Thema des Tages

27-08-2017 14:40

HARVEYs Ende?

Hurrikan HARVEY ist neben neun "Tropischen Tiefdruckgebieten" und
acht "Tropischen Stürmen" der dritte und bisher stärkste Hurrikan der
Atlantischen Saison 2017. Auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung am
Freitagabend hatte er bei einem Kerndruck von 938 hPa
Windgeschwindigkeiten von bis zu 116 Knoten (ca. 215 km/h,
"1-min-sustained-wind-speed" laut Definition des US-amerikanischen
National Hurricane Centers).

HARVEY entstand bereits am 13. August morgens als flaches "Tropisches
Wellentief" südwestlich der Kapverdischen Inseln und entwickelte sich
dank Wechselwirkung mit einem mitteltroposphärischen Geopotentialtrog
zum Tropischen Sturm, der sich dann allerdings wider Erwarten in sein
Anfangsstadium zurück entwickelte. Diese rudimentäre Störung zog
westnordwestwärts über die Karibik hinweg und wuchs im Golf von
Mexiko erneut zu einem Tropischen Sturm auf, der sich rasch
verstärkte und am Freitagabend die (zweithöchste) Stufe 4 auf der
Saffir-Simpson-Hurrikan-Skala erreichte. Schließlich begann in der
Nacht zu Samstag HARVEYs Landung an der Golfküste bei Corpus Christi.


Unter der Landung (engl. "Landfall") eines Hurrikanes versteht man
den Vorgang, bei dem das Zentrum bzw. Auge des Wirbelsturmes die
Küstenlinie überquert. Dann entstehen die schwersten Schäden,
insbesondere im Bereich der sich ringförmig um das Auge
erstreckenden, hoch reichenden Gewitterwolken (engl. "Eyewall"). Dort
überlagern sich die stärksten Windböen mit den heftigsten
Regenfällen, dazu kommt das Maximum der vom Wirbelsturm verursachten
Flutwellen. Aber auch bereits Stunden vor dem eigentlichen Landgang
macht sich der herannahende Wirbel durch sein Sturmfeld und ergiebige
Niederschläge bemerkbar.

Da tropische Wirbelstürme über Land von der sie speisenden
Energiequelle, dem warmen Meerwasser (SST über 26 °C), abgeschnitten
werden, verlieren sie relativ schnell an Kraft. Sie halten sich meist
noch wenige Tage als "unstrukturierte" Tiefdruckgebiete. Insbesondere
dann, wenn Gebirge ihren Weg kreuzen, setzen sie dabei ihre
verbleibende Energie nochmals in wolkenbruchartigen Regenfällen frei.
Werden Inseln oder Landengen überquert, können Wirbelstürme ihre
Substanz erhalten oder sich danach über ausreichend warmen
Meeresoberflächen sogar erneut regenerieren.

Obwohl nunmehr an Land, gibt auch HARVEY so rasch nicht auf! Laut
einigen Vorhersagemodellen hält er sich mindestens bis zur Mitte der
kommenden Woche über dem küstennahen Binnenland im südlichen Texas.
Da er weiterhin feucht-warme Luft aus dem Golf von Mexiko in seine
Zirkulation einbezieht, muss wiederholt mit katastrophalen
Regenmengen gerechnet werden, die während des gesamten Zeitraumes
gebietsweise 600 bis 800 mm (1 mm = 1 L/m²) erreichen können.

Unten finden Sie zwei während HARVEYs Landung aufgenommene infrarote
Satellitenbilder (GOES-E 10,8 µm) vom Samstag, den 26.08.2017, 00:00
und 12:00 Uhr UTC. Die fette weiße Linie ist die texanische
Golfküste. Ergänzt wurden die Aufnahmen durch Berechnungen der
Windgeschwindigkeit (Isotachen in Knoten, engl. [kt], 1 Knoten =
1,852 km/h) des ECMWF-Vorhersagemodells. Dabei wird um 00:00 Uhr UTC
im Zentrum ein Windmaximum von 116 kt = 215 km/h berechnet. Die
Windpfeile signalisieren neben dem Betrag der Windgeschwindigkeit die
"zyklonale" Rotation des Wirbels, die auf der Nordhalbkugel entgegen
dem Uhrzeigersinn erfolgt.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.08.2017

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