Thema des Tages
07-12-2017 14:40
Trüber Himmel und Schwerewellen
Die in den vergangenen Tagen nach Mitteleuropa eingeflossene
Atlantikluft kam dank des umfangreichen Hochdruckgebietes ANKE über
West- und Mitteleuropa zur Ruhe und auch in den mittleren und
südlichen Teilen Deutschlands dominierte bis zum gestrigen Mittwoch
Hochdruckeinfluss. Bei derartigen Wettersituationen gerät die in
?Antizyklonen? stets absinkende Luftmasse in den tieferen Schichten
der Troposphäre unter höheren Druck und kann sich durch Kompression
adiabatisch, d.h. ohne äußere Energiezufuhr erwärmen.
Häufig zeigt sich dann vom Erdboden ausgehend mit zunehmender Höhe im
vertikalen Temperaturprofil zunächst die übliche Abkühlung, bevor die
Temperatur plötzlich ansteigt oder konstant bleibt. Diesen vertikalen
Temperaturanstieg nennt man ?Inversion? (lat. für Umkehrung), eine
Temperaturkonstanz wird als ?Isothermie? bezeichnet. Oberhalb von
Inversionen und Isothermien geht die Temperatur mit der Höhe erneut
zurück, und zwar durch die gesamte Troposphäre hindurch bis zum
Erreichen der Stratosphäre.
Inversionen und Isothermien fungieren als Sperrschichten, d.h. sie
verhindern den vertikalen Luftaustausch. Sollte die Absinkbewegung
der Luft in Hochdruckgebieten nicht zur Bildung vertikaler
Inversionen oder Isothermien reichen, so verringert sich zumindest
das vertikale Temperaturgefälle innerhalb der Luftmasse. In jedem
Falle erfolgt durch Absinken der Luft deren statische Stabilisierung,
Stabilität bedeutet, dass ein willkürlich aufwärts bewegter
Luftkörper nach Volumenvergrößerung und adiabatischer Abkühlung stets
kälter als seine Umgebung ist und in die Ausgangslage zurück sackt.
Im Winter bilden oder halten sich unterhalb von Inversionen oftmals
Hochnebel bzw. Schichtwolken (Stratuswolken) oder Schichthaufenwolken
(Stratokumuluswolken). Wegen der geringeren Intensität der
Sonnenstrahlung zu dieser Jahreszeit lösen sich Hochnebel und Wolken
häufig gar nicht mehr auf und es bleibt ganztägig trübe. Andererseits
dämpft eine dichte und tief liegende Wolkendecke die nächtliche
Abkühlung und verhindert somit die Nebelbildung am Boden. Kein Wunder
also, dass es in den Nächten zu Dienstag (05.12.) und Mittwoch
(06.12.) im größten Teil Deutschlands frost- und nebelfrei blieb.
Was hat das alles nun mit den oben angedeuteten ?Schwerewellen? zu
tun? Dieser interessante atmosphärische Effekt setzt eine stabil
geschichtete Atmosphäre voraus und wird durch eine geschlossene und
tief liegende Wolkendecke erst sichtbar! Das Phänomen der
Schwerewellen hat ? nomen est omen ? die allgegenwärtige Schwerkraft
als Hauptursache, wobei der genaue Entstehungsmechanismus keineswegs
trivial ist und an dieser Stelle nur grob skizziert werden kann.
Wir sprechen konkret von ?internen Schwerewellen?, die innerhalb von
Geofluiden, also Wasser oder Luft, mit kontinuierlicher, stabiler
Schichtung auftreten können. Vereinfacht gesagt, erfolgt ihre
Erregung beispielsweise dadurch, dass die Luft beim Überströmen von
Gebirgen im Luv zu Aufwärtsbewegungen gezwungen, also nach oben
ausgelenkt wird und in der Folge Schwingungen in der Vertikalen
ausführt, bei denen die Schwerkraft als Rückstellkraft wirkt. Durch
Verfrachtung mit der Strömung auf die Leeseite der Gebirge werden aus
diesen Schwingungen transversale Wellen, die den wohlbekannten
Wasserwellen ähnlich sind.
Zur Visualisierung finden Sie unten eine Aufnahme (vom 06.12.2017,
09:05 - 12:25 UTC,
http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2017/12/07.html) des
abbildenden Spektroradiometers MODIS (Moderate Resolution Imaging
Spectroradiometer), das auf dem polar umlaufenden, sonnensynchron
fixierten Erdbeobachtungssatelliten ?Terra? installiert ist.
Ganz Nord- und Mitteldeutschland sowie unsere Nachbarländer sind mit
Stratus- und Stratokumuluswolken bedeckt, nur die höchsten Lagen von
Harz (bis 1142 m NN), Erzgebirge (bis 1244 m NN) und Böhmerwald (bis
1456 m NN) ragen aus der Bewölkung heraus. Der blaue Kreis
kennzeichnet Leipzig, unten links befinden sich an der Station Bergen
(Krs. Celle, Niedersachsen) gewonnene und für die Luftmasse
repräsentative Vertikalprofile von Temperatur und Taupunkt, oben
rechts stehen zusätzliche Informationen zu den Satellitendaten.
Wegen der Verdrängung der Luft aufwärts beim Anströmen der
Mittelgebirge aus westnordwestlicher Richtung werden interne
Schwerewellen angeregt, die sich im wellenförmigen Muster der
Bewölkung widerspiegeln. Durch adiabatische Erwärmung beim Absinken
kommt es vor allem im Lee des Böhmerwaldes teilweise zu
Wolkenauflösung und somit zu Aufheiterungen.
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.12.2017
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