DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
21-03-2024 11:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 21.03.2024 um 10.30 UTC
Anfangs Troglage mit wechselhaftem und kühlem Schauerwetter. Nächste Woche bis
Ostern tendenziell süd-geprägte Wetterlagen, dabei wechselhaft aber nicht
durchweg unfreundlich und überdurchschnittlich temperiert.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 28.03.2024
Fall es jemand noch nicht mitgekriegt haben sollte, seit gestern ist Frühling.
Nicht nur meteorologisch (hier haben wir den Lenz schon vor drei Wochen
eingeführt), auch astromisch bzw. kalendarisch wurde der Winter (der ja genau
genommen keiner war) in den vorübergehenden Ruhestand verabschiedet. Nun sind
Jahreszeiten das eine und die Launen des Wetters das andere. Dabei sollten wir
nie den Fehler begehen, die Rechnung ohne Petrus zu machen, dem Schlawiner. Der
schert sich mitunter einen Teufel um Sommer, Winter, Frühling oder Herbst und
knallt uns am Wochenende erst mal einen grundsoliden Trog mit höhenkalter
Polarluft (T500 am Sonntag unter -30°C, T850 -2 bis -5°C) sowie ein mäßig
ausgeprägtes Sturmtief über der Nordsee vor den Latz. Nicht dass das jetzt der
verspätete große Wintereinbruch wäre, dass sicherlich nicht. Aber angesichts des
zu erwartenden wechselhaften und windigen (an der Nordsee gar stürmischen)
Schauerwetters mit Graupel und kurzen Gewittern, Schnee bis in mittlere Lagen
(auch wenn der dort nicht liegenbleibt) sowie überwiegend einstelligen
Tagestemperaturen dürften wir von Frühlingsfeeling so weit entfernt sein wie die
Bayern von der Deutschen Meisterschaft.
Bereits am Montag zeichnet sich aber schon eine Umstellung ab, wenn nämlich der
Trog gen Osten abzieht und sich das bis dato dominante Bodentief über der Ostsee
fast bis zur Unkenntlichkeit auffüllt. Von Westen her nähert sich ein Rücken,
der quasi das Ergebnis eines downstream-developments darstellt (neuerliche
Austrogung über dem Ostatlantik mit Zyklogenese und vorderseitiger WLA) und bei
uns - wenn auch nicht exorbitant - den Luftdruck steigen lässt. Die
eingeflossene Polarluft lässt sich freilich nicht so mir nichts, dir nicht
auswechseln, weshalb die Temperatur gegenüber Sonntag vor allem diabatisch
getriggert zwar leicht ansteigt, ohne aber die ganz großen Duftmarken zu setzen
- klassischer Übergangstag mit einigen Restschauern im Norden/Osten und meist
trockenen Verhältnissen Richtung Südwesten.
Am Dienstag wandert der Rücken vergleichsweise zügig ostwärts über den
Vorhersageraum hinweg, was auch für das flache und ziemlich unscheinbare
Bodenhoch gilt. Dass wir trotzdem antizyklonal geprägt und sehr wahrscheinlich
trocken über den Tag kommen, verdanken wir zu einem Großteil der Abtropfung des
atlantischen Troges über der Biskaya, der wiederum eine Föhnlage (Südföhn) in
den Alpen zur Folge hat. Dieser kann zwar nicht verhindern, dass Wolkenfelder
auf Deutschland übergreifen. Das Frontensystem des über West- und Südwesteuropa
verweilenden Tiefdrucksystems und die dazugehörigen Niederschläge bleibt
zunächst aber außen vor. Offensichtlich ist der niedertroposphärische
Temperaturanstieg, der einerseits der auf Südost drehenden Grundströmung sowie
dem alpinen Föhn geschuldet ist. Ganz im Süden geht´s hoch auf nahe 10°C auf 850
hPa, während im Norden (dort eher östliche Strömung) die Erwärmung nur spärlich
vonstattengeht (T850 am Abend lediglich um +1°C).
Ab Mittwoch beginn die Föhnlage zu bröckeln, die zyklonalen Annäherungsversuche
nehmen von Westen her zu. Zunächst wohl noch eher zaghaft, am Gründonnerstag
dann nachhaltiger, so zumindest die Lesart des heutigen IFS-Laufs von 00 UTC.
