Thema des Tages
30-09-2017 14:40
Der Brocken - Eine meteorologische Ausnahmeerscheinung (Teil 2)
Wie bereits in Teil 1 beschrieben, ist die Lage des Brockens sehr
exponiert. Von der Norddeutschen Tiefebene an der Schwelle zu den
zentralen Mittelgebirgen ragt er mit seinen 1141 Metern Höhe doch
weit und isoliert in die Atmosphäre hinein und ist somit in allen
Himmelsrichtungen Wind, Regen und Schnee ausgesetzt. Dabei stößt er
relativ häufig in die Schichten tiefer Bewölkung vor, womit es wenig
überrascht, dass im Schnitt jährlich über 300 Nebeltage zu
verzeichnen sind. An diesen unterschreitet die Sichtweite nach
Definition die Marke von einem Kilometer. Im Jahr 1958 waren es sogar
330 Nebeltage, was bedeutet, dass der Brocken an nur 35 Tagen - also
rund einem Monat - komplett nebelfrei war. Erwischt man als Besucher
aber einen Tag mit guter Sicht, so wird man mit einem atemberaubenden
Panorama belohnt. Der Große Inselsberg im Thüringer Wald taucht dann
in 106 Kilometer Entfernung ebenso auf wie die Wasserkuppe in der
Rhön (152 km) und der Kahle Asten im Sauerland (162 km). Mit etwas
Glück kann man bei Sonnenaufgang und extrem klarer Luft sogar den
Fichtelberg im Erzgebirge erspähen, der immerhin rund 220 km weit weg
ist.
Die Klimaverhältnisse des Brockens entsprechen bei einer
Mitteltemperatur von 2,9 Grad Celsius und einer
Jahresniederschlagssumme von durchschnittlich 1814 mm (Zeitraum
1961-1990) einer Höhe von etwa 2000 Metern in den Alpen oder dem
Klima Islands. Betrachtet man allerdings die vergangenen 30 Jahre
(1987-2016) so erhöht sich die jährliche Durchschnittstemperatur
bereits auf 3,8 Grad Celsius. Nahezu alle Wärmerekorde liegen dabei
in der jüngeren Vergangenheit. Während die höchste jährliche
Mitteltemperatur mit 5,1 Grad im Jahr 2014 registriert wurde, stach
der 20. August 2012 mit einer Höchsttemperatur von 29,0 Grad heraus.
Damit rückte der erste heiße Tag (Maximumtemperatur über 30 Grad)
seit Aufzeichnungsbeginn, der offiziell zum 01. Oktober 1895 mit
Einrichtung eines Observatoriums erfolgte, bedrohlich nahe. Erste
gesicherte Wettermeldungen lassen sich sogar bis ins Jahr 1836
zurückverfolgen. Und wie kalt kann es auf dem Brocken werden? Nun mit
-28,4 Grad am 01. Februar 1956, gar nicht so kalt, wie man vielleicht
vermuten würde. Hier sind Tallagen und Senken in den Hochlagen, in
den sich "Kaltluftseen" wegen ihrer höheren Dichte im Vergleich zur
wärmeren Luft ansammeln, deutlich effektiver als Bergkuppen.
Der Brocken ist berühmt berüchtigt für seine hohen Windstärken, im
Jahresmittel ist dort mit 42 km/h (Bft 6) die höchste
Windgeschwindigkeit Deutschlands zu verzeichnen. Da können nicht mal
die Zugspitze oder die Nordseeinsel Helgoland mit Werten um 30 km/h
mithalten. Die absolute Windspitze wurde mit 263 km/h am 24. November
1984 aufgezeichnet, was umso bemerkenswerter erscheint, wenn man sich
in Erinnerung ruft, dass der extrem starke Hurrikan Maria kürzlich
über der Karibik und Puerto Rico ähnliche Größenordnungen der
Spitzenböen hervorgebracht hat.
Die Windverhältnisse gestalten die Schneemessungen auf dem Brocken
aufgrund der starken Verwehungen entsprechend schwierig.
Durchschnittlich kann man in etwa einem Drittel des Jahres von einer
Schneedecke auf dem höchsten Berg des Harzes ausgehen. Die
Rekordschneehöhe von 380 cm wurde am 14. April 1970 gemessen. 3 Jahre
später lag sogar an 205 Tagen (56%) und damit mehr als der Hälfte des
Jahres eine geschlossene Schneedecke. Aber auch ohne Niederschlag
entstehen durch Wind und Nebel in den Wintermonaten mitunter extreme
Eisablagerungen mit Längen bis zu 250 cm an Gerätschaften und
Gebäuden. Das verdeutlicht, wie wichtig die regelmäßige Wartung und
Pflege der Messinstrumente auch in Zukunft in Zeiten der
Automatisierung des Messnetzes sein wird.
Zum Schluss sei noch das optische Phänomen des "Brockengespenstes"
erwähnt (siehe auch Thema des Tages vom 11.12.2015). Diese
atmosphärische Erscheinung wurde wahrscheinlich auf dem Brocken
zuerst beobachtet und beschrieben und trägt daher den Namen des
Berges in sich. Bei ausreichender Lichtquelle (idealerweise der Sonne
im Rücken) wird der stark vergrößerte Schatten des Beobachters auf
vorhandene Wolken- und Nebelbänke geworfen, wobei der Kopf häufig von
farbigen Ringen (Glorie) umgeben ist. Die die Nebelschwaden keine
glatte Oberfläche darstellen, "wabert" der Schatten gespenstisch hin
und her und wirkt so lebendig - die Walpurgisnacht mit der
Vorstellung von Hexen auf fliegenden Besen lässt grüßen.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.09.2017
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