Thema des Tages

15-05-2024 13:20


Wissenschaft kompakt

Reinhard Süring - Bis an die Grenzen und darüber hinaus (Teil 1)


Es ist der Jahrestag eines Mannes, der die Meteorologie vom Ende des
19. bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt und
vorangetrieben hat. Wetterbegeistert oder einfach nur lebensmüde?
Entscheiden sie selbst...


Der 15. Mai ist aus meteorologischer Sicht kein ganz gewöhnlicher
Tag. Nein, gemeint ist nicht irgendein Schwergewittertag in den
letzten Jahrzehnten oder ein besonders "knackiges" Ende der
Eisheiligen in der jüngsten Vergangenheit. Für diese Art von
Gedächtnis, bei dem sämtliche Tage, Wochen und Monate mit markanten
Wetterereignissen abgespeichert werden und im Falle eines Weckens aus
dem Tiefschlaf nachts um drei sofort abrufbar wären, braucht man
ohnehin einen siebten Sinn. Einige unserer Kolleginnen und Kollegen
können das traumwandlerisch. Bewundernswert! Ob Reinhard Süring auch
ein derartiges Datumsgedächtnis hatte, ist nicht überliefert.
Gleichwohl hat er in der Meteorologie mächtige Fußstapfen
hinterlassen.

Das Licht der Welt erblickte Reinhard Joachim Süring im Jahr 1866 in
Hamburg. Schon früh war er an Naturwissenschaften und speziell an den
Bedingungen und Prozessen in höheren Luftschichten interessiert. So
promovierte er nach seinem Studium für Mathematik und
Naturwissenschaften in Göttingen, Marburg und zuletzt Berlin dort
1890 mit seiner Arbeit über "Die vertikale Temperaturabnahme in
Gebirgsgegenden in ihrer Abhängigkeit von der Bewölkung". Wie dem
abgebildeten Deckblatt zu entnehmen ist, wurde "vertheidigen" damals
übrigens noch mit "h" geschrieben.
?
Im gleichen Jahr wurde er Assistent am Preußisch-Meteorologischen
Institut in Berlin und mit Gründung des Meteorologisch-Magnetischen
Observatoriums in Potsdam im Jahre 1892 auch dort. Die erste
offizielle Wetterbeobachtung der Säkularstation Potsdam fand am
Neujahrstag des Jahres 1893 statt und wurde von Reinhard Süring
vorgenommen. Das Wort säkular stammt aus dem Lateinischen (saeculum)
und bedeutet Jahrhundert. Die Messreihe in Potsdam ist mit inzwischen
über 130 Jahren eine der ältesten Deutschlands. Fortan war er in der
Region fest verwurzelt.

Nach der Geburt seiner ersten von insgesamt drei Töchtern mit seiner
Ehefrau Olga Elisabeth Wedekind leitete Süring von 1901 an die
Gewitterabteilung des Preußisch-Meteorologischen Instituts. Nun war
der Stand der damaligen Meteorologie natürlich noch fernab
irgendwelcher Modellberechnungen oder Basiskonzepten, wie
beispielsweise auch in dieser Rubrik bereits vorgestellten
"Zutatenmethode". Die Faszination fürs Wetter und insbesondere der
Wolkenphysik (Entstehungs- und Umwandlungsprozesse) hatten es ihm
aber ganz besonders angetan.

Was lag da näher als der Gedanke mithilfe einer bemannten Ballonfahrt
selbst einmal in die Wolkenwelt einzutauchen und Messungen
vorzunehmen, zumal der Kollege Richard Aßmann (Erfinder des
Aspirationspsychrometer) mittels eines unbemannten Registrierballons
jüngst eine erstaunliche Entdeckung machte: Laut seiner Messungen
hörte nämlich die Temperaturabnahme mit zunehmender Höhe in Schichten
zwischen 10 und 13 Kilometer plötzlich auf und kehrte sich gar in
eine Zunahme um, was angezweifelt wurde - sogar von Aßmann selbst.
Also schnappte sich Reinhard Süring am 31. Juli 1901 seinen Kollegen
und im Übrigen zugleich auch engsten Mitarbeiter Aßmanns, Professor
Arthur Berson und stieg mit diesem um 11 Uhr Ortszeit mit dem mit
Wasserstoff gefüllten Ballon "Preußen" vom Tempelhofer Feld aus in
die Luft. In ihrem Bericht über diese denkwürdige Ballonfahrt
schrieben sie:

"...Nach 40 Minuten hatte der Ballon bereits eine Höhe von 5000
Metern erreicht. Erst in dieser Höhe nahm der Ballon seine Kugelform
an. Die Temperatur war um mehr als 30 Grad auf minus 7 Grad gesunken.
Wir fingen bereits zwischen 5 und 6 km Höhe mit der regelmäßigen
Sauerstoffatmung an. Nach etwa dreistündiger Fahrt hatten wir 8000
Meter erstiegen, nach 4 Stunden 9000 Meter. Der Einfluss der nunmehr
unter 1/3 Atmosphärendruck verdünnte und auf minus 32 Grad
abgekühlten Luft machte sich in einer Steigerung der
Schlafbedürfnisse geltend. Die letzte den Druck und die Temperatur
umfassende Beobachtungsreihe wurde in 10225 Metern prompt und völlig
deutlich niedergeschrieben. Bald darauf fielen wir beide in tiefe
Ohnmacht; Berson zog noch unmittelbar vorher mehrfach das Ventil, als
er schon seinen Gefährten (Süring) schlafen sah (Berson und Süring
1901). ..."

Na, neugierig wie's weitergeht? Dann verpassen Sie nicht die in Kürze
erscheinende Fortsetzung.

Dipl.-Met. Robert Hausen

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Offenbach, den 15.05.2024

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