Zwar trogt das Cut-Off-Tief in Richtung westliches, später auch zentrales
Mittelmeer aus. Trotzdem greifen von Frankreich und Benelux her Randtröge auf
Deutschland über und auch das Bodendruckfeld zeigt ganz klar zyklonale Züge. So
schiebt sich zum einen eine Rinne von Westen her zu uns rein, zum anderen bildet
sich auf der Alpennordseite ein föhnbedingtes flaches Tief, das am
Gründonnerstag über die Mitte nach Westpolen zieht. Rückseitig kühlt es nicht
nur vorübergehend ab (T850 nur noch knapp über 0°C), es kommt darüber hinaus von
West nach Ost zu Regenfällen, die durch veritablen Gegenstrom (unten West bis
Nord, oben Südwest bis Süd) generiert werden.
Für den ersten Teil des langen Osterwochenendes zeichnet IFS zunächst eine
zyklonal geprägte Südwestlage (unbeständig, relativ mild, in den Alpen evtl.
erneut föhnig), die am Ostersonntag in SWa (Südwest antizyklonal) mutieren
könnte. Man beachte den Konjunktiv...
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Was den ersten Teil der Mittelfrist angeht, kann dem IFS (ECMF) heute ein gutes
Zeugnis ausgestellt werden. Das wechselhafte und kühle Schauerwetter mit
winterlichen Ingredienzien am Sonntag ist ebenso sicher wie der direkt
anschließende Übergang zu leichtem Hochdruckeinfluss mit rasch ansteigender
Temperatur und Föhn in den Alpen. Je näher wir uns dann ab Wochenmitte dem
Osterfest nähern (geht ja Karfreitag schon los), desto unsicherer wird die
Vorhersage. Vor allem hinsichtlich der Details lässt die Konsistenz doch sehr zu
wünschen übrig. Unter dem Strich zeichnet sich aber ein unbeständiger,
tendenziell eher milder Wetterabschnitt ab. Ob dieser über die ganzen Feiertage
bis Ostermontag andauert, steht derzeit noch in den Sternen.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen
Scannt man die an dieser Stelle für gewöhnlich auf dem Prüfstand stehenden
Modelle durch (namentlich ICON, GFS, GEM und UK10), offenbaren sich zunächst
sehr ähnliche Muster. Mit zunehmendem Prognosehorizont werden die Differenzen
größer. Das Ganze lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass jedes Modell seine
eigene Vorstellung hat, wie der unstrittige leichte Hochdruckeinfluss und die
nicht minder unstrittige Föhnlage zu Wochenbeginn getilgt werden. Dass sie
getilgt werden, scheint ebenfalls unstrittig, aber das Wie ist noch fraglich.
Von daher verwundert es nicht, dass derzeit noch die unterschiedlichsten
Szenarien hinsichtlich Timings, räumlicher Verteilung und Intensität der
zyklonalen Übergriffe inkl. der damit einhergehenden Niederschlagsprozesse im
Raum stehen. Immerhin spricht einiges dafür, dass thermisch auf relativ milder
Schiene agiert wird.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen
Sowohl der Potenzial- als auch der Temperaturverlauf in den IFS-EPS-Rauchfahnen
verschiedener deutscher Städte ist relativ eindeutig: erst das markante Tal am
Sonntag, dann Anstieg am Montag, danach Seitwärtsbewegung bei zunehmender
Streuung (und üblichen Schwingungen bei der Temperatur), zum Ende hin (also
Ostern) nochmals leichter Anstieg. Dazu zeigt sich am Dienstag ein deutliches
Niederschlagsminimum, bevor danach ein unruhiges Grundrauschen einsetzt. Passt
alles ins Weltbild des vom Hauptlauf vorgeschlagenen Szenarios einschließlich
der schon formulierten Detailunschärfe ab Dienstag/Mittwoch.
