DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
26-12-2016 21:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 26.12.2016 um 10.30 UTC
Zunächst ruhiges Hochdruckwetter HM (Hoch Mitteleuropa). Zu Jahresbeginn von
Norden her Passage einer Kaltfront mit nachfolgend unsicherem Ausgang.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 02.01.2017
Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Donnerstag thront
ein umfangreiches Hoch über weiten Teilen Mittel- und Westeuropas. In
Deutschland liegt das Druckniveau zum Mittagstermin um 1040 hPa (+- 3 hPa),
wobei der Schwerpunkt gerade dabei ist, sich in Richtung Tschechien zu
verlagern. Während sich im Osten und Südosten noch vergleichsweise frische Reste
der zuvor eingeflossenen Polarluft befinden, ist die Kaltluft in den übrigen
Regionen mittlerweile schon gealtert. Absinkbedingt steigt die
niedertroposphärische Temperatur an, im äußersten Westen bis auf +5°C.
Entsprechend haben wir es mit einer gradientschwachen Inversionslage zu tun, in
der uns die üblichen Grenzschichtparameter wie Frost, Nebel/Hochnebel, Reif,
Glätte etc. auf Trab halten - wobei der Begriff "Trab" aufgrund der Undynamik
dieser Wetterlage eigentlich falsch gewählt ist.
Wie auch immer, gestützt wird das Hochdruckgebiet durch einen nicht minder
umfangreichen Höhenrücken, der ausgehend von Südwesteuropa bis hoch in Richtung
Baltikum bzw. Nordwestrussland aufgespannt ist. Ein Höhentief bei den Azorenhoch
sowie ein sich anbahnender Abtropfprozess über dem östlichen Mittelmeer
tangieren uns ebenso wenig wie zunächst noch recht weit nördlich platzierte
Frontalzone.
Das ändert sich erst zum Jahreswechselwochenende, wenn nämlich Potenzial und
Luftdruck von Norden her zögernd abgebaut werden und zumindest der äußerste
Norden des Vorhersageraums an die Südkante besagter Frontalzone gelangt.
Frontale Prozesse sind damit noch nicht verbunden, vielmehr äußert sich das
Ganze in Form etwas auflebenden Südwestwinds, vermehrt dichteren Wolken und
gelegentlich etwas Nieselregen. Im großen Rest des Landes ändert sich trotz
Druckfalls zunächst noch nicht allzu viel.
Richtig interessant wird es erst ab Sonntagabend, wenn die Kaltfront eines
Tiefdrucksystems über Nordeuropa auf den Küstenraum übergreift. Sie befindet
sich am vorderen Rand eines weit nach Südwesten, bis zum Ärmelkanal bzw. zur
Biscaya reichenden Bodentrogs (der fast rinnenartig konfiguriert ist), der
wiederum mit einem scharfen, ebenfalls von Nordost nach Südwest exponierten
Höhentrog korrespondiert. Beides - sowohl Druck- als auch Potenzialstruktur -
sind von ihrer Geometrie wie geschaffen, die vorgeschaltete Kaltfront kräftig
wellen zu lassen, was auch von der Numerik so gesehen wird. Kurzum, die Passage
der Kaltfront von Nord nach Süd ist nicht der schnellsten einer, erst im Laufe
des Dienstags soll sie die Alpen erreichen. Zuvor sorgen die an der Front
ablaufenden Wellen für oszillierende (mal verstärkt, dann wieder abebbend)
Hebungsprozesse ergo Niederschläge, die zum Teil bis in tiefe Lagen als Schnee
fallen können. Rückseitig stößt nämlich auf direktem Wege ein Schwall arktischer
Polarluft nach, in der die 850-hPa-Temperatur auf unter -5°C sinkt. Fallen die
Niederschläge nun, wie bei durchlaufenden Wellen üblich, zu einem großen Teil
auf der kalten Seite der Front, ist mit Unterstützung von Hebungs- und
Verdunstungsabkühlung ganz schnell die feste Phase im Spiel.
