DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

22-02-2018 12:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.02.2018 um 10.30 UTC



Good bye Winter, aber nur auf dem Papier (Ende des meteorologischen Winters).
Stattdessen Übergang zu einer überwiegend trocken-kalten Ost-Nordostlage mit
Dauerfrost am Tage und strengen Nachtfrösten.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 01.03.2018


Keine Frage, es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet in den
letzten Tagen des am nächsten Mittwoch auslaufenden meteorologischen Winters
dieser nun erst so richtig in Fahrt kommt und das genau genommen sogar zum
ersten Mal. Damit bekommen auch die Medien noch ihre ach so geliebte
"Russenpeitsche" um die Ohren geschleudert, auf die einige schon seit Wochen -
bisher vergeblich - gewartet haben. Obwohl, so mancher Journalist hätte
sicherlich jetzt auch schon ganz gerne über einen ersten Frühlingsvorstoß
berichtet, der wohl auch bei Teilen der Bevölkerung besser angekommen wäre als
das, was jetzt ansteht. Aber wie man leicht sieht - und das wussten wir auch
schon vorher -, ist das Wetter alles andere als ein Wunschkonzert, also stellen
wir uns den kalten Tatsachen.

So zeigt die großräumige Potenzialverteilung zu Beginn der Mittelfrist am
kommenden Sonntag einen schmalen. Aber sehr robusten Höhenrücken, der sich
schier unendlich vom nahen Ostatlantik über das Europäische Nordmeer bis hoch
zum Nordpol erstreckt. Flankiert wird der zumindest optisch äußerst zaghaft
anmutende Rücken von zwei Monumentaltrögen mit deutlich größerer Wellenlänge.
Einer davon reicht von Grönland über Teile des mittleren Nordatlantiks weit nach
Süden, der andere reicht von Nordwestrusslandüber das östliche Mitteleuropa bis
zum westlichen Mittelmeer respektive der Iberischen Halbinsel.
Bei allem Respekt vor dieser hochgradig meridional ausgerichteten und mithin
blockierenden Potentialverteilung, noch bedeutsamer für die Entwicklung vor Ort
ist das umfangreiche, ebenfalls meridional exponierte Hoch über Nordeuropa, das
über Skandinavien ein Druckniveau von 1040 bis etwas über 1045 hPa aufweist und
über der Barentssee sogar eine abgeschlossene 1050-hPa-Isobare zeigt. Auf der
Ostflanke wird kontinentale Arktikluft zunächst nach Süden in nahe Osteuropa
bzw. das östliche Mitteleuropa gesteuert, um von dort mit Winddrehung auf Ost
einen "Rechtsschwenk" gen Mitteleuropa und damit genau in Richtung Deutschland
zu machen. Um mal ein paar anschauliche Zahlen ins Spiel zu bringen, die
Temperatur in 850 hPa geht bis Montag 00 UTC auf rund -15°C an der westlichen
und rund -18°C an der östlichen Grenze zu unseren Nachbarn zurück. Mit anderen
Worten, Begrifflichkeiten wie "Dauerfrost" oder auch "strenger bis sehr strenger
Nachtfrost", die - bezogen auf den größten Teil des Vorhersageraums - kurz davor
standen, ins Fremdwörterlexikon aufgenommen zu werden, gewinnen nun nachhaltig
an Bedeutung. Weniger bedeutsam werden in dieser trocken-kalten Luftmasse
mögliche Schneefälle ausfallen, die zwar auftreten können (am Sonntag im
äußersten Nordosten sowie im äußersten Süden), in der Regel aber gering
ausfallen werden. Doch keine Regel ohne Ausnahme, und die betrifft nicht etwa
das Bergland, nein, die Ostsee bzw. die ostseenahen Regionen werden ab Sonntag
wiederholt Schneefall abbekommen, der sich über mehrere Tage durchaus auf 10 bis
20 cm, stellenweise vielleicht sogar noch mehr Neuschnee akkumulieren könnte.
Ursache ist eine flache, bis etwa 800 hPa reichende Labilität (Ostseewasser
knapp über 0°C, T850 um -15°C), die aber völlig ausreicht, konvektiv geprägten
Schneefall zu generieren, der sich möglicherweise in definierten Schauerstraßen
organisiert (Lake-Effekt). Keine schlechten Chancen also, dass der
Ski-Club-Lübeck oder die Wintersportfreunde Rostock die am Sonntag endende
Winterolympiade aktiv verlängern und endlich mal wieder seine seit Jahren
verschobenen Vereinsmeisterschaften im Biathlon austragen kann.

