Thema des Tages
11-05-2016 14:40
Ungewöhnlich frühe Waldbrände in Kanada
Gerade der von borealen Nadelwäldern geprägte Norden Albertas ist
anfällig für Waldbrände. Sehr warme, trockene und windige Bedingungen
begünstigen das Entfachen und schnelle Ausbreiten größerer Waldbrände
im Wesentlichen aber erst während der Sommermonate. Insofern sind die
aktuell lodernden Flammen schon rein vom "Timing" her ungewöhnlich.
Verantwortlich dafür waren einerseits eine für Anfang Mai untypische
Wetterlage und andererseits die besonderen Witterungsverhältnisse der
vergangenen Monate. Ein für den Frühling ungewöhnlich weit nach
Norden verschobenes Tiefdruckgebiet führte mit kräftigen
südwestlichen Winden heiße und trockene Luftmassen bis in den Norden
Albertas (siehe Skizze auf
http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/5/11.html). Die
Hitzewelle brach zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt über die
Region herein, als der Schnee des Winters gerade abgetaut war, sich
das Ergrünen der Vegetation aber noch nicht vollzogen hat. Aufgrund
des warmen, aber vor allem sehr schnee- und niederschlagsarmen
Winters und Frühlings (es wurde zwischen Dezember und April teils
weniger als 50% der sonst üblichen Niederschlagsmenge registriert)
fiel dieses üblicherweise sehr schmale Zeitfenster viel größer aus.
Die für die Ausbreitung der Feuer geradezu optimalen Bedingungen
(Temperaturen über 30 Grad, eine relative Luftfeuchtigkeit unter 10 %
und Windböen über 70 km/h) sorgten dafür, dass sich die Waldbrände
schnell und völlig unkontrollierbar auf eine Fläche von etwa 2000
Quadratkilometern ausdehnen konnten. Das entspricht mehr als der
doppelten Fläche Berlins. Ganz besonders betroffen war eine Region
rund um die 60.000-Einwohner-Stadt Fort McMurray. Es ist das erste
Mal, dass auf dem nordamerikanischen Kontinent eine vergleichbar
große Siedlung fernab größerer Ballungsräume von Waldbränden
eingeschlossen und in Folge dessen vollständig evakuiert werden
musste. Letzte Meldungen gehen von zwei Todesopfern und rund 2400
zerstörten Gebäuden aus. Damit bewahrheiteten sich wenigstens die
schlimmsten Befürchtungen nicht vollends.
So ungewöhnlich die Waldbrände in Kanada zu dieser Zeit auch sind,
zumindest im global-klimatologischen Kontext scheinen sie kein reines
Zufallsprodukt zu sein. Sowohl das El Niño-Ereignis des vergangenen
Jahres, als auch die längerfristige globale Klimaveränderung könnten
dabei die Finger im Spiel haben. So tendiert beispielsweise El Niño
dazu, Kanada sehr warme Winter zu bescheren. Im vergangenen Winter
erstreckte sich eine deutliche positive Anomalie der Temperatur sogar
vom Nordwestpazifik bis nach Alaska. Diese eher episodisch
auftretende Variation der Wetterverhältnisse wird von der ungleich
langfristigeren und nachhaltigen starken Erwärmung der hohen Breiten
im Zuge des globalen Klimawandels überlagert. Letztere könnte die
Ursache dafür sein, dass in den letzten Jahren ein immer zügigeres
Abtauen der Schneedecke im Frühjahr beobachtet werden konnte.
Es gibt natürlich noch weitaus mehr Faktoren, die das häufigere und
frühere Auftreten der Waldbrände begünstigen können. Insbesondere
Veränderungen des Landschaftsbildes, beispielsweise durch
Modifikation des Waldbestands (Anpflanzen von Monokulturen, Schäden
durch frühere Waldbrände), sind erwähnenswert.
In Alberta sorgte eine Kaltfront Anfang dieser Woche für eine
deutliche Abkühlung. Feuchteres und wolkenreicheres Wetter
ermöglichte eine Eindämmung der Brände und damit eine leichte
Entspannung der Gesamtsituation. Angesichts des nahenden Sommers und
der immer noch teils unkontrollierten Brandherde ist allerdings zu
befürchten, dass die Flammen noch längere Zeit in der Region lodern
werden.
Dipl.-Met. Adrian Leyser
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 11.05.2016
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