Gefrierender Regen oder Nieselregen ist auch nicht ganz ausgeschlossen,
allerdings fällt der - wenn überhaupt - eher im präfrontalen Bereich, wenn der
dort positionierte Hochnebel bei Dauerfrost etwas angehoben wird - wenn.
Zugegeben, alles noch sehr theoretisch, aber auch hochinteressant, deswegen auch
die Ausführlichkeit.
Kurz noch ein Ausblick bis Donnerstag, der laut ECMF stark winterliche Züge
aufweist. Zum einen etabliert sich besagter Höhentrog unter Amplifizierung über
Mitteleuropa bei gleichzeitiger Ausbreitung der Kaltluft (Deutschland durchweg
unter -5°C in 850 hPa). Zudem entwickelt sich südlich der Alpen ein kräftiges
Tief, dessen Aufgleitprozesse über den Alpenhauptkamm hinweg nach Norden
ausgreifen. Die Folge wäre Dauerschneefall in Teilen Süddeutschlands.
Und wenn dann auch noch ein Tief von Norden her via Nordsee gen Benelux zieht,
wie vom Modell simuliert, würde der Winter auch in den westlichen Landesteilen
(Stichwort: vorderseitige Schneefälle) eine oder mehrere Duftmarken setzen,
sofern das Tief nicht zu weit westlich anlandet.
FAZIT aus deterministischer Sicht: Erst sichere, aber relativ langweilige
Hochdrucklage als Jahresabschluss, dann unsicherer und sehr konjunktivlastiger,
dafür aber hochinteressanter Jahresstart (evtl. mit 1-1,5 Tage Verzögerung).
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Der heutige 00-UTC-Lauf von IFS-ECMF weicht bis zum kommenden Wochenende kaum
von seinen Vorgängern ab. Danach dominiert über weite Strecken ein kräftiges
mitteleuropäisches Hoch das Wettergeschehen, lediglich der äußerste Norden wird
ab Samstag von der sich langsam aber sicher "heranschleichenden" Frontalzone
gestreift.
Ab Montag nehmen die Unterschiede der einzelnen Läufe deutlich zu. Zwar herrscht
Einigkeit darin, dass zu Wochenbeginn eine Kaltfrontpassage von Nordwesten her
ansteht. Allerdings wird diese Passage in der jüngsten Version durch verstärkte
Wellenbildung (siehe oben) deutlich gebremst, so dass das Timing noch sehr
unsicher ist. Gleiches gilt für die weiteren Abläufe, wenn die Kaltluft
schlussendlich eingeflossen ist. Nur so viel für den Augenblick: Es deutet sich
zyklonales, also tiefdruckbeeinflusstes Wetter mit Niederschlägen an, die bis in
tiefe Lagen als Schnee fallen können.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Bis zum kommenden Wochenende nehmen sich die etablierten Globalmodelle nicht
viel, will heißen, der bevorstehende Hochdruckeinfluss ist unstrittig.
Interessant wird es danach, wenn besagte Kaltfront ins Spiel kommt. ICON und
auch das kanadische GEM lassen die Front größtenteils schon am Sonntag
(Neujahrstag) recht schnörkellos und wahrscheinlich ohne nennenswerte
Wellenbildung nach Süden durchgehen. Bei GFS erfolgt die Passage überwiegend am
Montag, allerdings etwas flotter als bei IFS-ECMF. In der erweiterten
Mittelfrist setzen beide "Nordamerikaner" auf erneuten Hochdruckeinfluss, der
von Westen her durchbricht (bei GEM tropft der Trog über dem Mittelmeer ab, bei
GFS schon vorher unweit der Biscaya; beide Vorgänge fördern Druck- und
Potenzialanstieg von Westen her). Das resultierende GWL-Muster wäre entweder BM
(Brücke Mitteleuropa) oder Wa (West antizyklonal), was beides rein gar nichts
mit der IFS-Lösung zu tun hat.
