Thema des Tages

31-05-2017 14:40

Die Böenfront eines Gewitters und ihre Folgen

Der mitteleuropäische und somit auch unser deutscher Sommer zeigen
sich nicht selten von seiner eher wechselhaften Seite. Nach einer
mehrtägigen Hochdrucklage machen sich Tiefdruckgebiete mit den
zugehörigen Fronten auf den Weg, um die sommerliche Wärme oder gar
Hitze wieder für einige Tage aus Deutschland zu vertreiben. Nicht
selten geht solch ein Wetterwechsel mit kräftigen Schauern und
Gewittern einher. Oft ist es eine drückende Schwüle, die sich vor
einem hereinbrechenden Gewitter breitgemacht hat und der Mensch sehnt
sich nach einem kühlen Nass von oben. Wie groß ist dann die
Erleichterung, wenn das Gewitter vor einem steht und der erste
Windstoß die schwüle Luftmasse zu verdrängen beginnt. Jeder weitere
Windstoß bringt eine immer stärkere Abkühlung und dann können bereits
die ersten Tropfen fallen. Die Erleichterung währt jedoch nicht
lange, denn nicht selten erreicht der Wind zu diesem Zeitpunkt
bereits Sturmstärke und mit dem hereinbrechenden Gewitter folgen
starker Regen, Hagelschlag und zahlreiche Blitze.
Diese Passage einer sogenannten "Böenfront" (engl. outflow) kann aber
auch deutlich ruhiger ablaufen. Wenn in der Ferne ein Gewitter am
Horizont vorüberzieht, kann es passieren, dass z.B. eine Stunde
später der Wind vor Ort plötzlich und ohne Vorwarnung auffrischt und
ebenfalls für eine Abkühlung sorgt. Doch wodurch wird solch ein
"outflow" erzeugt?

Bevor ein Gewitter entsteht braucht man kräftige "Aufwinde", mit
denen die warme und feuchte Luft in höhere Luftschichten
transportiert wird, wodurch die Feuchtigkeit zu mächtigen Quellwolken
kondensiert und sich Regentropfen bilden. Doch der Regen kann nicht
lange in der Luft gehalten werden und fällt je nach Stärke des
Aufwindes über kurz oder lang wieder zum Erdboden zurück. Die
regengekühlte und damit schwerere Luft fällt in gleichem Maße herab
und wird dementsprechend auch als "Abwind" bezeichnet. Kommt diese
regengekühlte Luft am Boden an, kann sie sich in alle Richtungen
ausbreiten und als sogenannter "outflow" den schwitzenden und nach
Abkühlung lechzenden Beobachter erreichen.

Je großräumiger oder intensiver Gewitter und einhergehender Aufwind
sind, desto mehr Niederschlag wird gebildet und desto stärker fällt
auch die Böenfront aus. Solch ein "outflow" kann sich dann über
Stunden hinweg immer weiter vom Gewitter entfernen und auch
Beobachter in Regionen erreichen, die vom eigentlichen Gewitter
nichts oder nur sehr wenig mitbekommen haben.

Doch wie sieht der "outflow" in der Realität aus? Wie beobachten wir
Meteorologen den "outflow" und wieso ist es so wichtig genau über
seine Verlagerung Bescheid zu wissen? Dazu wird ein Ereignis vom 19.
Mai 2017 betrachtet, das sich am späten Nachmittag östlich von
München ereignet hat.

Auf dem Radarbild (a)) ist um 16:15 Uhr MESZ nordöstlich von München
ein kräftiges Gewitter (weiße Umrandung) anhand von kompakten
Reflektivitätssignalen erkennbar, das nach Nordosten zieht (Pfeil).
In der Legende ist die Einheit der Reflektivität (Dezibel, dBz) zu
sehen. Höhere Werte (Farbe rot und blau) bedeuten, dass mit heftigem
Regen oder Hagel gerechnet werden muss. Dabei handelte es sich um ein
langlebiges Gewitter, das eine Stunde zuvor noch München gestreift
hatte. Aus diesem Gewitter strömte die kühle und feuchte Luft in Form
einer kräftigen Böenfront nach Osten (rote Umrandung). Solch ein
"outflow" weist in der Regel nur eine Mächtigkeit von wenigen hundert
Metern auf, weshalb die Reflektivitäten auch nur sehr gering
ausfallen (grüne Farbe um 0 Dezibel). Dabei sieht das Radar unter
anderem den durch die Böenfront aufgewirbelten Staub. Zudem sind
Temperaturwerte in die Abbildungen eingetragen, die von 26 bis 29
Grad vor dem "outflow" rückseitig auf 23 Grad zurückgingen.

Bild b) zeigt die Situation rund 90 Minuten später. Die Böenfront in
der roten Umrandung ist mit Hilfe des Radars kaum noch auszumachen,
umso besser aber im Temperaturfeld mit einem Unterschied von 6 Kelvin
oder mehr.

Doch wieso ist es für uns Meteorologen so wichtig, wo ein "outflow"
zu finden ist? Er fungiert wie eine Luftmassengrenze, die sich durch
bodennah zusammenströmende Luft auszeichnet. Die Luft steigt nun auch
hier auf, kondensiert nachfolgend und als Resultat können sich erneut
Schauer- und Gewitterwolken entwickeln. Im Wetterfall vom 19. Mai
prallte der "outflow" zusätzlich noch an die Ausläufer der Alpen,
wodurch das Aufsteigen zusätzlich verstärkt wurde. Das Resultat ist
in der gelben Umrandung zu sehen: Es entwickelte sich ein neues
kräftiges Gewitter, das nach Norden zog. Ein "outflow" kann also zur
Gewitterbildung und damit auch zur Gewittervorhersage beitragen.

Aus diesem Grund ist es zwar angenehm, wenn sich die Luft hinter
einer Böenfront abkühlt, doch sollte der Himmel weiter im Auge
behalten werden. Entweder nähert sich zeitnah das für die Böenfront
verantwortliche Gewitter oder es kann sich durch solch einen
"outflow" vor Ort plötzlich ein neues Gewitter entwickeln.


Dipl.-Met. Helge Tuschy
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.05.2017

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