Thema des Tages
18-05-2018 12:20
Wetten, dass ??
Häufig ist zu hören, dass sich das Wetter sowieso nicht an
irgendwelche Regeln hält. Macht es also Sinn, Geld auf
Wetterereignisse zu setzten? Viele Wirtschaftsbereiche hängen jedoch
maßgeblich vom Wetter ab: Abgesehen von der Energiebranche und der
Landwirtschaft sind bspw. auch der Tourismus, die Gastronomie oder
die Baubranche direkt vom Wetter abhängig. Studien zufolge haben auch
die Fernsehanstalten bei länger andauerndem Sonnenschein deutlich
weniger Kunden.
Für all diese Sektoren wäre es natürlich erstrebenswert, wenn sie das
Wetterrisiko, dem sie ausgesetzt sind, an jemand anderen übertragen
könnten. Klingt utopisch? Wird aber tatsächlich mittels sog.
"Wetterderivate" betrieben. Das Konstrukt des Wetterderivates kann
für manche Branchen also ein hilfreiches Instrument im
Risikomanagement sein um wetterbedingte Einbußen abzusichern.
Wetterderivate werden meist zwischen einer Bank oder einer
Versicherung und einem Unternehmen abgeschlossen, wobei das
Unternehmen sein Wetterrisiko auf die Bank transferiert.
So kann sich ein Energieversorger beispielsweise gegen einen zu
warmen Winter absichern, in dem weniger geheizt wird als üblich. In
den USA ist auch das Beispiel eines weniger warmen Sommers
vorstellbar, in dem die dort weit verbreiteten Klimaanlagen nur mit
halber Power laufen würden.
Doch wie läuft so ein Geschäft nun konkret ab? Ein fiktives Beispiel:
Man stelle sich die Veranstalter eines mehrtägigen Volksfestes,
beispielsweise des Oktoberfestes in München vor. Da die
Besucherzahlen und damit die Umsätze auf der Wiesn bei gutem Wetter
nach oben schnellen, wollen sich die Veranstalter gegen eine
niederschlagsreiche Witterung absichern. Im Derivat wird also ein
Grenzwert für die Niederschlagssumme festgelegt (z.B. 100 l/qm), ab
dem der Verkäufer des Derivats (die Bank) die Pflicht hat, dem Käufer
(Veranstalter) einen finanziellen Ausgleich zu leisten. Fallen nur 30
l/qm, wird der festgelegte Grenzwert also nicht überschritten,
streicht die Bank die vom Veranstalter gezahlte Prämie ein, was der
Veranstalter aufgrund des guten Umsatzes verkraften kann. Alternativ
zur Niederschlagssumme könnte auch die Anzahl an Tagen mit einer
bestimmten Niederschlagsdauer Bestandteil des Derivats sein.
Fallen während des Oktoberfestes 150 l/qm in München, sind zwar die
Veranstalter abgesichert, die Bank macht durch die zu leistenden
Zahlungen jedoch ein Minusgeschäft. Für diesen Fall muss sich die
Bank also selbst absichern. Dies geht am einfachsten mit einem
weiteren Wetterderivat. Der Kunde dieses Derivats besetzt dabei die
Gegenposition. Im Falle des Beispiels könnte dies ein Wasserkraftwerk
sein, das auf ausreichend Niederschlag angewiesen ist, da bei zu
langer Trockenheit der Wasservorrat im Stausee schwindet.
Wenngleich das dargestellte Beispiel nicht alle Details
berücksichtigt, so verdeutlicht es doch das Prinzip eines
Wetterderivats und zeigt auf, dass die konträren Positionen des
Derivats voneinander profitieren indem sie sich gegenseitig
absichern.
Das Finanzgeschäft der Wetterderivate ist ein vergleichsweise junges.
Seine Anfänge hatte es Ende der 90er Jahre in den Vereinigten Staaten
von Amerika. Erste Beispiele in Deutschland gab es zu Beginn dieses
Jahrtausends - das Wetten auf das Wetter steckt in Europa also noch
am Beginn seiner Entwicklung. Da Studien zufolge jedoch bis zu 80%
aller Wirtschaftsbereiche direkt oder indirekt vom Wetter abhängen,
erscheinen Wetterderivate als zukunftsfähiges Geschäft.
Meteorologe Cornelius Weiß (Praktikant) in Zusammenarbeit mit
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.05.2018
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