Thema des Tages
07-03-2024 14:50
Wissenschaft kompakt
Temperatur ist nix, Taupunkt ist alles
Oft unterschätzt, aber vielseitig anwendbar: der Taupunkt. Erfahren
Sie im Folgenden für welche Vorhersageparameter sich ein spezieller
Blick auf das Feuchtemaß immer lohnt.
Wasserdampf spielt in der Meteorologie eine entscheidende Rolle. Der
gasförmige Aggregatzustand des Wassers ist trotz seiner getarnten
Erscheinungsform als unsichtbares und geruchsloses Gas ein
omnipräsenter Bestandteil der Troposphäre. So lautet der Fachbegriff
für die unterste Schicht der Erdatmosphäre, die in Abhängigkeit von
der Temperatur eine Mächtigkeit von etwa acht Kilometern an den Polen
und bis rund 17 Kilometern am Äquator erreicht. Dort spielen sich
nahezu alle wetterrelevanten Vorgänge wie beispielsweise
Wolkenbildung und Niederschlagsprozesse ab.
Im heutigen Thema des Tages soll es aber insbesondere um den
Wasserdampfgehalt in bodennahen Luftschichten gehen. In der
Wettervorhersage hat sich diesbezüglich der sogenannte Taupunkt am
meisten bewährt. Er definiert die Temperatur, auf die ein
ungesättigtes Luftpaket über einer ebenen, chemisch reinen
Wasserfläche abgekühlt werden muss, um zur Sättigung zu gelangen. Im
Sättigungszustand beträgt die relative Luftfeuchte 100 Prozent,
folglich sind Taupunkt und Temperatur dann gleich. Im Falle einer
Übersättigung ist die Luft nicht mehr in der Lage zusätzliche Feuchte
aufzunehmen, womit sich der überschüssige Wasserdampf in Form von
Dunst und Nebel bemerkbar machen würde. Da konform der
Weltorganisation für Meteorologie (WMO) die Temperatur standardmäßig
in zwei Metern Höhe gemessen wird, liefert die Feuchtemessung im
gleichen Niveau den dazugehörigen Taupunkt. Die Differenz wird als
sogenannter "Spread" (engl.: Spanne) bezeichnet. Jahreszeitentypische
Werte für Temperatur und Taupunkt geben zudem Charakteristika der
entsprechend beteiligten Luftmasse wider.
Der Taupunkt kommt nun in der täglichen Praxis bei verschiedensten
Vorhersageparametern zum Einsatz.
1.) Nebel
Da - wie bereits im oberen Abschnitt erwähnt - Nebel eine
Übersättigung der Luft darstellt, ist die Zuhilfenahme des Taupunkts
für die Nebelvorhersage essentiell. Ist beispielsweise in den
Nachtstunden mit Auflockerungen und schwachem Wind zu rechnen und war
der Spread in den Abendstunden ohnehin schon gering, so ist die
Nebelwahrscheinlichkeit erhöht.
Oder streicht in einem anderen Fall eine feucht-warme Luftmasse mit
hohen Taupunkten über kalte Gewässer, bei denen die Wassertemperatur
unterhalb des Taupunkts liegt , wird die Luft in den oberflächennahen
Schichten rasch abgekühlt, so dass Übersättigung und damit
Nebelbildung einsetzt. Bei Süd- oder Südwestlagen ist dieses
Naturschauspiel des Seenebels hierzulande oft im Frühjahr über der
Nord- und Ostsee zu bestaunen.
2.) Minimumtemperatur
Bei Lagen ohne Luftmassenwechsel liefert der Taupunkt in den
Abendstunden allgemeinhin einen guten Richtwert für die zu erwartende
Tiefsttemperatur. Bewegt er sich sehr nahe an der gemessenen
Temperatur (Spread nahe null), ist kaum mit einer signifikanten
Abkühlung in den Nachtstunden zu rechnen. Ist die Differenz im
umgekehrten Fall sehr groß, setzt meist schon mit dem Sonnenuntergang
eine rasche Temperaturabnahme ein.
3.) Niederschlagsphase
Auch Aussagen bezüglich Fragestellungen wie: "Fällt Schnee und wenn
ja, bleibt er auch liegen?" können mit Hilfe des Taupunkts
abgeschätzt werden. Beträgt der Mittelwert von Temperatur und
Taupunkt (entspricht näherungsweise der sogenannten
"Feuchttemperatur") kleiner zwei Grad, so ist das Auftreten von
Schneefall in der Regel wahrscheinlich, bei null Grad oder weniger
bleibt der Schnee bei negativen Belagstemperaturen auch liegen.
Ist es in höheren Luftschichten allerdings deutlich milder (Stichwort
"warme Nase"), nützten selbst negative Taupunkte nix und es fällt
(gefrierender) Regen. Sinkt der Taupunkt allerdings deutlich unter -5
Grad und reicht die Kaltluftschicht mit negativen Temperaturen vom
Boden bis mindestens 750 m über Grund hinauf, so gefriert der Regen
nicht erst am Boden, sondern bereits davor und es fallen
hauptsächlich Eiskörner.
4.) Gewitter/Schwüle
In unserer Rubrik wurde ja schon mehrfach auf die bekannte
Zutatenmethode eingegangen, die letztlich alle Faktoren einer
Gewittervorhersage berücksichtigt. Unter dem Punkte "ausreichende
bodennahe Feuchtigkeit" lässt sich auch für den Taupunkt grob
folgende Faustregel aufführen: Auf sommerliche Gewitter bezogen, kann
man sagen, dass ab etwa 10 Grad Taupunkt erste Gewitter möglich, ab
15 Grad schon recht wahrscheinlich sind. Immer vorausgesetzt, dass
auch alles anderen Faktoren gewitterfördernd sind. Erreicht oder
überschreitet der Taupunkt sogar großflächig die 20 Grad Marke, so
ist die Luftmasse dermaßen schwül und energiegeladen, dass Gewitter
oder zumindest kräftige Starkregenfälle fast schon sicher eingeplant
werden können.
5.) Wolkenuntergrenze
Gerade in der Flugmeteorologie ist die Kenntnis der Faustformel nach
Henning elementar. Sie besagt, dass der Spread multipliziert mit 125
näherungsweise die Untergrenze von Quellwolken in Metern ergibt.
Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das natürlich auch, dass bei
entsprechend großem Spread - also geringer bodennaher Luftfeuchte -
keinerlei tiefe Wolken mehr vorkommen können. Diese sind definiert in
Höhen vom Erdboden bis 2 Kilometern. Näherungsweise könnte man somit
festhalten, dass bei Differenzen von Temperatur zu Taupunkt von
Werten größer als 16 Grad Celsius (meteorologisch korrekt wegen einer
Differenzbildung eigentlich als "Kelvin" bezeichnet), keine tiefen
Wolken mehr vorkommen. Ausnahme bilden die Hochsommermonate, wo im
Tagesverlauf entstehende Quellwolken (Cumulus humilis), die
eigentlich zur Gattung der tiefen Wolken gehören, mit Untergrenzen
bis an die 3000 Meter vorkommen können und damit eigentlich in das
Stockwerk der mittelhohen Wolken hineinragen.
Die genannten Punkte kann man sich nun (zumindest teilweise) auch
anhand der aktuellen Wetterlage zunutze machen. Dabei fließt am Rande
des umfangreichen Hochs über Skandinavien zunehmend trockenere Luft
aus Osten ein. Der Taupunkt über Polen geht derzeit auf Werte um -5
Grad zurück, der Spread erreicht 10 Grad (also liegt die Temperatur
bei +5 Grad). Dies hat Wolkenauflösung, nach Punkt 2) allerdings auch
erhöhte Frostwahrscheinlichkeit in den nächsten Nächten zur Folge.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.03.2024
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