Thema des Tages

30-08-2017 14:40

Der indische Sommermonsun

Monsune sind großräumige, mit beständigen Winden einher gehende
Luftströmungen in den Tropen und niederen Subtropen mit
halbjährlichem Richtungswechsel. Ihre Ursache sind die
unterschiedliche Erwärmung von Meer und Land sowie die damit
zusammenhängende, jahreszeitliche Verlagerung der innertropischen
Konvergenzzone (ITCZ), einem durch Erwärmung der bodennahen
Luftschichten und Konvektion verursachten, weltumspannenden
Tiefdruckgürtel. In Süd- und Südostasien, aber auch in Westafrika,
findet man klimaprägende regionale Monsune, unter denen der "indische
Monsun" der gewaltigste ist. Im Gegensatz zu den anderen
Monsunsystemen, die man vor allem als großräumige Land- und
Seewind-Zirkulation auffassen kann, spielen beim indischen Monsun
auch dynamische Prozesse in der mittleren und höheren Troposphäre
eine wichtige Rolle, deren Ursache die besondere Lage des indischen
Subkontinents und seine nordöstliche Begrenzung durch den Himalaya
und das sich anschließende Hochland von Tibet sind.

Im Frühjahr wandert mit zunehmendem Sonnenstand auf der
Nordhemisphäre die innertropische Konvergenzzone (ITCZ) nach Norden
und auch das Festland Südasiens erwärmt sich stark. Über dem Tiefland
des indischen Subkontinents bildet sich ein ausgedehntes thermisches
Tiefdruckgebiet ("Hitzetief"). Die umgebenden Meere sind dagegen
etwas kühler, dort herrscht im Bodenniveau höherer Luftdruck. Diese
bodennahen Druckunterschiede treiben eine großflächige Luftströmung
in Richtung des südasiatischen Hitzetiefs an - den indischen
Sommermonsun, der etwa von Ende Mai/Anfang Juni bis Ende
September/Anfang Oktober dauert. Infolge der Coriolis-Kraft werden
großräumige Horizontalbewegungen auf der Nordhalbkugel nach rechts,
auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt. Dementsprechend wird der
Sommermonsun nach der Passage des Äquators zum Südwestmonsun.

Außerdem kann der indische Südwestmonsun durch das im Frühjahr
entstandene Hitzetief über Südasien ("Monsuntief") eine markante
Ostwindkomponente entwickeln ("bengalischer Ast" des Monsuns).
Dadurch erklärt sich auch das Fortschreiten des in seiner Intensität
raum-zeitlich stark variierenden Monsunregengebietes ("Monsunfront")
in nordwestlicher Richtung, vom Golf von Bengalen bis zum
Aravalli-Gebirge (Rajasthan, Nordwestindien) oder sogar bis zum Indus
(Punjab, Pakistan) im Verlaufe der ersten Hälfte des
nordhemisphärischen Sommers. Da der (in der Vertikalen etwa 3000 m
mächtige) indische Sommermonsun über weite und relativ warme
Meeresflächen weht, kann sich die Luft mit Wasser anreichern. Der
Sommermonsun ist also feuchtwarm und bringt dem indischen
Subkontinent ergiebige Regenfälle ("Monsunregen"), die durch
Staueffekte an den Gebirgen (z.B. Westghats, Assam-Himalaya)
ausgelöst oder verstärkt werden. Jedoch bestehen die Niederschläge
des indischen Sommermonsuns keinesfalls nur aus orographisch
bedingtem "Steigungsregen".

Betrachtet man nämlich die Vorgänge in höheren Atmosphärenschichten,
so übt das mit einer durchschnittlichen Höhe von ca. 4500 m über dem
Meeresspiegel oft als "Dach der Welt" bezeichnete Hochland von Tibet
einen besonderen Einfluss auf den indischen Monsun aus. Seine
Höhenzüge und Hochebenen fungieren im Sommer, bei hohem Sonnenstand
und durch Schneeschmelze verringertem Reflexionsvermögen, quasi als
"Heizfläche", so dass dort in der mittleren und höheren Troposphäre
das Geopotential steigt und ein "thermisches Hochdruckgebiet"
entsteht. Zwischen diesem tibetanischen Hochdruckrücken und der
weiter südlich bzw. südwestlich über dem Tiefland des indischen
Subkontinents entstandenen, oftmals hoch reichenden
"Monsundepression" stellt sich in der mittleren und höheren
Troposphäre eine östliche Strömung ein. Die Drehung des Windes mit
der Höhe von südwestlichen auf östliche Richtungen geht mit einer
"Kaltluftadvektion" in höheren Schichten der Troposphäre und damit
einer Labilisierung der vergleichsweise flachen südwestlichen
Monsunströmung einher. So entstehen "kurzwellige" tropische
Störungen, die mit vertikal und horizontal mächtigen
Gewitterkomplexen verbunden sind und gebietsweise zu einer extremen
Intensivierung des Monsunregens beitragen. Dabei spielt natürlich der
Tagesgang der Konvektion eine Rolle, d.h. vor allem in der zweiten
Tageshälfte und bis in die erste Nachthälfte hinein ist der Regen oft
schauerartig verstärkt bzw. gewittrig.

Seit dem gestrigen Dienstag verursacht ein Monsuntief über Nordindien
einmal mehr sintflutartige Regenfälle. Dabei registrierte man in der
Millionenmetropole Bombay an der Wetterstation Santa Cruz innerhalb
von vierundzwanzig Stunden, bis heute 00:00 Uhr UTC, 328 Liter Regen
pro Quadratmeter. Das ist auch für die dortigen Verhältnisse viel,
beträgt doch die langjährige mittlere Niederschlagsmenge für den
Monat August 553 L/m³ (= mm). Die unten stehende Karte des indischen
Subkontinents, unterlegt mit einem infraroten Satellitenbild (10,8
µm), zeigt das bis in die mittlere Troposphäre gut ausgeprägte
Monsuntief am gestrigen Dienstag, den 29.08.2017, um 06:00 Uhr UTC.
Dargestellt werden die vom gestrigen 00:00-UTC-Lauf des
Vorhersagemodells des ECMWF berechneten Prognosen der geopotentiellen
Höhe der 500-hPa-Hauptdruckfläche (rote Isolinie, hier 584 gpdam),
welche die mittlere Troposphäre repräsentiert, sowie die Isobaren des
Bodendruckfeldes (gelbe, grüne und blaue Isobaren in hPa). Weiterhin
sind die vom selben Modelllauf an den Gitterpunkten kalkulierten
Windvektoren, mit dem Betrag der Windgeschwindigkeit in Knoten (engl.
Einheitenzeichen [kt], lange Fieder = 10 kt, kurze Fieder = 5 kt, 1
kt = 1,852 km/h) sowie der Windrichtung, auf der bodennahen 1000-hPa-
Hauptdruckfläche eingezeichnet.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.08.2017

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