Doch zurück zum Ernst, bis Donnerstag dauert die kalte Ostlage an, wobei sogar
noch etwas kältere Luft angezapft wird. So taucht am späten Dienstag die
-20°C-Isotherme! in 850 hPa von Osten her auf, um bis Mittwoch weite Teile der
Nordhälfte zu okkupieren (=> evtl. noch Verstärkung des Lake-Effekts). Dabei
baut sich im Potenzialfeld eine gemeinhin stabile "High-over-Low-Situation" auf.
Der o.e. Rücken spaltet sich in seinem Nordteil ab und beginnt um 90° nach Osten
zu kippen, so dass er am Mittwoch eine komplett zonale Ausrichtung einnimmt.
Seine Längssachse reicht dann etwa von der Irminger See bis hinüber nach
Fennoskandien. Gleichzeitig löst sich aus dem Trog östlich von uns ein
eigenständiges Drehzentrum, das sich über Mitteleuropa hinweg westwärts
verlagert und dabei ein immer mehr eine elliptische Kontur annimmt. Am
Donnerstag, 00 UTC liegen wir dann schließlich unter einem relativ schmalen,
komplett zonal exponierten Trog, dessen Längsachse vom Seegebiet westlich
Irlands bis zum Schwarzen Meer reicht.

Im erweiterten Mittelfristzeitraum von Freitag bis Sonntag versucht IFS, der
"Russenpeitsche" (hier gilt es freilich, noch die Dopingproben abzuwarten) den
Garaus zu machen. Impulsgeber soll dabei ein kräftiges Tief sein, das sich schon
vorher knapp westlich der Azoren bildet, von dort auf weit südlicher Bahn gen
Iberische Halbinsel zieht (Donnerstag 12 UTC), um dann Richtung UK/Irland
abzubiegen. Vorderseitig wird niedertroposphärisch milde Subtropikluft (Anstieg
der 850-hPa-Temperatur von Süden her auf deutlich über 0°C, dabei markante
Baroklinität) über das westliche Mittelmeer hinweg nordwärts verfrachtet, wo
diese Luft auf die bodennahe Kaltluft stößt, die sich natürlich nicht so einfach
geschlagen gibt (zumal ja der Ostwind zunächst auch noch andauert). Die Folge
jedenfalls wären ab Donnerstag von Frankreich her aufkommende Niederschläge, die
sich erst nach Norden, später dann auch nach Osten ausbreiten, wobei dem
steuernden Tief vorgelagerte Randtiefs helfen sollen. Sollte es tatsächlich so
kommen, was der Verfasser rein vom Bauchgefühl her nicht glaubt, wäre neben
Schneefall auch verbreitet mit gefrierendem Regen und Glatteis zu rechnen -
wohlbemerkt, am ersten Frühlingswochenende.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe (ECMF) kann bis Mitte kommender
Woche mit dem Prädikat "gut bis sehr gut" versehen werden. Demnach steht uns ab
dem Wochenende, schwerpunktmäßig ab Sonntag die Zufuhr kontinentaler Arktikluft
bevor, was im Kapitel zuvor schon ausreichend gewürdigt wurde.
In der zweiten Wochenhälfte werden die Prognosen unsicher. Wie häufig bei
winterlichen Blockierungslagen will die Numerik diese nach hinten raus gerne
kappen und eine Milderung ins Spiel bringen, was aber nicht immer klappt. Nach
dem gestrigen 00-UTC-Lauf sollte die Milderung in gedämpfter Form von Nordwesten
her einsetzen, in der heutigen 00-UTC-Version steht eine nachhaltige Erwärmung
von Südwesten bzw. Süden auf der Karte. Kurzum, hier gilt es noch ein paar fette
Fragezeichen zu tilgen, was sehr wahrscheinlich noch ein paar Modellläufe dauern
wird.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Die anderen an dieser Stelle üblicherweise begutachteten Globalmodelle wie ICON,
GFS, GEM oder auch das leider nur spartanisch ausgestattete UKMO schlagen
denselben Kurs ein wie IFS. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass z.B. GFS
Mitte nächste Woche die -20°C-Isotherme in 850 hPa nicht bei uns sondern bei
unseren nördlichen Nachbarn sieht, was einfach daran liegt, dass die oben
beschriebene Druck- und Potenzialverteilung bei GFS etwas weiter nördlich
positioniert als bei den anderen Modellen.
Interessant wird es zum Ende des offiziellen Mittelfristzeitraums am kommenden
Donnerstag bzw. danach. Sowohl ICON als auch GFS zeigen ebenfalls das Tief
unweit der Iberischen Halbinsel und eine extreme Baroklinität in dessen Ost-
bzw. Nordostsektor. Während ICON bei T+168h rechentechnisch die Segel streicht,
löst GFS das Tief auf seinem Weg in Richtung UK/Irland allmählich auf.
Entsprechend findet die Milderung bei uns deutlich abgeschwächter statt als nach
IFS.
Das kanadische GEM hat mit dem Tief gar nichts am Hut, stattdessen wird eine
zögerliche Milderung von Nordwesten her angedeutet.
FAZIT: Bis Donnerstag fußt die deterministische Vorhersage auf einem sehr
stabilen Sockel, danach wird die Angelegenheit unsicher.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die ECMF-EPS-Rauchfahnen einiger deutscher Städte zeigen beim Potenzial 500 hPa
bis incl. Dienstag, bei der Temperatur in 850 hPa bis incl. Mittwoch einen
homogenen Verlauf. Danach fächert das Delta rasch auf und die Streuung nimmt
deutlich zu. Zwar zeigt die Grundausrichtung der Temperatur bei zunehmenden
Niederschlagssignalen nach oben, allerdings mit deutlich unterschiedlichen
Steigungsraten. Nimmt man mal das Beispiel Stuttgart, also eine Stadt, wo die
Milderung zuerst greifen soll, ergibt sich für den Freitag ein DeltaT von +8°C
ganz oben bis -16°C ganz unten. Der Hauptlauf markiert dabei den oberen Rand der
Kurvenschar. Bei GFS-EPS sieht es übrigens sehr ähnlich aus, allerdings markiert
dort der Kontrolllauf den oberen Rand.