FAZIT aus erweiterter deterministischer Sicht: nach dem nun noch sichereren
Hochdruckeinfluss wird das nachfolgende, o.e. potenzielle Winterszenario noch
unsicherer.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Vor dem Hintergrund des bisher Geschilderten kommt der Betrachtung der
probabilistischen Vorhersagetools natürlich eine besondere Bedeutung zu. Fangen
wir mit der Clusterung von ECMF-EPS an, die für den Zeitraum T+120...168 h
(Samstag bis Montag) gleich mal mit sechs Lösungen aufwartet (10 + KL, 9, 9, 9,
8 + HL, 6 Fälle). Allen Lösungen gemein ist die Tatsache, dass von Nordwesten
her besagter Höhentrog auf den Vorhersageraum übergreift. Die Unterschiede
ergeben sich im Wesentlichen im Timing sowie in der Geometrie dieses Troges. Die
beschriebene deterministische Version wird am ehesten von den Clustern 3, 4 und
5 gestützt. CL 2 setzt auf eine Trogpassage mit deutlich geringerer Amplitude,
CL 1 stellt eine Zwischenlösung dar. Bei CL 6 kommt es bereits vorher zur
Abtropfung und das eher mickrig ausfallende Trogresiduum hat es schwer, gegen
den mitteleuropäischen Potenzialblock anzukommen, was nichts anderes als
Fortdauer der Hochdrucklage (vielleicht mit kleinen Einschränkungen im Norden)
bedeuten würde.
Im erweiterten Mittelfristzeitraum T+192...240 h (Dienstag bis Donnerstag)
allerdings setzen alle fünf Cluster (12, 12, 11, 9 + KL, 7 + HL) auf eine
jeweils immer etwas anders konfigurierte Troglage. CL 5 kommt dabei der
kanadischen Variante (Abtropfen über dem Mittelmeer) am nächsten, allerdings mit
Verzögerung.
Die Ergebnisse der Clusterung spiegeln sich sehr gut in den EPS-Rauchfahnen
verschiedener deutscher Städte wider, die bis Samstag sehr enggebündelt
verlaufen. Danach nimmt die Streuung sukzessive, aber nicht überbordend zu
(Unsicherheit Trogkonfiguration und -passage), die Richtung der Pot500- und
T850-Kurven ist von wenigen Ausnahmen abgesehen aber eindeutig und zwar abwärts.
Genau das unterscheidet ECMF-EPS von GFS-EPS, die nach einem deutlichen
Temperatur- und Potenzialminimum am Montag größtenteils wieder bergauf
konvergieren.
FAZIT: Nach Passage der Kaltfront (Sonntag-Dienstag) ist von zyklonalem
Winterwetter bis erneutem Hochdruckeinfluss vieles drin und eine belastbare
Vorhersage quasi nicht möglich.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Die letzten Tage des Jahres bieten warntechnisch eher fade Kost: NEBEL, FROST,
GLÄTTE (durch Reif oder gefrierende Nebelablagerungen) haben wir im Dezember
schon ausreichend probiert.
Am Wochenende könnte es auf dem Brocken, im Laufe des Sonntags vielleicht auch
an der Küste einzelne STURMBÖEN aus Südwesten geben, was aber auch keinen vom
Hocker stößt.
Was dann mit Front-/Trogpassage und danach passiert, ist heute nur schemenhaft
und nicht wirklich belastbar zu prognostizieren. Schauen wir mal, ob die Pendel
der Modelle und deren probabilistischer Anschlussprodukte morgen in eine
Richtung ausschlagen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
Bis Montag ECMF-Mos und ECMF-EPS mit GFS (die schnelle ICON-Version wird
verworfen). 10-Tage-Trend auf Basis von ECMF-EPS, wohl wissend, dass das der
völlig falsche Gaul sein kann.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann