Thema des Tages
28-09-2017 14:40
Die Halligen - Land unter (Teil 3)
Wie im Thema des Tages vom 27. September beschrieben, bildete sich im
Verlauf des 10. Septembers ein Tiefdruckgebiet vor Neufundland, das
unter stetiger Intensivierung ostwärts über den Nordatlantik zog und
als Sturmtief am 13. September die Nordsee erreichte. Sein Sturmfeld
erfasste im Tagesverlauf besonders die südlichen Bereiche der Nordsee
und somit auch die Halligen.
Bereits am 12. September wurden überall auf der Hallig Hooge die
alltäglichen Gegenstände, wie Mülleimer oder Strandkörbe, gesichert
oder weggeräumt. Abgesehen davon gab es für die wenigen Urlauber kaum
Anzeichen auf das bevorstehende Ereignis. Am 13. September
verschlechterte sich jedoch das Wetter im Verlauf des Vormittags
fortwährend, als der zu Sebastian gehörende Tiefausläufer mit
anhaltendem Regen über die Hallig zog. Dabei erreichte der Wind
zunehmend Sturmstärke. Zur Mittagszeit ging der Regen in teils
kräftige Schauer über, wobei in Schauernähe die ersten schweren
Sturmböen (Bft 10) gemessen wurden. Sebastian erreichte derweil mit
einem Kerndruck von etwas unter 980 hPa die Westküste Dänemarks und
die Halligen gelangten somit auf die Südflanke des Sturmtiefs. In
diesem Bereich eines Tiefs befindet sich häufig der stärkste Wind und
auch an diesem Tag deutete eine dichte Isobarendrängung (Drängung der
Linien gleichen Luftdrucks) auf ein ausgeprägtes Sturmfeld über der
südlichen Nordsee hin (siehe Abbildung).
Das Wetter gestaltete sich am Nachmittag sehr wechselhaft mit teils
heftigen Schauern und nur kurzen Wolkenlücken, wobei der Wind immer
weiter an Kraft gewann und mit schweren Sturmböen, teils auch
orkanartigen Böen um 117 km/h (Bft 11 bis 12) über die Halligen
fegte. Wie bereits im ersten Teil beschrieben, wehte der starke
Südwest- bis Westwind sehr beständig und wies nur beim Durchgang von
Schauern eine stärkere Böigkeit auf. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte
man am Rand der Hallig problemlos der Naturgewalt zuschauen, denn
dank der Ebbe war kaum Wellengang zu erkennen. Während der Sturm
bereits tobte, trieben die Bewohner der Hallig Hooge ihr Vieh am
frühen Nachmittag rasch auf die Warften, um es vor dem später
einbrechenden Wasser zu schützen.
Im Verlauf des Nachmittags änderte sich dann aber das
Erscheinungsbild des Meeres rasch, denn die einsetzende Flut und der
andauernde Sturm drückten das Wasser in einer unfassbaren
Geschwindigkeit in die flachen Bereiche der Deutschen Bucht und somit
auch auf die Halligen. Am späten Nachmittag (zwischen 16 und 17 Uhr
MESZ) schließlich erreichten die Wellen die Kämme der kleinen Deiche
und das Wasser überspülte in den folgenden zwei Stunden die gesamte
Hallig Hooge. Nun hieß es "Land unter" (siehe Bild). Bis zum Einbruch
der Dunkelheit fühlte man sich wie auf einer winzigen Insel, denn nur
noch die Warften schauten bei weiterhin anhaltendem schweren Sturm
aus dem tosenden Meer heraus, während die Wolken mit hoher
Geschwindigkeit über den Abendhimmel zogen: Ein Eindruck, den man
nicht so schnell vergisst. Das Gefühl der Hilflosigkeit der Menschen
von früher konnte man sehr gut nachvollziehen, gab es doch damals
keine so verlässliche Wetter- und Wasserstandsvorhersage, wodurch
solch ein Sturmereignis nicht selten überraschend einsetzte.
Im Verlauf der Nacht zum 14. September schwächte sich der Wind dann
aber wieder kontinuierlich ab und auch das Wasser ging allmählich
zurück. Letztendlich hieß es aber noch bis zum Abend des 14.
September "Land unter" auf der Hallig. An eine An- oder Abreise
konnte bis dahin nicht gedacht werden.
Bei besonders schweren Sturmfluten, wenn selbst die Warften keinen
richtigen Schutz mehr bieten, dient übrigens ein hochreichender in
die Häuser eingearbeiteter Betonraum für die letztmögliche Zuflucht
vor Wind und Wasser. Soweit kam es allerdings bei Sturmtief Sebastian
nicht.
Auf jeden Fall war es für die Besucher ein beeindruckendes
Naturschauspiel, für die Halligbewohner aber ein gar nicht so
ungewöhnliches Ereignis. Der Kampf zwischen Land und Wasser -
Erdreich wird abgetragen und an anderer Stelle wieder angespült -
geht auch in Zukunft mit unverminderter Kraft weiter und formt die
Halligen stetig. Oder wie die Einheimischen sagen: "De Blanke Hans,
he givt un nimmt!"
Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.09.2017
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