Bei den Clustern fällt die vermeintliche Vielfältigkeit für den Zeitraum
T+120...168h (Dienstag bis Donnerstag) ins Auge, wo fünf verschiedene Cluster
angeboten werden, die sich - bezogen auf unseren Raum - aber nur wenig
unterschieden. Ab Freitag (T+192...240h) reduziert sich die Anzahl der Cluster auf
zwei, wobei man vereinfacht sagen kann: CL1 mit 31 Mitgliedern lässt es relativ
kalt mit einem weit südlich liegenden zonalen Höhentrog, CL2 (20 Fälle + HL/KL)
setzt auf allmähliche Milderung.
FAZIT: Bis Mittwoch/Donnerstag steht die Vorhersage weitgehend, danach wird es
unsicher. Eine so rasche Milderung wie vom Hauptlauf des IFS simuliert dürfte
aber nicht die wahrscheinlichste Variante darstellen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Es steht außer Frage, dass wir ab Sonntag für einige Tage eine weitgehend
trocken-kalten Wetterphase mit verbreitet leichtem bis mäßigem Dauerfrost und
mäßigen bis strengen, teils sogar sehr strengen Nachtfrösten bekommen. Dabei
muss auch in Regionen, wo kein Schnee liegt, mit strengem Nachtfrost (Kahlfrost)
gerechnet werden.

Trocken-kalt heißt nichts anderes, dass sich etwaiges Niederschlagsgeschehen
(bei diesem Temperaturniveau Schnee) sehr in Grenzen hält. Es gibt aber nicht zu
unterschätzende Hinweise (auch von der Statistik), dass es an der Ostsee zu
wiederholten Schneefällen kommt. Wenn sich dabei stationäre oder
quasi-stationäre Schauerstraßen ausbilden sollten, was gut möglich ist, können
in der Akkumulation über mehrere Tage und Nächte an einigen Stellen veritable
Neuschneehöhen zusammenkommen. Dabei kann sich räumlich eng begrenzt durchaus
mal eine 2 bis 3 Dekameter dicke Schneedecke bilden.

Hinzu kommt ein mitunter stark böig auffrischender Nordostwind, bei dem anfangs
insbesondere in Kamm- und Gipfellagen der süddeutschen Mittelgebirge und der
Alpen, später dann eher an der Küste (vor allem Ostsee) stürmische Böen 8 Bft,
vereinzelt 9 Bft auftreten können. Damit erhöht sich an der Ostsee die Gefahr
von starken Schneeverwehungen, die allerdings auch schon bei geringeren
Windgeschwindigkeiten möglich wären.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit MOS-ECMF und ECMF-EPS. Die MOS-Höchstwerte werden z.T. etwas nach
unten korrigiert.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann