Thema des Tages

25-09-2017 14:40

Die Halligen - im Wandel der Zeit (Teil 1)

Die Macht des Wetters kann einem kaum woanders so direkt und
unbarmherzig vor Augen geführt werden, wie am und auf dem offenen
Meer. Der Wind weht mal sanft, mal mit all seiner Kraft und formt auf
der Oberfläche der Meere Wellen in unterschiedlicher Ausprägung. Ob
Wind, Ebbe und Flut oder Wellen, die Halligen sind diesen Kräften
tagaus, tagein ausgesetzt und daher auch einem ständigen
Landschaftswandel unterworfen.

Um die Entstehung der Halligen in der Nordsee verstehen zu können,
muss in der Geschichte weit zurückgeschaut werden, und zwar bis zum
Ende der letzten Kaltzeit vor rund 11 000 Jahren. Die während der
Kaltzeit in den gewaltigen Eisschilden gebundenen Wassermassen ließen
den Meeresspiegel im Vergleich zu heute um bis zu 100 Meter absinken,
sodass Schelfmeere wie die Nordsee größtenteils trocken fielen. Nach
dem Ende der Kaltzeit stieg der Meeresspiegel wieder an, sodass viele
Gebiete des heutigen Nordfrieslands erneut vom Wasser bedeckt wurden.
Übrig blieben kleine und flache Marschinseln, die als Halligen
bezeichnet wurden. Nachdem der Anstieg rund 2000 Jahre v. Chr.
endete, besiedelten um Christi Geburt laut Aufzeichnungen die ersten
Menschen die Moorlandschaft und betrieben hauptsächlich Torfabbau.
Dies allerdings sorgte mit der Zeit für ein allmähliches Abflachen
der Moorlandschaft und ermöglichte der Nordsee wieder häufiger die
Landflächen der Halligen zu überspülen und der Kampf der Bewohner mit
dem Meer und seinen Gefahren wurde immer intensiver.

Die Geschichte der Halligen ist geprägt von teils verheerenden
Sturmfluten, die nicht nur wiederholt für große Schäden an den
Gebäuden sorgten, sondern auch Menschenleben forderten. Auf Hallig
Hooge (und natürlich auch auf den umgebenden Halligen) sorgten
besonders zwei gewaltigen Sturmfluten für großes Leid und Zerstörung,
die zudem auch das gesamte Erscheinungsbild der Halligen nachhaltig
veränderten: die großen Sturmfluten von 1362 und von 1634 (nähere
Informationen im DWD Lexikon unter ?Mandränke?). Als Folge dieser
einschneidenden Ereignisse begannen die Menschen auf den Halligen
Erdhügel aufzuwerfen, um ihr Hab und Gut, aber auch sich selber vor
der Nordsee besser zu schützen. Diese Hügel werden als ?Warften?
bezeichnet und bieten dem Vieh wie auch den Menschen Schutz bei
Sturmfluten. Auch heute noch werden die Halligen bei starken Stürmen
in Verbindung mit auflaufendem Wasser (der Flut) wiederholt im Jahr
überflutet. Dann heißt es ?Land unter?. In solchen Fällen ragen nur
noch die Warften als kleine Inseln inmitten eines tobenden Meeres aus
dem Wasser, was einen schaurig schönen Anblick bietet.

Die Halligen dienen als natürliche Wellenbrecher für die Nordseeküste
und sind nicht nur Erholungs- und Urlaubsort, sondern besitzen zudem
auch neben dem einzigartigen Wattenmeer eine so unglaublich
vielfältige Flora und Fauna, dass die Aufnahme des Wattenmeeres mit
seinen Halligen sogar in die Liste des UNESCO-Weltnaturerbes
erfolgte.

Ihrer Exponiertheit entsprechend fallen den Besuchern allerdings
neben der Tierwelt auch sehr interessante meteorologische
Erscheinungen auf. Über Festland - und somit die meisten von uns
betreffend - kann die mal mehr, mal weniger stark ausgeprägte
Orografie einen sehr böigen Wind hervorrufen. Auf den Halligen
allerdings ist der Mensch der maritimen Grenzschicht ausgesetzt, die
vergleichsweise glatt ist und dem Wind auch oberflächennah kaum
Widerstand bzw. Reibung entgegensetzt. Daher weht der Wind meist
beständig, zwar auch mit Böen, die allerdings deutlich schwächer
ausgeprägt sind. Besonders auffällig ist dies bei einer Sturmlage.

Der auf den Halligen in der mitteleuropäischen Westdrift meist
beständig aus südwestlicher bis nordwestlicher Richtung wehende Wind
formt auch die Vegetation, die sich dieser Situation anpasst. Schön
kann dies zum Beispiel an Bäumen und Büschen erkannt werden, die eine
sogenannte "Wuchsanomalie" aufweisen und bevorzugt in die der
Wetterseite abgeneigten Richtung wachsen. Da es so aussieht, als ob
sie vor dem Wind flüchten, werden diese Bäume und Büsche als
sogenannte "Windflüchter" bezeichnet. Großes meteorologisches Wissen
ist nicht notwendig, um bei deren Sichtung auf die vorherrschende
Windrichtung zu schließen.

Nicht selten gibt es durch die Küstenform Regionen, wo der Wind
vorzugsweise zusammenströmt (konvergiert) und dadurch zum Aufsteigen
gezwungen wird. Durch die aufsteigende und in der Folge abkühlende
Luft bilden sich Schauer und Gewitter sowie sogenannte
"Schauerstraßen" aus. Sie bringen einem relativ eng begrenzten
Bereich wiederholt Niederschläge, während nur wenige Kilometer
entfernt die Sonne durch die Wolken scheint.

Wind, Schauer und etwas Sonnenschein. So zeigte sich auch während
meines Aufenthaltes Anfang September das Wetter auf der Hallig Hooge.
Doch dieses von mir erhoffte abwechslungsreiche und dem
?Nordseefeeling? entsprechende Wetter wurde am 13. September von
Sturmtief "Sebastian" mit schwerem Sturm und "Land unter" noch
getoppt. Doch dazu mehr im zweiten Teil am kommenden Mittwoch.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.09.2017

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