Thema des Tages
08-06-2017 14:40
Saure Schwämme
Am 8. Juni 1992 beschlossen die Vereinten Nationen im sogenannten
?Erdgipfel? in Rio de Janeiro, unseren Weltmeeren einen Ehrentag zu
widmen. Die Umsetzung ließ dann zwar etwas auf sich warten (sage und
schreibe 17 Jahre), aber seit dem Jahre 2009 gilt der 8. Juni nun
offiziell als ?Tag des Meeres? (engl. "Worlds Ocean Day").
Zugegeben, wir Meteorologen schauen für gewöhnlich eher nach oben
Richtung Himmel (oder nach vorn in die Computerbildschirme) als ?nach
unten?. Dabei lohnt es sich durchaus, die Blickrichtung mal in die
Tiefen der Ozeane zu lenken ? nicht nur, weil große Teile der
Weltmeere immer noch völlig unerforscht sind (selbst den Mond kennen
wir besser als die Tiefsee), sondern weil es zwischen Wetter bzw.
Klima und Ozeanen einige weitreichende Wechselwirkungen gibt.
Der Golfstrom im nördlichen Atlantik ist ein prominentes Exempel
dafür, wie das Meer das Klima durch Wärmespeicherung und ?transport
beeinflusst. Der Ozean enthält in seinen obersten drei Metern so viel
thermische Energie wie die gesamte Atmosphäre und wirkt wie ein
gigantischer Heizkörper. Ein paar Zahlen gefällig? Im Sommer heizt er
sich in unseren Breiten bis zu einer Tiefe von rund 100 Metern um
etwa 5°C Grad auf. Damit speichert er eine Energie von 556
Kilowattstunden pro Quadratmeter. Wenn diese sich vollständig in
elektrischen Strom umwandeln ließe, könnte eine typische
mitteleuropäische Familie ihren jährlichen Strombedarf (ca. 4500
Kilowattstunden) mit 8 Quadratmeter Ozeanfläche decken.
Das Meer beeinflusst das Klima aber auch durch die Aufnahme von
Gasen: Wie ein riesiger Schwamm kann ein Ozean Stoffe wie
Kohlendioxid (CO2) aus der Luft ?aufsaugen? und speichern. Forscher
der Columbia University berechneten, dass seit Beginn der
Industrialisierung die Weltmeere rund 140 Milliarden Tonnen
Kohlendioxid aufnahmen. Die Folgen davon können wir erahnen, wenn wir
an das Wort "Kohlensäure" denken: Durch die Aufnahme von CO2 aus der
Luft werden die Meere immer saurer. Und was bewirkt Säure? Hausfrauen
kennen vermutlich die Antwort: Säuren sind Kalklöser ? nicht umsonst
lassen sich Wasserkocher z.B. mit Essigsäure entkalken. Die im
Haushalt unliebsamen Kalkablagerungen sind für die Weltmeere bzw.
deren ?Bewohner? jedoch lebensnotwendig. Unter der Meeresoberfläche
ist Kalk ein unverzichtbares Baumaterial für Muscheln, Schnecken,
Korallen oder Plankton. Die zunehmende Versauerung der Meere stellt
also eine zunehmende Bedrohung dieser Meereslebewesen dar.
Neben der Versauerung der Meere gibt es noch viele weitere Themen,
auf die der ?Worlds Ocean Day? aufmerksam machen möchte, wie
beispielsweise die zunehmende Verschmutzung und Überfischung der
Meere. Es gibt also genug Gründe, sich mehr mit dem Meer zu
beschäftigen. Denn im Gegensatz zum Wasserkocher, den man im
schlimmsten Fall neu kaufen kann, haben wir diese Möglichkeit bei den
Weltmeeren nicht.
Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 08.06.2017
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