Thema des Tages
22-12-2016 14:40
Im Auftrag des Dienstes bis ans Ende der Welt - Teil 2
Schon seit Jahrzehnten leisten Meteorologen des DWD ihren Dienst
unter anderem auf Schiffen. Früher waren sie vorrangig auf
sogenannten Fischereischutzbooten im Einsatz. Der zivile
Fischereischutz wurde einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg
gegründet, um im staatlichen Auftrag die Einhaltung der
Fischereivorschriften auf den Fangplätzen der Küsten- und
Hochseefischerei zu überwachen. Diese Schiffe verfügten über
Bordwetterwarten, von denen die erste 1950 auf dem
Fischereischutzboot "Meerkatze" eingerichtet wurde. Die Meteorologen,
die auf Fischereischutzbooten eingesetzt wurden, waren in der Regel
im Seewetteramt in Hamburg beschäftigt. Sie trugen mit ihren
Wetterberichten, Vorhersagen und Warnungen zum Erfolg der Fischerei
bei.
Heutzutage sind Meteorologen und Wetterfunktechniker des DWD
hauptsächlich auf den beiden bundeseigenen Forschungsschiffen
POLARSTERN und METEOR tätig (siehe
http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/12/7.html), um die
Seeleute und Forscher auf ihrer Seereise wettertechnisch zu
unterstützen. Mit den gegenwärtigen technischen Möglichkeiten lässt
sich das Wetter in der Regel sehr gut vorhersagen - auch auf See,
obwohl das Wetterstationsnetz dort sehr lückenhaft ist. Selbst in den
polaren Gebieten, in denen FS POLARSTERN
(www.awi.de/expedition/schiffe/polarstern) unterwegs ist, ist eine
präzise Wettervorhersage möglich. Selbst wenn erfahrene Seeleute das
Wetter gut zu interpretieren wissen, ist es von großer Bedeutung,
dass speziell ausgebildete Meteorologen und Wetterfunktechniker an
Bord mitfahren. Der Bordmeteorologe berät sowohl die Schiffsführung
als auch die wissenschaftliche Fahrtleitung sowie die
Helikopterpiloten. Hier verbinden sich dann Land-, See- und
Flugwettervorhersage.
Diese drei Kundengruppen haben unterschiedliche Anforderungen an die
Wettervorhersage. Die Schiffsführung ist unter anderem bestrebt,
möglichst effektiv, ohne große Treibstoffverluste oder Umwege ihr
Ziel zu erreichen. Auf einer zehn- bis zwölfwöchigen Reise in die
Polarregionen ist es außerordentlich wichtig, mit dem Treibstoff zu
haushalten. Auf dem Weg ins "ewige Eis" befindet sich kein Hafen, in
dem das Schiff aufgetankt werden kann. Zudem soll jeder Gefahr
möglichst ausgewichen werden. So gibt der Kapitän zwar die grobe
Reiseroute vor, holt sich jedoch jeden Tag zwei Wetterberichte und
ggf. zwischendurch Aktualisierungen bei unsicheren Wetterlagen ein,
um die Reiseroute unter Umständen ans Wetter anzupassen. Großer Wert
wird dabei auf die Wind- und Seegangsentwicklung gelegt. Naht zum
Beispiel ein Sturmtief mit hohen Windgeschwindigkeiten und starkem
Schneefall, der zudem die Sicht behindert? Aus welcher Richtung
kommen die Wellen und welche signifikante Wellenhöhe wird erwartet?
Kommt Nebel auf, der die Sicht behindert oder bei Temperaturen unter
null Grad zu starken Raureifablagerungen am Schiff führt? Oder kann
durch hohe Windgeschwindigkeiten und tiefe Temperaturen sogar die
Gischt am Schiff gefrieren und dazu führen, dass das Schiff womöglich
Schlagseite bekommt? Wann dreht der Wind und wie verhält sich das
Eis? Verkleinert sich eventuell in den kommenden Tagen die freie
Wasserfläche vor dem Schelfeis, die momentan noch das Schiff umgibt,
da Eisschollen von offener See her in die Bucht driften? Das kann zu
einer großen Gefahr für das Schiff werden, wenn es spät in der Saison
ist, sogar der Eisbrecher von Eis eingeschlossen wird und keine
Möglichkeit mehr hat, sich aus eigener Kraft zu befreien. All diese
Aspekte und noch viele mehr muss der Meteorologe im Hinterkopf
behalten und die Schiffsführung bei drohenden Gefahren sofort
informieren.
Die wissenschaftliche Fahrtleitung, also die Leitung der Forschung
auf dem Schiff, interessiert sich ebenfalls für etliche
Wetterelemente. Neben einer im Grunde normalen Wettervorhersage von
Bewölkung, Niederschlag, Wind und Temperatur, spielen je nach
Forschungsvorhaben auch die Wellenhöhe und Sichtweite eine Rolle.
Werden Arbeiten mit teuren Geräten vom Schiff aus unternommen, muss
die Wellenhöhe abgeschätzt werden, damit die Geräte beispielsweise
beim Eintauchen ins Wasser, Heraufholen aus dem Wasser oder auch beim
Einsatz auf dem Meeresgrund keinen Schaden nehmen. Gibt es durch
dichten Nebel Sichtbehinderungen, kann es sein, dass ein
Forschungsvorhaben nicht durchgeführt werden kann oder abgebrochen
werden muss. Kommt kräftiger Niederschlag auf, der zudem in die feste
Phase übergeht, wobei womöglich noch stürmischer Wind weht, sind
Arbeiten grundsätzlich und besonders auf dem Eis gefährlich.
Noch wesentlich präziser muss die Prognose für die Helikopterpiloten
sein. Die international gültigen Vorschriften in der
Flugwettervorhersage muss auch der Meteorologe an Bord von FS
POLARSTERN kennen und bei seiner Prognose einhalten. Neben Wind und
Wetter ist in der Fliegerei die möglichst detaillierte Vorhersage der
Wolkenuntergrenze und Sichtweite von großer Bedeutung. Beispielsweise
muss der Pilot mit dem Hubschrauber einen Mindestabstand zur
Wasser-/Eisfläche einhalten. Er darf nicht nach den Instrumenten
fliegen, sondern nur nach Sicht. Weitere Gefahren sind vor allem
Turbulenzen in der Atmosphäre und die Vereisung des Luftfahrzeugs.
Turbulenzen sind in der Regel nicht sichtbar. Ein chaotisches
Himmelsbild kann jedoch mitunter auf solche Turbulenzen hindeuten.
Geländebedingt können ebenfalls Luftwirbel auftreten, die für
Helikopter gefährlich werden können. Der Meteorologe interpretiert
die synoptische Wetterlage und muss zusammen mit den Winddaten eines
auf dem Schiff selbst durchgeführten Radiosondenaufstiegs (siehe
DWD-Lexikon) das Potenzial für turbulente Luftbewegungen abschätzen.
Kontrast, Horizont und "White Out" sind insbesondere für die
Luftfahrt in polaren Gebieten entscheidende Faktoren, die aus vielen
Vorhersageparametern abgeleitet werden müssen. Als "White Out" wird
die Kontrastverringerung und das Verschwinden des Horizonts
bezeichnet, wodurch die Umgebung in allen Richtungen gleich hell/weiß
erscheint, so dass nicht mehr zwischen Himmel und der schneebedeckten
Oberfläche unterschieden werden kann (siehe
http://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2016/10/24.html).
Sie stellen schon fest, vieles hängt vom Wetter ab und steht oder
fällt mit der Vorhersage, die der Meteorologe erstellt. All diese
Herausforderungen machen die Arbeit auf einem Forschungsschiff aber
so abwechslungsreich und spannend und stellen für alle Teilnehmer ein
unvergleichliches Erlebnis dar. Die vier Bilder zeigen typische
Situationen auf See in antarktischen Gewässern.
(Der Frauenanteil in den Bordwetterwarten des DWD hat übrigens im
Vergleich zu früher deutlich zugenommen (heute etwa 30%). Dennoch
wurde der Einfachheit halber im vorangegangenen Text auf die
weibliche Form der DWD-Mitarbeiter verzichtet.)
Dipl.-Met. Julia Fruntke
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.12.2016
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