Thema des Tages
21-03-2017 14:40
Das doppelte Flottchen
Heute soll der Blick zurückgehen. Nicht allzu weit, nur knapp zwei
Wochen, genauer gesagt auf den 9.3.! Sie erinnern sich vielleicht, an
diesem Tag fegte ein Tornado durch den bayerischen Ort Kürnach. Und
anhand der aktuellen, abgesehen vom Wind recht ruhigen Wetterlage,
kann man gut ein Hilfsmittel der Meteorologen bei der Erkennung von
rotierenden Wolken erklären: das Dopplerradar.
Beim Radar gilt grundsätzlich, dass elektromagnetische Wellen (mit
einer festen Frequenz und Wellenlänge) ausgesendet werden. Werden
diese Wellen durch ein Objekt (z. B. Regentropfen, Flugzeug,
Windkraftanlagen o. ä.) zurückgeworfen, fängt das Radar sie wieder
auf und kann aus der Laufzeit der Welle Informationen über den Ort
und die Beschaffenheit des Objekts ableiten.
Die Funktion des Dopplerradars basiert nun auf der Tatsache, dass die
Frequenz des Radarstrahls verändert wird, je nachdem, ob sich ein
Objekt auf den Standort des Radars zu- oder von ihm wegbewegt. Das
klingt einfach - ist aber dummerweise nicht so ganz richtig. Denn
entscheidend ist, dass das betrachtete Objekt eine
GeschwindigkeitsKOMPONENTE zum Radarstandort hin oder eben eine vom
Radarstandort weg hat. Das Stichwort lautet ?Vektorzerlegung der
Geschwindigkeit?, und bevor die weniger Physik-Affinen hier aufhören
zu lesen, soll die zugehörige Grafik ins Spiel gebracht werden.
Zu sehen ist das Bild des Dopplerradars in Prötzel, dem
DWD-Radarstandort bei Berlin, von heute früh (21.03., 7:17 Uhr). Die
aktuell über Deutschland liegende Kaltfront verlagert sich zwar
allmählich nach Süden, die Wolken ? und, sehr wichtig, die mit den
Wolken mitgeführten Tropfen, die den Radarstrahl zurückwerfen ?
ziehen aber nach Ost-Nordost, also in Windrichtung. Die erwähnte
Vektorzerlegung ist am Beispiel der dünnen Windpfeile dargestellt.
Man kann erkennen, dass der Wind in den grün eingefärbten Bereichen
immer eine Komponente hin zum Radarstandort hat, in den rot
eingefärbten Bereichen aber eine Komponente weg vom Radarstandort
(dies sind jeweils die gestrichelten Pfeile). Der Profi spricht von
der ?radialen Komponente? des Windes. Entlang der gelben ?Nulllinie?
hat der Wind genau keine(!) Komponente vom Radarstandort weg oder zum
Radarstandort hin.
Diesem sehr klaren Muster am heutigen Tag steht der kleinräumige
Wechsel von Rot zu Grün im kleinen Bild (mit dem roten Kreis
markiert) gegenüber. Dieses stammt vom 09.03. und zeigt die
Dopplerradar-Struktur des oben angesprochenen Kürnach-Tornados. Mit
dem erworbenen Wissen ist klar, dass sich dort auf engem Raum die
Windrichtung gravierend ändert. Das Muster könnte man salopp als
?Hin-und-Weg-Muster? bezeichnen (was in dem Fall weniger geplante
Urlaubsreisen, als mehr die Gefühlswelt einiger KollegInnen
beschreibt). Da die Windgeschwindigkeiten obendrein sehr hoch sind,
könnte man das rot-grüne Pärchen einer solchen Radarstruktur auch als
?doppeltes Flottchen? bezeichnen.
Wichtig ist aber folgender Hinweis: Man sieht nicht den Tornado
selbst. Tornados in Deutschland sind in der Regel zu kleinräumig, um
vom Radar als separate Struktur erkannt zu werden. Es ist vielmehr
die über dem Tornado rotierende Wolke, die sich mit dem deutlichen
Farbwechsel zu erkennen gibt. Insofern sind die Muster im
Dopplerradar ein Hinweis auf, aber kein Beweis für einen Tornado.
Und: Da man den Fokus auf die Windrichtung legt, verzichtet man auf
andere Radarinformationen, beispielsweise auf die Stärke der
Reflektivität und damit z. B. die oft bei kräftigen Gewitterzellen
erkennbaren Bogen- oder Hakenechos.
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 21.03.2017
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