DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
28-07-2017 11:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.07.2017 um 10.30 UTC
Abgesehen vom Norden hochsommerlich warm mit teils hoher Unwettergefahr durch
heftige Gewitter.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 04.08.2017
Während der Mittelfrist kommt es bei der Geopotentialverteilung zu keiner
grundlegenden Änderung. Das umfangreiche und sich zum Beginn der Mittelfrist
vorübergehend abschwächende Höhentief zwischen Island und Schottland regeneriert
sich im Verlauf der Mittelfrist und sorgt für eine Fortdauer der wechselhaften
Südwestströmung. Das Muster der Druckverteilung unterstützt eine länger
andauernde und facettenreiche Gewitterlage mit erhöhtem Unwetterpotential in
vielen Bereichen Deutschlands.
Der Beginn der Mittelfrist, am Montag, ist geprägt von beständigem
Geopotentialabbau über dem östlichen Atlantik sowie der Biskaya und einer
strammen Südwestströmung über West- und Mitteleuropa. Die Höhenströmung weist im
Zuge des Geopotentialabbaus eine vorübergehend leicht antizyklonale Signatur
auf, doch von größerer Bedeutung werden wohl eher die in die Strömung
eingebetteten Kurzwellen sein. Niedertroposphärisch liegt eine quasi-stationäre
Front über Teilen Deutschlands, die aus heutiger Sicht vom Saarland bis zur
Ostsee verläuft. Grundsätzlich verläuft der Tag nach Abzug letzter nächtlicher
Schauer und Gewitter in vielen Bereichen Deutschlands oft sonnig oder locker
bewölkt. Im Verlauf des Nachmittags und Abend nimmt das Gewitterrisiko im
süddeutschen Bergland und zunehmend auch im Umfeld der Front über dem Südwesten
und der Mitte Deutschlands zu. Allerdings scheint die labilste Luftmasse an
diesem Tag abseits (südlich) der Front und somit separiert von der stärksten
Scherung zu liegen. Dennoch reichen die Parameter im Süden für einzelne, aber
heftige Gewitter mit Unwetterpotential (Starkregen und Hagel) aus, während das
finale Unwetterpotential über der Mitte noch vom Grad der Labilität abhängt.
Abgesehen vom Nordwesten wird es mit 25 bis 32 Grad hochsommerlich heiß. Im
Nordwesten sowie im Umfeld von Nord- und Ostsee bleibt es mit 20 bis 24 Grad
etwas kühler. Das Sturmböenpotential bei Gewitterdurchzug ist mit der Aktivität
über der Mitte und dem Südwesten am größten (stärkste Scherung) und beschränkt
sich über dem süddeutschen Bergland nur auf lokale Ereignisse (eng begrenzte
Fallwinde).
In der Nacht zum Dienstag lassen die Gewitter über dem süddeutschen Bergland
allmählich nach, dauern jedoch vom Südwesten über die Mitte bis in den Nordosten
Deutschlands weiter an. Die dafür notwendige Hebung wird durch die konfluente
Strömung im Umfeld der quasi-stationären Front sowie durch über die Front
laufenden Kurzwellen gewährleistet. Über dem äußersten Nordwesten bleibt es
meist stark bewölkt aber trocken. Die Tiefstwerte liegen zwischen 20 und 13
Grad.
Am Dienstag spitzt sich das Unwetterpotential weiter zu. Zwar verbleibt der
Höhentrog über der Biskaya, allerdings beginnt sich sein Südteil allmählich
abzuschwächen, während der Nordteils als dominierendes System weiter nach Osten
in Richtung England/Ärmelkanal vorankommt. Diese Entwicklung sorgt für eine
beständige Gradientenverschärfung des Geopotentials in der mittleren und oberen
Troposphäre und einem sich folglich intensivierenden Windfeld über Deutschland.
Gleichzeitig setzt unter sich verstärkender Höhendivergenz ein Massenabfluss
über Mitteleuropa ein, was sich durch die Bildung eines diffus strukturierten
Bodentiefs mit Zentrum über Deutschland äußert. Diese Entwicklung wiederum
drückt die bisher quasi-stationär über Deutschland liegende Front als Warmfront
nach Nord bis Nordwest, sodass die heiße und feuchte Luftmasse weiter an Boden
nach Norden gut macht. Das Resultat ist, dass der Süden, die Mitte und der Osten
in den Einfluss einer sehr labilen Luftmasse gelangen. Hier muss im Tagesverlauf
nach einem freundlichen Beginn mit einer Unwetterlage bezüglich kräftiger
Gewitter gerechnet werden, wobei heftiger Starkregen, großer Hagel und Sturmböen
zu erwarten sind. Deutlich ruhiger verläuft der Tag im Westen und Nordwesten,
die sich im Einflussbereich der Warmfront mit dichter Bewölkung und anhaltendem
stratiformen (bzw. teils auch konvektiv verstärkten) Niederschlag herumärgern.
Die Höchstwerte liegen deutschlandweit zwischen 27 und 35 Grad mit den höchsten
Werten in Richtung Südostbayern. Etwas kühler bleibt es im Küstenumfeld mit 20
bis 25 Grad.
Im Verlauf der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Trog von England über die Nordsee
nach Dänemark. Das Bodentief über Deutschland wird ebenfalls nach Nordosten
gedrückt, sodass rückseitig des Tiefs mit einer Kaltfrontpassage zu rechnen ist,
die jedoch einen eher schleifenden Charakter aufweist. Entsprechend muss bis
weit in die Nacht besonders im Osten noch mit erhöhter Unwettergefahr gerechnet
werden, während es entlang der Front über mehrere Stunden hinweg heftig regnen
kann (Starkregenpotential). Über dem äußersten Westen und Nordwesten lockert die
Bewölkung hingegen zunehmend auf und es bleibt trocken. Die Tiefstwerte liegen
zwischen 21 und 15 Grad.
Am Mittwoch liegt Mitteleuropa zwischen den Stühlen. Während die Höhenströmung
weiter zyklonal geprägt ist, deutet sich in der mittleren Troposphäre ein eher
antizyklonal geprägtes Strömungsmuster an und auch im Bodendruck ist eine
schwache Antizyklone zu erkennen. Die Kaltfront der Nacht wird über den Osten
nach Polen und Tschechien gelenkt, beginnt jedoch über Süddeutschland dank
fehlendem Antrieb zunehmend zu schleifen. Somit wird die labile und
gewitteranfällige Luftmasse nach Süddeutschland verdrängt, wo den ganzen Tag
über erhöhte Gewittergefahr herrscht. Hier muss dank der sehr feuchten Luftmasse
weiterhin mit Unwetterpotential durch Starkregen und Hagel gerechnet werden.
Derweilen beruhigt sich das Wetter im übrigen Deutschland und bei aufgelockerter
Bewölkung bleibt es hier meist trocken. Die Höchstwerte liegen in der Mitte und
im Norden zwischen 24 und 29 Grad, im Süden zwischen 28 und 32 Grad.
Daran ändert sich in der Nacht zum Donnerstag wenig, wobei die labile Luftmasse
wieder bis in die Mitte Deutschlands nach Norden vorankommt. Dies wird
verursacht durch ein sich von Westen näherndes Atlantiktief, wobei die
schleifende Front zunehmend als Warmfront wieder nach Norden vorankommt. Im
Norden verläuft die Nacht aufgelockert bewölkt oder klar und trocken. Die
Tiefstwerte liegen zwischen 20 und 14 Grad.
Am Donnerstag wird die Warmfront weiter nordwärts geführt und erreicht zum Abend
auch den Norden und Nordosten Deutschlands. Weite Bereiche Deutschlands liegen
nun erneut in einem breiten Warmsektor, der sich durch eine warme, feuchte und
somit labil geschichtete Luftmasse bemerkbar macht. Zum Abend greift die
Kaltfront des Atlantiktiefs bereits auf den Westen Deutschlands über. Das alles
deutet erneut auf einen Tag mit hohem Gewitterpotential hin, wobei davon weite
Teile Deutschlands betroffen wären. Eine regionale Eingrenzung des höchsten
Unwetterpotentials ist allerdings nicht möglich, was dem noch langen
Vorhersagezeitraum geschuldet ist. Der hohe Feuchtegehalt und mäßige Scherung
deuten allerdings erneut auf ein erhöhtes Unwetterpotential hin. Mit 25 bis 33
Grad wird es erneut ein hochsommerlich heißer Tag. Über der Nordsee frischt der
Südwestwind teils böig auf mit einzelnen stürmischen Böen.
Im Verlauf der Nacht zum Freitag schwenkt dann die Kaltfront von West nach Ost
über Deutschland hinweg und leitet in weiten Bereichen Deutschlands einen
nachhaltigen Luftmassenwechsel ein. Müßig zu erwähnen, dass somit auch die Nacht
über verbreitet mit Gewittern zu rechnen ist und das bei Tiefstwerten von 18 bis
14 Grad.
Am Freitag gelangen weite Bereiche Deutschlands zunehmend unter einen
antizyklonalen Einfluss mit einhergehender leichter Wetterberuhigung. Da
allerdings die Kaltfront im Alpenvorland erneut ins Schleifen kommt und dort die
sehr feuchte und labil geschichtete Luftmasse weiterhin nicht ausgeräumt wird,
besteht besonders über dem Süden ein erhöhtes Gewitterpotential. Sonst verläuft
der Tag im übrigen Deutschland leicht wechselhaft mit teils längeren sonnigen
Abschnitten. Die Höchstwerte verbleiben im hochsommerlichen Bereich von 25 bis
31 Grad.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Bis einschließlich Dienstag weisen die letzten EZMW-Läufe keine größeren
Unterschiede auf. Allerdings liegt "der Teufel im Detail" (bzgl. der
Gewittervorhersage), da in der Südwestströmung eingebettete Kurzwellen
unterschiedlich bezüglich ihrer Intensität und ihres zeitlichen Auftretens
gerechnet werden. Dies hat Auswirkungen auf das finale Gewitterpotential.
In der Folge belässt der letzte EZMW Lauf (28.07., 00 UTC) das steuernde
Höhentief vor Irland etwas weiter im Nordwesten und zeigt es schwächer, sodass
die Strömung insgesamt eher glatter (westlicher) daherkommt. Dies würde ein
geringeres forcing (schwächere differenzielle positive Vorticityadvektion) und
somit mehr Unsicherheiten bezüglich der Auslöse von Gewittern nach sich ziehen.
Der Fokus würde sich in dem Fall erneut auf die Kurzwellen richten. Zum Ende der
Mittelfrist, am Freitag, nähern sich die Modellläufe wieder an und zeigen eine
stramme Südwestströmung über Mitteleuropa.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Ein ähnliches Verhalten wie innerhalb der EZMW-Läufe ist auch beim Vergleich der
anderen Globalmodelle zu erkennen. Bis einschließlich Dienstag ist eine gute
Übereinstimmung auszumachen, bevor zum Mittwoch die Unsicherheiten über
Deutschland zunehmen. Während GFS dann eine vorübergehende Keilaufwölbung
unterstützt, sehen ICON und EZMW eher eine zyklonal geprägte und somit
gewitteranfällige Strömung. Auch am Donnerstag dauern diese Differenzen an,
bevor zum Freitag mit einer erneuten markanten Troglage über Westeuropa eine
zunehmende Bündelung der Member in Form einer Südwestströmung zu erkennen ist.
Auch hier sei gesagt, dass neben der Lage der Front besonders die unzähligen
Kurzwellen entscheidend für die Verteilung der Gewitter sein werden. Bezüglich
des groben Ablaufs allerdings herrscht innerhalb der Modelle eine insgesamt gute
Übereinstimmung.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die Meteogramme zeigen die Mittelfrist über keine größere Schwankungsbreite mit
Blick auf die Höchstwerte, die im Norden (Beispiel Hamburg) zwischen 23 und 27
Grad und sonst um 30 Grad liegen. Der wechselhafte Wettercharakter spiegelt sich
in einer sehr variablen Verteilung der Member bei der Niederschlagsvorhersage
wider. Besonders fällt auf, dass immer wieder hohe Einzelmembervorschläge zu
finden sind, die auf das Potential für Starkregen bei Gewitterdurchzug
hindeuten. Bezüglich der Windentwicklung kann keine eindeutige Tendenz
ausgemacht werden und somit dürfte sich der Fokus rein auf konvektionsgebundene
Böen richten.
Bei den Rauchfahnen der 850 hPa Temperatur ist ein Auf und Ab auf relativ hohem
Niveau zu sehen mit den maximalen Schwankungen über Süddeutschland (+15 bis +24
Grad!). Derweilen verläuft die Bündelung über Norddeutschland um rund 11 Grad
deutlich enger. Allerdings nimmt zum Ende der Mittelfrist die Streuung der
Member zu, was auf eine allgemeine Zunahme der Vorhersageunsicherheit hindeutet.
Ein ähnliches Verhalten ist auch bei den ENS von GFS zu erkennen.
Beim Blick auf die Cluster beginnt die Mittelfrist mit nur einem einzigen
Cluster (klimatologische Regime: negative NAO). Dabei liegt Deutschland auf der
Vorderseite eines markanten Troges in einer Südwestströmung.
In der Folge werden dann 4 Cluster gezeigt (meist positive NAO), wobei die
beiden ersten Cluster die größte Anzahl von Membern aufweisen. Auch der
Kontrolllauf (Cluster 1) und der det. Lauf (Cluster 2) sind beide dort zu
finden. Beide Cluster unterschieden sich vor allem bezüglich der Intensität und
Lage des steuernden Tiefs vor Irland. Während der 2. Cluster dieses schwächer
und diffuser zeigt, bringt der 1. Cluster dieses als markantes Höhentief über
England in Richtung Nordsee. Da gleichzeitig auch die schwächer besetzten
Cluster 3 und 4 ein eher kompaktes Höhentief anzeigen, ist die eher schwache
Lösung des 2. Clusters ein bisschen zu hinterfragen (und somit auch die bereits
diskutierte Abschwächung und Nordwestverlagerung des Höhentiefs im Vergleich zu
den Vorläufen). Hier kann auch ein Rückschwenken auf eine progressivere und
kompaktere Höhentieflösung in zukünftigen Läufen nicht ausgeschlossen werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Ganz klar stehen die Konvektion und mögliche unwetterartige Begleiterscheinungen
im Fokus. Entsprechend springt der EFI beim Parameter CAPE/shear tagtäglich an,
wobei am Dienstag ein vorläufiges Maximum mit Werten jenseits von 0.9 und einem
SOT von mehr als +2 gezeigt werden. Erst zum Ende der Mittelfrist werden die
Werte von Westen allmählich abgebaut. Selbst beim Parameter "Niederschlag"
springt der EFI am Dienstag mit geringen Werten an, was darauf hindeutet, dass
trotz der vergleichsweise geringeren Modellauflösung die Konvektion so
verbreitet und intensiv gerechnet wird, dass mit Starkregenpotential zu rechnen
ist. Dieses Anzeichen deutet auf größerer Gewittercluster hin. Abgesehen davon
werden keine anormalen (vom Modellklima abweichenden) Parameter gezeigt.
Innerhalb von COSMO-LEPS bzw. EZMW-EPS sind bezüglich der
Überschreitungswahrscheinlichkeit von Bft 8 zwar immer wieder schwache Signale
zu erkennen, die dürften allerdings auf die jeweilige Modellkonvektion
zurückzuführen sein, da aus dem synoptischen Gradienten heraus ein Überschreiten
der Bft 8 als unwahrscheinlich angesehen wird. Einzig am Donnerstag könnten die
geringen Wahrscheinlichkeiten über der Nordsee auf ein Potential für stürmische
Böen andeuten, was auch durch den Gradienten etwas unterstützt werden könnte.
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Basis für Mittelfristvorhersage
EZMW, EZMW-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy