Thema des Tages
04-05-2018 08:20
Kármánsche Wirbelstraßen
Am Sonntag, den 6. Mai 2018, jährt sich zum fünfundfünfzigsten Mal
der Todestag des ungarischen Physikers und Luftfahrtingenieurs
Theodore von Kármán. Von Kármán studierte in Budapest, wurde in
Göttingen bei Ludwig Prandtl promoviert und wirkte später in Aachen
(an der heutigen RWTH), bevor er ab 1926 seine Forschungstätigkeit
schrittweise in die Vereinigten Staaten verlegte. Wie schon sein
Lehrer Ludwig Prandtl arbeitete auch von Kármán auf vielen Gebieten
der Kontinuumsmechanik und gilt wie dieser als Pionier der modernen
Aerodynamik. Seine wohl bekannteste Arbeit über die nach ihm
benannten ?Kármánschen Wirbelstraßen? veröffentlichte er im Jahre
1911.
Unter Kármánschen Wirbelstraßen versteht man ein
strömungsmechanisches Phänomen, bei dem sich im Lee eines umströmten
Körpers gegenläufige Wirbel bilden. Das Verhalten der ein Hindernis
umfließenden Strömung wird durch die hydrodynamischen Eigenschaften
des Fluids, z.B. seiner Strömungsgeschwindigkeit, sowie durch die
Dimensionen des Hindernisses bestimmt. Grob vereinfacht gesagt, wird
das Hindernis bei entsprechend geringen Geschwindigkeiten ?laminar?,
also ohne sichtbare Verwirbelungen umströmt. Steigt die
Strömungsgeschwindigkeit, bilden sich im Lee zunächst stationäre
Wirbel, bei weiterer Geschwindigkeitserhöhung lösen sich die Wirbel
vom Hindernis und driften in Strömungsrichtung davon. Es bildet sich
eine mehr oder weniger periodische Schleppe, in der jeweils
gegenläufig rotierende Wirbel, mit einer wiederum von Form und
Dimension des umströmten Körpers bestimmten, sog. Ablösefrequenz,
aufeinander folgen.
Kármánsche Wirbelstraßen finden sich vielerorts in Natur und Technik,
beispielsweise bei der Umströmung von Brückenpfeilern in einem Fluss.
Des Weiteren müssen Luftfahrzeuge so konstruiert sein, dass sie
laminar umströmt und damit Wirbelbildungen möglichst vermieden
werden. Ebenso sind bei der Flugsicherung bzw. dem Management von
Verkehrsflughäfen Wirbelschleppen startender und landender Maschinen
eine wichtige Einflussgröße.
Selbstverständlich kann auch die atmosphärische Zirkulation
Wirbelstraßen verursachen. Relativ häufig kann man sie bei
großräumigen und beständigen Strömungen im Lee von Inseln oder
Vorgebirgen beobachten.
Die Abbildung einer Kármánsche Wirbelstraße, die sich am 31. Mai 2006
im Lee der Insel Guadeloupe gebildet hatte, finden Sie unter
http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2018/05/04.html.
Zeitpunkt der mit dem Fernerkundungssystem Aqua/Modis (Moderate
Resolution Imaging Spectroradiometer) gemachten Aufnahme ist 21:25
Uhr UTC. Isla de Guadalupe (28°53'N, 118°18'W) ist eine Insel
vulkanischen Ursprungs, die etwa 240 Kilometer westlich der Halbinsel
Niederkalifornien liegt. Die Insel gehört zum mexikanischen
Bundesstaat Baja California und hat eine Länge von ca. 40 km sowie
eine Breite von bis zu 9.5 km. Die höchste Erhebung ist der 1298 m
hohe Monte Augusta. Rund um die Insel ragen noch einige kleinere
Felsen aus dem Meer. Im Süden der Insel gibt es eine Wetterstation
namens Campamento Sur.
An diesem Tage befand sich die Insel Guadeloupe an der Ostflanke
eines Hochdruckgebietes, dessen Kern sich etwa 600 km
westnordwestlich (ca. 30°N, 130°W) befand. Es wehte Nordwestwind mit
einer Geschwindigkeit von etwa 3 m/sec, die Luftmasse war stabil
geschichtet. Interessant ist, dass sich im Luv der Insel eine
laminare Bugwelle bildet, welche die nähere Umgebung der Insel
wolkenfrei hält. Die ersten Wirbel bildeten sich unmittelbar an der
Südspitze der Insel. Ihr Durchmesser wuchs auf etwa 80 km. Der
Dissipationsbereich der Wirbelstraße, also dort, wo sich die Wirbel
allmählich auflösen, lag ungefähr 500 km stromabwärts.
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 04.05.2018
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