Thema des Tages

28-05-2017 14:40

Vor dem Monsun...

Geologisch betrachtet stellt der indische Subkontinent eine eigene
tektonische Einheit dar, die "Indische Platte". Er wird im Norden
durch das Himalaya-System von Zentralasien getrennt, in östlicher
Nachbarschaft zu Hinterindien durch das Patkai- sowie das
Arakan-Joma-Gebirge gesäumt, im Westen durch das Bergland von
Belutschistan begrenzt und im Süden vom Indischen Ozean umspült, mit
dem Arabischen Meer westlich und dem Golf von Bengalen östlich der
Halbinsel Vorderindien. Sieben Staaten liegen auf dem Subkontinent,
und zwar Bangladesh, Bhutan, Indien, die Malediven, Nepal, Pakistan
und Sri Lanka. Etwa die Hälfte der Landmasse liegt südlich des
Wendekreises des Krebses (ca. 23°26' nördlicher Breite), also in den
Tropen.

Diese geografische Lage und seine starke Gliederung in verschiedene
Landschaftsformen, von tief liegenden Küstenstreifen und Flussebenen
über ausgedehnte Hochflächen bis zu den höchsten Bergen der Erde,
bewirken eine außerordentliche klimatische Vielfalt. Andererseits
wird das Klima des indischen Subkontinents in erster Linie durch das
Himalaya-Massiv und die Flussebene des Punjabs bzw. die angrenzende
Wüste Thar dominiert. Die weitgehend zonal verlaufenden Gebirgsketten
verhindern den Zustrom von Kaltluftmassen aus dem Hochland von Tibet
und den winterkalten Ebenen Zentralasiens. Über dem Punjab und der
Thar indes entsteht im Sommer ein geräumiges "Hitzetief", welches
eine wesentliche Ursache für die Monsunzirkulation in Südasien
darstellt.

Monsune sind großräumige, mit beständigen Winden einhergehende
Luftströmungen in den Tropen und niederen Subtropen mit quasi
halbjährlichem Richtungswechsel. Ihre Ursachen sind - vereinfacht
gesagt - die unterschiedliche Erwärmung von Meer und Land sowie die
damit zusammenhängende jahreszeitliche Verlagerung der
innertropischen Konvergenzzone (ITCZ), einem weltumspannenden
Tiefdruckgürtel. In Vorderindien ist die Monsunzirkulation aufgrund
der o.g. geographischen Bedingungen besonders stark ausgeprägt. Mit
zunehmendem Sonnenstand im Frühsommer erwärmt sich das Festland
Südasiens intensiv und die innertropische Tiefdruckzone wandert nach
Norden. Die umgebenden Meere sind demgegenüber kühler, dort herrscht
höherer Luftdruck, so dass bodennah eine zum Festland gerichtete,
feuchtwarme und regenträchtige Luftströmung entsteht. Infolge der
Coriolis-Kraft werden großräumige Horizontalbewegungen auf der
Nordhalbkugel nach rechts abgelenkt und der Sommermonsun wird zum
Südwestmonsun, der jedoch über dem Subkontinent z.T. wieder in
Richtung des Hitzetiefs (als Bestandteil der ITCZ) im Nordwesten
Vorderindiens strömt.

In Südasien bestimmt der Monsun ("Regen- und Trockenzeit") das Dasein
der Menschen, als Wasserspender, in wirtschaftlicher Hinsicht,
oftmals aber auch mit drastischen Folgen für Leib und Leben im Falle
von Dürren oder Überschwemmungen. Er ist sozusagen Fluch und Segen
zugleich. Der indische meteorologische Dienst (India Meteorological
Department, abgekürzt IMD) unterscheidet vier offizielle
Jahreszeiten, und zwar den Winter von Dezember bis April, den Sommer
von April bis Juni/Juli, den MONSUN (eigentlich Sommer- bzw.
Südwestmonsun) von Juni/Juli bis September/Oktober und die
Nachmonsunzeit von September/Oktober bis Dezember. Normalerweise
breitet sich der indische Monsun im Verlaufe der ersten Hälfte des
nordhemisphärischen Sommers vom Golf von Bengalen in Richtung
Pakistan aus und erreicht etwa Mitte Juli über dem Indus-Tal seine
größte nordwestliche Ausdehnung (vgl. aktuelle "Monsunfront" - grüne
Linien in der unten gezeigten Karte "Advance of Southwest Monsoon
2017" des IMD).

Ende Mai/Anfang Juni, also zu Beginn des Sommermonsuns, ist die
Region Nordindien/Pakistan die heißeste Gegend auf der ganzen Erde.
Verbreitet herrschen Tageshöchsttemperaturen von mehr als 40 °C, im
pakistanischen Indus-Tal örtlich sogar über 50 °C. Beispielsweise
wurden am gestrigen 27. Mai 2017 in der Stadt Sibi (Indus-Tal,
29°33'N, 67°53'E, 133 m Höhe) 52,0 °C gemessen, damit wurde der
bisherige Temperaturrekord von 51,0 °C (aus dem Zeitraum 1971-1990)
überboten. In Jacobabad (Indus-Tal, 28°38'N, 68°31'E, 55 m Höhe)
waren es gestern 51,0 °C und die Station Nagpur (21°09'N, 79°05'E,
306 m Höhe) auf dem indischen Dekkan-Plateau brachte es immerhin auf
46,0 °C.

Währenddessen hat der Sommermonsun Sri Lanka mit voller Stärke
erreicht: nach heftigen Regenfällen, die zu Überschwemmungen und
Erdrutschen führten, waren zunächst über 100 Tote zu beklagen, etwa
ebenso viele werden noch vermisst und Tausende sind obdachlos.
Beispielsweise wurde in Ratnapura (06°41'N, 80°24'E, 130 m Höhe)
innerhalb von 24 Stunden bis Freitag, den 26.05.2017, 06:00 Uhr UTC
eine Regenmenge von 384 L/m² (= mm) registriert, das sind ca. 81 %
der mittleren monatlichen Niederschlagssumme des regenreichsten
Monats Mai. Während des gesamten Niederschlagsereignisses dürften es
über 500 mm gewesen sein, anderswo geht man von noch höheren
Regenmengen aus. Laut einheimischem Wetterdienst handelte es sich um
die stärksten Monsunregen seit dem Jahre 2003.


Dipl.-Met. Thomas Ruppert
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 28.05.2017

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