Thema des Tages
06-03-2018 10:50
Nor'easter RILEY: Vom Schneebringer zum Frühlingsboten?
Hartnäckig halten sich Theorien und Gerüchte, das Wetter aus den USA
würde ein bis zwei Wochen später bei uns ankommen. Demnach müsste man
bald mit einem ausgewachsenen Sturm und allerlei extremen
Begleiterscheinungen rechnen. Denn am vergangenen Wochenende suchte
Sturmtief RILEY Teile der USA heim, sorgte neben zerstörerischen
Winden für sintflutartige Regenfälle und mitunter heftigen
Schneefall.
RILEY entwickelte sich Mitte der vergangenen Woche zunächst als
kleines "Leetief" auf der windabgewandten Seite der Rocky Mountains
und verlagerte sich in der Folge langsam ostwärts. Als RILEY am
Wochenende schließlich vor der US-Ostküste "wasserte", intensivierte
er sich binnen weniger Stunden extrem. In der Folge traten besonders
in Teilen der Süd- und Atlantikstaaten sowie in den Regionen von den
Großen Seen bis Neuengland neben heftigen Regen- und Schneefällen
auch Sturm auf. Da die Luftmassen auf der Nordhalbkugel entgegen dem
Uhrzeigersinn um Tiefdruckgebiete rotieren, kamen die stärksten Winde
in den betroffenen Regionen nahe der US-Ostküste an der Westflanke
von RILEY aus vornehmlich nordöstlicher Richtung. Aus diesem Umstand
leitet sich auch der "Spitzname" dieser extremen
Sturmtiefentwicklungen, die sich vor der US-Ostküste ereignen, ab.
Insbesondere in den Medien, aber auch im umgangssprachlichen
Meteorologen-Jargon wird RILEY als "Nor'easter" bezeichnet.
"Nor'easter" ist eine Konzentration des Begriffs "Northeaster" und
heißt auf Deutsch so viel wie "Nordöstlicher". Nor'easter entstehen
als Reaktion auf ein sich verschärfenden Temperaturkontrast zwischen
der von Kanada südwärts ausbrechenden arktischen Kaltluft und der
Warmluft, die sich von den durch den Golfstrom erwärmten tropischen
Atlantikgewässern nordwärts ausbreitet.
Genug Exkurs, zurück zur oben apostrophierten Theorie, das Wetter in
den USA käme in einigen Tagen zu uns. Nun, wenn es beim Wetter immer
so einfach wäre, gäbe es uns Meteorologen wahrscheinlich nicht. Fakt
ist, die Wetterentwicklungen in den USA und in Europa passieren nicht
unabhängig voneinander. Nicht umsonst sprechen wir Meteorologen
häufig von der "Großwetterlage", weil das Wetter eben nicht vor Ort
"aus dem nichts" entsteht, sondern als Resultat von komplexen
Wechselwirkungen zwischen vielen Prozessen an verschiedenen Orten zu
verschiedenen Zeiten. Fakt ist auch, dass synoptische Strukturen wie
Tiefdruckgebiete durch die vorherrschende westliche Höhenströmung in
der oberen Troposphäre vom nordamerikanischen Kontinent gerne mal
Richtung Europa gesteuert werden. Das Problem dabei: Der Weg von
Amerika und Europa ist verdammt weit, viel kann über den schier
unendlichen Weiten des Nordatlantischen Ozeans passieren.
Kontinentale Kaltluftmassen mischen sich mit warmer Meeresluft,
Tiefdruckgebiete interagieren mit anderen, sterben, entstehen neu und
so weiter und so fort. Fragen wie "schafft es das Tief überhaupt bis
nach Europa?" oder "wohin zieht das Tief?" sind somit nicht trivial.
Die Auswirkungen des US-Wetters auf das hiesige gibt es sicherlich,
doch wie genau diese aussehen, kann nicht mit solch einfachen
Theorien bestimmt werden. Hier springen unsere Computermodelle in die
Bresche.
Laut der meisten Berechnungen soll (EX-)RILEY zunächst unter
Abschwächung über den Nordatlantik langsam ostwärts ziehen und am
Freitag in etwa das Seegebiet der Kanaren passieren, um sich am
Wochenende dann vor den Toren Südwesteuropas nochmal zu
intensivieren. Folglich würde sich über West- und Mitteleuropa eine
südwestliche Strömung einstellen. Der sich dabei ereignende Vorstoß
subtropischer Warmluft macht sich am Samstag, insbesondere aber am
Sonntag zumindest durch milde bis sehr milde Temperaturen zwischen 13
und 18 Grad bemerkbar, auch wenn wohl kein
"Hochglanzfrühlingswetter", sondern wolkenreiches und zu
Niederschlägen neigendes Wetter zu erwarten ist. Obacht: Von der
vorübergehenden deutlichen Milderung könnte der äußerste Norden
ausgenommen sein.
Was dann mit EX-RILEY passiert und wie sich in der Folge das Wetter
bei uns in Deutschland präsentiert, ist unklar. Bis dahin aber gilt:
Aus dem Schneebringer RILEY für viele an der US-Küste wird für uns
Mitteleuropäer eher ein Frühlingsbote!
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.03.2018
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