung am Himmel ausmachen. An der Wolkenoberseite ließ
sich ein gebogener Lichtstrahl beobachten, der hin und her hüpfte und
scheinbar auf der Wolke tanzte. Das Video zum Thema des Tages (siehe
Link weiter unten) wurde uns freundlicherweise von Sebastian Baranek
zur Verfügung gestellt.
Dieses mysteriöse Phänomen ist unter anderem als "crown flash" (dt.
krönender Lichtstrahl) oder "leaping sundog" (dt. hüpfende oder
springende Nebensonne) bekannt. Der Name der Erscheinung sowie deren
erste wissenschaftliche Beschreibung geht übrigens auf einen Artikel
in dem renommierten Magazin "Nature" aus dem Jahre 1971 zurück, wo
dieses zum damaligen Zeitraum noch unbekannte Phänomen erstmals
öffentlich beschrieben und sogleich mit dem Namen "crown flash"
versehen wurde.
Aktuell existiert noch keine exakte wissenschaftliche Erklärung für
diese faszinierende Erscheinung. Führende Theorien gehen davon aus,
dass es sich dabei um einen Lichtstrahl handelt, der an kleinen
Eiskristallen im oberen Bereich der Gewitterwolke gebrochen und
reflektiert wird. Jedoch sieht der Beobachter am Boden die Reflexion
nur, wenn er richtig zur Sonne steht. Das macht dieses Phänomen so
selten.
Aber warum hüpft der Lichtstrahl? Die Eiskristalle an der
Wolkenoberseite sind durch das elektromagnetische Feld der
spannungsgeladenen Wolke in einer bestimmten Orientierung angeordnet
und geben somit die Richtung der Reflexion vor. Kommt es nun zu einer
Entladung, das heißt, blitzt es in der Gewitterwolke, ändert sich das
Spannungsfeld, wodurch es zu einer ruckartigen Änderung der
Ausrichtung der Eiskristalle und somit auch des Reflexionswinkels des
Lichtstrahls kommt. Der Beobachter nimmt dies dann als ein Hüpfen des
Lichtstrahls wahr. Weitere anschauliche Clips lassen sich bei einer
Internetrecherche finden, zum Beispiel auf dem Videoportal YouTube,
wo der Nutzer QuadeM13 dieses herrliche Beispiel im Jahr 2015 in
Greenwood, Indiana (USA) beobachten konnte (siehe zweiter Link).
MSc.-Met. Sebastian Schappert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.05.2018
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