Thema des Tages

19-06-2017 14:40

Sommerbeginn ? astronomisch, meteorologisch oder doch phänologisch?

Am Mittwoch, dem 21. Juni um 6:24 Uhr ist es wieder soweit. Die Sonne
erreicht auf der Nordhalbkugel ihren höchsten Stand der Umlaufbahn um
die Erde. Damit wird der astronomische Sommerbeginn bezeichnet.

Die Sonne steht zu diesem Zeitpunkt an ihrem nördlichsten Punkt. Den
damit erreichten Breitenkreis, der sich in etwa auf 23 Grad Nord
(23°26?16? N) befindet, nennt man auch nördlicher Wendekreis. Bis zu
diesem Wendekreis bewegt sich die Sonne die gesamte erste
Jahreshälfte über täglich ein Stück weiter nach Norden, was wir durch
längere Tage oder auch durch einen höheren Sonnenstand am Himmel
beobachten können. Auf diesem Wendekreis gibt es genau einen Ort bzw.
Punkt, wo die Sonne um 6:24 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit bzw. an
dem besagten Punkt um 12 Uhr Ortszeit genau senkrecht über der Erde
steht. Danach macht sich die Sonne wieder auf den Weg in Richtung
Äquator, welchen sie am 22. September um 22:02 Uhr (Herbstanfang)
überschreitet. Die Tage werden nun also wieder kürzer.

Die Meteorologen sind schon seit dem 1. Juni auf Sommer eingestellt.
Dies hat allerdings nur Arbeit vereinfachende Gründe. Für die
Auswertung von Wetter- oder Klimadaten und die Erstellung von
Statistiken ist es, insbesondere im Computerzeitalter, angenehmer und
auch einfacher, volle Monate zu betrachten. Daher wurden die Monate
Juni, Juli und August aus meteorologischer Sicht als Sommer
definiert.

Der phänologische Sommerbeginn richtet sich nach der Natur und deren
Entwicklung. Das ?phänologische Jahr? wird grundsätzlich in 10
physiologisch-biologisch begründete ?phänologische Jahreszeiten?
eingeteilt, gekennzeichnet durch spezielle phänologische Indikatoren
(Leitphasen). Der Sommer wird dabei nochmals in Frühsommer,
Hochsommer und Spätsommer untergliedert. Mit dem Blühbeginn der
Gräser setzt der Frühsommer ein. Auf den Wiesen blüht zuerst der
Wiesenfuchsschwanz und auf den Getreidefeldern der Winterroggen.
Blühen die Sommerlinden und die Kartoffeln, dann kommt der
Hochsommer.

Mit dem Wissen der verschiedenen Definitionen stellt sich nun die
Frage, warum der Sommer nicht genau um den Sonnenhöchststand (21.06.)
herum definiert ist, an dem die Sonne den größten Energieeintrag auf
die Nordhalbkugel abstrahlt. In diesem Sinne müssten die Monate Mai,
Juni und Juli den Sommer bilden!?!

Wie oben beschrieben, umfasst der Sommer aus astronomischer Sicht
allerdings denjenigen Zeitraum, in dem sich die Sonne vom nördlichen
Wendepunkt zum Äquator zurückbewegt. Bei den Meteorologen wird auch
nur ein kleiner Zeitraum vor Sonnenhöchststand dem Sommer
zugesprochen. Die Phänologie ist komplett von meteorologischen
Parametern wie Niederschlag, Temperatur und Sonnenstrahlung abhängig
und kann in dieser Diskussion nicht berücksichtigt werden.

Für eine genauere Betrachtung muss man zusätzlich zur
Sonneneinstrahlung auch die Speicherung und den Transport von Energie
betrachten. Die Atmosphäre und erst recht die Ozeane sind
grundsätzlich träge Medien, bei denen alles etwas langsamer abläuft.
Ab Frühlingsbeginn, wenn sich die Sonne über den Äquator hinweg nach
Norden bewegt, können sich die Ozeane und Landflächen auf der
Nordhalbkugel verstärkt erwärmen und somit die einstrahlende
Sonnenenergie aufnehmen bzw. speichern. Da in nördlichen Breiten
(>60°N) durch die Kugelform der Erde der Energieeintrag trotz höherem
Sonnenstand sehr gering bleibt, muss weiterhin Wärme aus Süden nach
Norden transportiert werden. Dies übernehmen bis ca. 30° N
hauptsächlich die Ozeane und deren Strömungen (z. B. Golfstrom).
Oberhalb von 30° N sind unsere wohlbekannten Tiefdruckgebiete für den
Wärmetransport größtenteils verantwortlich. Bis also die maximale
Energie bzw. Wärmemenge in den mittleren bzw. nördlichen Breiten
erreicht wird, vergeht etwas Zeit. Aus diesem Grund können im
Normalfall die maximal möglichen Temperaturen für die mittleren und
nördlichen Breiten, vom Sommeranfang zeitlich nach hinten verschoben,
in den typischen Hochsommermonaten Juli und August gemessen werden.

Die Hitzeperiode in dieser Woche ist dabei ein Zusammenspiel zwischen
Großwetterlage und Sonneneinstrahlung. Da die Sonne in diesem
Zeitraum ihren nördlichsten Punkt erreicht hat, liegt Mitteleuropa im
Zeitraum der größten Einstrahlung. Durch hohen Druck am Boden und
entsprechend vielfach wolkenlosen Himmel über Deutschland kann die
Sonne das Land gut erhitzen. Zudem herrscht an der Vorderseite eines
Tiefdruckkomplexes über Südwesteuropa und südwestlich einer
Hochdruckzone von Grönland über Deutschland hinweg weiter nach Süden
verbreitet eine südliche bis südwestliche Strömung vor, die uns die
stark erhitzte Luft von der Iberischen Halbinsel und Nordafrika nach
Deutschland führt. Die fast maximale Einstrahlung und die erhitze
Luft aus Süden führen in weiten Teilen Deutschlands zu sehr warmen
bis heißen Temperaturen, die die bisherigen Jahreshöchstwerte toppen
werden.

In diesem Sinne hoffen viele Menschen, dass es nicht die letzte
Wärmeperiode in diesem Jahr ist und dass noch viele sonnige Tage in
diesem Sommer folgen.

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 19.06.2017

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst