Thema des Tages
23-06-2017 14:40
Hitze und Blitze - eine Retrospektive
Etwa seit dem vergangenen Wochenende schob sich in der mittleren und
höheren Troposphäre vom Nordatlantik her ein Geopotentialrücken nach
West- und Mitteleuropa, im korrespondierenden Bodendruckfeld gelangte
die zuvor nach Mitteleuropa eingeflossene Meeresluft polaren
Ursprungs unter Hochdruckeinfluss und konnte sich an den langen
Frühsommertagen bei hohem Sonnenstand und größtenteils heiterem
Himmel kräftig erwärmen.
Dies führte zur ersten "Hitzewelle" dieses Jahres, seit Montag, den
19.06.2017, wurden vielerorts in Deutschland Tageshöchsttemperaturen
von mehr als 30 °C (statistisch-klimatologischer Begriff - "heißer
Tag") gemessen. Erreichte "das Quecksilber" am Dienstag im deutschen
Südwesten örtlich bereits 35 °C oder 36 °C, so war nach einem durch
erneute Meeresluftzufuhr etwas kühleren Mittwoch der gestrige
Donnerstag mit Temperaturmaxima von verbreitet deutlich über 30 °C,
örtlich über 37 °C der bislang wärmste Tag des Jahres. Spitzenreiter
im Messnetz des Deutschen Wetterdienstes war das linksrheinische
Andernach mit 37,1 °C!
Schließlich fiel der Luftdruck in Mitteleuropa und von Westen her
näherte sich ein Randtief mit seinem Frontensystem. An dessen
Ostflanke ("Vorderseite") verharrte der größte Teil Mitteleuropas
zunächst im Warmsektor. Zunehmende Labilisierung und ein
heranziehender kurzwelliger Höhentrog setzten bereits am
Donnerstagvormittag konvektive Prozesse in Gang, als sich im
Küstenbereich ein Gewittercluster bildete, das zunächst östlich der
Weser nach Südosten zog.
Am späten Nachmittag spannte sich dann im weiten Bogen von den
Vogesen bis in die Lausitz eine Gewitterlinie, die nach dem
klassischen Modell der Synoptik mit einer Konvergenzlinie innerhalb
des Warmsektors des Randtiefs einherging. Die eigentliche Kaltfront
erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt noch entlang der
belgisch-holländischen Nordseeküste, griff am Abend von Nordwesten
her auf Deutschland über und vereinigte sich im Verlaufe der Nacht
mit der Konvergenz, so dass die Gewittertätigkeit im Osten des Landes
bis zum Morgen andauerte.
Vor allem im Zusammenhang mit der allmählich südostwärts
vorankommenden Konvergenzlinie und später mit der schneller ziehenden
Kaltfront bildeten sich am gestrigen Nachmittag sowie am Abend und in
der Nacht verbreitet schwere Gewitter, die gebietsweise
Unwettercharakter, d.h. Böen von mehr als 103 km/h, Starkregen von
mehr als 25 mm/h und Hagel vom Kaliber größer als 1,5 cm aufwiesen.
Schwerpunkte der Gewittertätigkeit lagen zunächst in Niedersachsen,
wo es bei Verkehrsunfällen mit umgestürzten Bäumen zwei Tote gab,
später dann in den mittleren und östlichen Teilen Deutschlands.
Die unten stehende Abbildung zeigt oben und rechts den Aufriss des
mittigen Radarbildes vom Standort Offenthal (Landkreis Offenbach) von
gestern Abend, 22.06.2017, 16:00 Uhr UTC. Starke blaue Radarechos
ragen schlotartig bis ca. 10 km Höhe aufwärts. Die Zahlen in den
schwarzen Kästchen sind die einstündigen Niederschlagsmengen. In
Neu-Ulrichstein (Mittelhessen, 350 m Höhe) fielen 42 mm in den
Messbecher, zeitgleich wurde eine Orkanböe von 127 km/h gemessen.
Beide Zahlen sind jeweils Spitzenwerte des gestrigen
Unwetterereignisses im Rahmen des DWD-Messnetzes. Wenn Sie Ihren
Blick etwas schärfen und sich die Linien gleicher Lufttemperatur
anschauen, finden Sie innerhalb der fetten roten 30-°C-Isotherme im
Zentrum der Karte einen durch die Verdunstungskälte des gefallenen
Niederschlages abgekühlten Bereich (gelbe 20-°C-Isolinie) innerhalb
der Warmluftmasse. Oben links zeigt sich bereits die mit der
Kaltfront aus Nordwesten herangeführte frische Meeresluft (ebenfalls
gelbe Linien).
Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.06.2017
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