Die Clusterung wartet für das erste Zeitintervall (T+72...96h, Sonntag/Montag) mit
drei Clustern auf, die sich über Mitteleuropa augenscheinlich nicht
unterscheiden und alle den o.e. Trog im Angebot haben. Ab Dienstag (T+120...168h)
erhöht sich die Anzahl der Cluster auf vier, wobei durchweg das klimatologische
Regime "NAO negativ" bedient wird. Wie fast zu erwarten, ist es das zyklonale
Geschehen über West- und Südwesteuropa (Abtropfung, Geometrie des Troges etc.),
das jeweils etwas anders simuliert wird mit Folgen auch für unseren Raum. Die
Verteilung von 17, 13, 12 und 9 Fällen zeigt aber, dass kein klarer Favorit am
Start ist, der hier besonders unter die Lupe zu nehmen wäre. Vielmehr wird die
Aussage untermauert, dass die Zyklonalität zunimmt, in welcher Form auch immer.
Interessant wird es in der erweiterten Mittelfrist (T+192...240h, Karfreitag bis
Ostersonntag), wenn die Anzahl der Cluster auf zwei runtergedampft wird. Beide
Muster zeigen Deutschland auf der Vorderseite eines umfangreichen Höhentrogs
respektive -tiefs über dem nahen Atlantik und Südwesteuropa, die mit einem
knackigen Bodentief bei Irland (32 Fälle) oder knapp westlich der Biskaya (19
Fälle + HL) korrespondieren. Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich in
den Alpen abermals eine satte Südföhnlage einstellt. Für unser Osterwetter
könnte das leicht wechselhaftes, aber nicht durchweg unfreundliches Wetter bei
überdurchschnittlichen Temperaturen zur Folge haben. Das gerne mal zitierte
Ostereiersuchen im Schnee würde demnach ausfallen.
FAZIT: Der Beginn der Mittelfrist kann als eingetütet betrachtet werden (Sonntag
kühle Troglage, danach leichter Hochdruckeinfluss und milder). Etwa ab Mittwoch
divergieren die Vorhersagen (deterministisch und probabilistisch), wobei der
Trend in Richtung unbeständig, aber recht mild geht. Ob das am Ende auch für die
Osterfeiertage gilt, bleibt noch etwas abzuwarten. Es spricht einiges dafür,
dass sich zu Ostern erneut eine Südföhnlage in den Alpen einstellt mit
überdurchschnittlichen Temperaturen in Deutschland bei leicht wechselhaften
Wetterverhältnissen.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Das Scoreboard für signifikante Wettererscheinungen im Laufe der Mittelfrist ist
eher unterdurchschnittlich belegt. Am "aufregendsten" präsentiert sich noch der
kommende Sonntag, wenn der Höhentrog bräsig über Deutschland hinwegschwenkt und
gleichzeitig ein kleines Sturmtief von der Nord- zur Ostsee zieht. Dabei kann
Folgendes passieren:
WIND/STURM:
Insbesondere an der Nordsee sowie im höheren Bergland ist die Wahrscheinlichkeit
für stürmische Böen und Sturmböen 8-9 Bft aus West bis Nordwest erhöht. Möglich,
dass Deutschlands Windhügel #1 (der Brocken) sogar mit einzelnen schweren
Sturmböen 10 Bft aufwartet. Im Tiefland muss in Verbindung mit kräftigen
(Graupel)Schauern oder kurzen Gewittern mit der einen oder anderen 8er-Böe
gerechnet werden.
Am Montag flaut der Wind merklich ab, bevor sich am Dienstag in den Alpen wieder
mal eine Südföhnlage einstellt. Auf Gipfeln und "günstig" exponierten Kämmen
können bis zu schwere Sturmböen 10 Bft auftreten, in anfälligen Tälern dürfte es
aus heutiger Sicht bei maximal Böen 8 Bft bleiben.
GEWITTER:
Am Sonntag einzelne klassische Kaltluftgewitter mit Graupel und stürmischen Böen
8 Bft.
SCHNEE:
Am Sonntag Schneeschauer teils bis in mittlere Lagen des Berglands, wo die
"weiße Pracht" aber nicht oder nur sehr kurz liegenbleibt. Oberhalb 600 bis 800
m aber durchaus einige Zentimeter Neuschnee möglich, dessen Lebensdauer aufgrund
der weiteren Entwicklung letztlich aber auch nur sehr schmal angesetzt ist.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann