DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

16-11-2016 11:00
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 16.11.2016 um 10.30 UTC



Wechselhaft, bis Wochenbeginn häufig Regen und dabei mild. Zumindest im Norden
und Westen zeitweise sehr windig. Danach Wetterberuhigung und allmählicher
Temperaturrückgang.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 23.11.2016


Am Samstag gelangt Deutschland an die Vorderseite eines auf Westeuropa
übergreifenden Troges. Aus diesem läuft ein kurzwelliger Anteil heraus, der im
Tagesverlauf den Nordwesten erfasst und rasch über Norddeutschland hinweg
ostwärts schwenkt. Im Trogbereich nehmen die Niederschläge einen schauerartigen
Charakter an, besonders im Nordwesten sind kurze Gewitter nicht auszuschließen,
die mit Graupel oder Schneeregen bis in tiefere Lagen und auch mit stürmischen
Böen einhergehen können. Im (westlichen) Bergland und sonst auf höheren
Berggipfeln sowie an der Nordseeküste sind auch abseits der Schauer Sturmböen
möglich. Bedingt durch eine relativ gute Durchmischung bleibt es meist mild.
Ein weiterer Kurzwellentrog folgt bereits in der Nacht zum Sonntag. Dieser hat
bereits über dem nahen Ostatlantik eine Zyklogesese in Gang gesetzt. Das
resultierende Bodentief gelangt in eine entwicklungsgünstige Lage und wird über
den Ärmelkanal hinweg ost-nordostwärts gesteuert und erreicht bis Sonntagabend
die holländische Küste. Hierdurch frischt von Westen her der Wind spürbar auf.
Bis zum Abend sind im Norden, Westen und in den mittleren Gebieten Wind- und in
freien Lagen stürmische Böen zu erwarten. Im Bergland und an der Nordsee treten
Sturmböen auf, exponiert sind schwere Sturm- bis orkanartige Böen nicht
auszuschließen. Nach Osten und Süden hin bleibt der Wind in tieferen Lagen
vergleichsweise schwach.
Mit dieser Tiefentwicklung setzt im Nordwesten und Westen Regen ein;
Warnschwellen werden voraussichtlich nicht erreicht. Allerdings ist die
Entwicklung in Bezug auf dieses Sturmtief noch einigermaßen unsicher.
In der Nacht zum Montag regeneriert sich der Trog über dem nahen Ostallantik. Im
Bodendruckfeld wird dann ein flacher Hochkeil wetterwirksam, was zumindest im
Osten und Süden mit einer Wetterberuhigung einhergeht. Aber auch im Westen und
ausgangs der Nacht in Norddeutschland flaut der Wind merklich ab. Die Bildung
von Nebel und Hochnebel wäre dann wieder wahrscheinlicher.
Am Montag wird durch den unmittelbar vor Westeuropa liegenden Trog erneut eine
Zyklogenese induziert, wobei das resultierende Tief dann deutlich weiter
westlich nach Norden gesteuert wird und bis zum Abend das Seegebiet unmittelbar
vor der Bretagne erreicht. Die Niederschläge, die durch dieses Tief bedingt
sind, erfassen allenfalls den Westen. Zwischen diesem Tief und dem Hoch über
Osteuropa stellt sich eine südliche bis leicht südöstliche bodennahe Strömung
ein.
Am Dienstag und Mittwoch greift der Trog zwar auf die Britischen Inseln und die
Iberische Halbinsel über, tropft dabei allerdings aus, was über Mitteleuropa
eine süd-südwestliche Strömung zur Folge hat. Hierdurch wird oberhalb der
Grundschicht sehr milde Luft (mit Temperaturen, die im 850 hPa-Niveau zum Teil
über 10 Grad liegen) advehiert. Im Bodendruckfeld dreht dann die Strömung,
bedingt durch die Ageostrophie, eher auf Südost. Da sich zusehends eine
schwachgradientige Lage einstellt, treten Grundschichtprozesse vermehrt in den
Vordergrund. Als Ergebnis nimmt die Neigung zu Nebel und Hochnebel wieder
deutlich zu. Tendenziell werden dann, bedingt durch die negative
Strahlungsbilanz, die Temperaturen allmählich zurückgehen. Allenfalls der Westen
wird dann noch von schwachen frontalen Prozessen mit geringen Niederschlägen
gestreift.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum weitet sich das über Osteuropa
liegende Hoch mit einem Keil nach Westen aus, wodurch eine Verbindung zwischen
diesem Hoch und einem Hoch mit Schwerpunkt im Raum Schottland zustande kommt. An
dessen Südflanke entwickelt sich eine östliche bis nordöstliche bodennahe
Strömung, wodurch die Temperaturen zurückgehen dürften. Tagsüber wären dann nur
noch niedrige einstellige Temperaturmaxima zu erwarten. In den Nächten gibt es
dann wieder verbreitet leichten Frost. Allerdings bleibt dabei die
Niederschlagsneigung gering.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Bis einschließlich Samstag ist der aktuelle Lauf gegenüber weiter
zurückliegenden Modellläufen noch einigermaßen konsistent. Danach ergeben sich
signifikante Unterschiede hinsichtlich des Sturmtiefs am Sonntag. Hier zeichnet
der aktuelle Lauf ein doch gegenüber den Vorläufen deutlich abweichendes
Szenario. Zwar wird das Tief schwächer, aber auf einer deutlich weiter südlich
liegenden Zugbahn simuliert, was die Lage keinesfalls entschärft. Gegen eine
heftigere Entwicklung spricht das Vorhandensein einer Doppelstruktur in Form
eines zweiten Tiefs, das in der Nacht zum Montag auf die äußere Biskaya
übergreifen soll und dem Tief, das für die Windentwicklung über Deutschland
relevant ist, Energie entzieht. Der gestrige 00 UTC-Lauf hatte diese
Doppelstruktur deutlich schwächer im Programm.
Das "zweite" Tief entwickelt sich bis Dienstagfrüh zu einem kräftigen Tief und
erreicht die Bretagne, was bei weiter zurückliegenden Modellläufen ebenfalls
nicht zu sehen war. Über Mitteleuropa führt dies jedoch zu keinen anderen
Aussagen.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum blieb bei den beiden
zurückliegenden Modellläufen die bodennahe Strömung auf Südost. Die oben
beschriebene Entwicklung, die auf dem aktuellen Lauf basiert, dürfte ab der
Wochenmitte den einsetzenden Temperaturrückgang etwas beschleunigen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Bis einschließlich Samstag zeigen die vorliegenden Modelle eine weitgehend
ähnliche Entwicklung. Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich bis dahin
keine prognoserelevanten Unterschiede ableiten.
Am Sonntag ergeben sich bzgl. des Sturmtiefs durchaus Unterschiede. ICON zeigt
zwar die kräftigste Entwicklung, positioniert dieses Tief aber am weitesten im
Norden, so dass sich ein ähnlicher Gradient ergibt, wie es die Prognosen des
EZMW zeigen. GFS ist zwischen der Version von ICON und den Vorhersagen des EZMW
anzusiedeln. Das Modell des kanadischen Wetterdienstes zeigt eine Version
zwischen ICON und dem EZMW, wobei wie bei ICON der Kerndruck ebenfalls unter 975
hPa absinkt.
Auch das nachfolgende Tief, das aus der oben beschriebenen Doppelstruktur
resultiert, wird unterschiedlich positioniert. GFS zeigt am Dienstag dieses Tief
am weitesten im Osten, ICON in der westlichsten Position, EZMW liegt dazwischen.

Die nach EZMW erst im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum auf Ost
drehende bodennahe Strömung stellt sich nach GFS und ICON bereits zur
Wochenmitte ein, wodurch der Temperaturrückgang bereits früher einsetzen könnte.

Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum zeigt neben dem EZMW auch GFS
eine bodennahe östliche Komponente. Das kanadische Modell entwickelt eine
Hochbrücke, die sich über Mitteleuropa hinweg nach Osten erstreckt. Demnach wäre
nur der Norden und Nordosten von schwachen frontalen Prozessen beeinflusst.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Das EPS des GFS folgt weitgehend der oben beschriebenen Entwicklung. Hier
zeichnet sich ab der Wochenmitte auch in der unteren Troposphäre (Temperaturen
im 850 hPa-Niveau) ein Temperaturrückgang ab. Auch was die großräumige
Zirkulation betrifft, deutet sich eine Umstellung an. Im Raum Island entwickelt
sich ein blockierendes Hoch, was Indiz für eine zunehmende Meridionalität ist
und den bereits angedeuteten Temperaturrückgang stützt.
Das ENS des EZMW zeigt ein ähnliches Verhalten. Allerdings setzt hier der
Temperaturrückgang etwas verzögert ein (was für die Temperaturen im 850
hPa-Niveau zutrifft, nicht aber für die bodennahen Werte der Fall ist). Dies
wird durch die bodennahen Winde begünstigt, die bereits ab Montag (im Osten
sogar bereits am Sonntag) auf eine östliche Komponente drehen. Allerdings ist
das ENS, was den Rückgang der bodennahen Temperaturen betrifft, eher noch etwas
zaghaft.
Hinsichtlich der Tiefentwicklung am Sonntag wird wahrscheinlich nur der
Nordwesten und Westen vom Sturmfeld dieses Tiefs gestreift. Immerhin zeigen etwa
ein Fünftel der Member eine gefährlichere Entwicklung als der deterministische
Lauf. Auch eine noch weiter südlich verlaufende Zugbahn ist noch nicht vom
Tisch. An der oben beschriebenen Doppelstruktur sollte jedoch kein Zweifel
bestehen. Dies wird von der Mehrzahl der ENS-Member gestützt. Wenn sich auch
eine Orkanlage nicht abzeichnet, so muss doch im Nordwesten und Westen bis in
tiefere Lagen mit stürmische Böen gerechnet werden. An der Nordsee sowie in den
westlichen und nördlichen Mittelgebirgen sind durchaus auch schwere Sturmböen
möglich. In den westlichen Mittelgebirgen (Westeifel) und an der
schleswig-Holsteinischen Nordseeküste lassen sich sogar Signale für orkanartige
Böen finden.
Beim Clustering setzen für den erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum
etwa drei Viertel aller Member auf eine Blockierung im Raum
Island-Schottland-Nordmeer.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Am Samstag sind in Verbindung mit einem durchschwenkenden Kurzwellentrog vor
allem im Nordwesten und Norden kurze Gewitter möglich, wobei die
Wahrscheinlichkeit hierfür in Nordseenähe am höchsten ist. Diese Gewitter können
mit Graupel und bis in tiefere Lagen mit stürmischen Böen einhergehen.
Am Sonntag wird der Nordwesten von dem Sturmfeld des o.g. Tiefs gestreift. Im
Nordwesten und Westen muss daher bis in tiefe Lagen mit stürmischen Böen, an der
Nordsee und im westlichen Bergland sowie in den nördlichen Mittelgebirgen mit
Sturmböen gerechnet werden. In höheren Berglagen kommt es wahrscheinlich zu
schweren Sturmböen, exponiert (schleswig-holsteinische Nordseeküste, höhere
Berggipfel) sind auch orkanartige Böen möglich. Der Höhepunkt der
Windentwicklung ist bei aller Unsicherheit der Entwicklung wahrscheinlich am
Sonntagnachmittag und -abend. Danach flaut der Wind ab. Am Montag sind dann
wahrscheinlich nur noch an Teilen der Nordseeküste stürmische Böen zu erwarten.
Später sollte aber auch dort der Wind zusehends abflauen.
An den Alpen entwickelt sich eine Föhnlage, die bis weit in den Dienstag hinein
andauert. Auf höheren Berggipfeln sind dann teils schwere Sturmböen möglich.
Dabei ist ein Föhndurchbruch bis in die Täler vorstellbar.
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Basis für Mittelfristvorhersage
ENS(EZMW)
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Thomas Schumann