Thema des Tages
01-03-2024 13:20
Wissenschaft kompakt
"Es riecht nach Regen"
Jeder kennt ihn, den "Duft nach Regen", wenn nach längerer
Trockenheit die ersten Regentropfen auf den Boden fallen. Aber wie
entsteht dieser unverkennbare Geruch?
Kaum fallen die ersten Regentropfen auf den Boden, schon hat man ihn
in der Nase - den erdig-frischen und leicht feuchten "Duft des
Regens". Jeder kennt diesen "Regenduft" und die meisten empfinden
diesen Geruch als angenehm. Aber was riecht man da eigentlich?
Regentropfen bestehen ja aus Wasser, also H2O, und das ist
bekanntlich geruchlos. Im heutigen Tagesthema gehen wir dieser Frage
auf den Grund.
Anscheinend haben sich schon vor vielen Jahrzehnten die Leute genau
diese Frage gestellt. Im Jahre 1964 veröffentlichten nämlich die
beiden australischen Wissenschaftler I.J. Bear und R.G. Thomas im
auch heute noch angesehenen Wissenschaftsmagazin "Nature" einen
Artikel, in dem sie dem unverkennbaren Geruch den Namen "Petrichor"
gaben. Dieser Name leitet sich von den beiden griechischen Wörtern
"petros" (dt.: Stein) und "ichor" (dt.: Flüssigkeit in den Adern der
griechischen Götter) ab.
In dieser Studie haben die beiden Forscher einen wesentlichen
Bestandteil des Regengeruchs identifizieren können. Sie fanden
heraus, dass Pflanzen während Trockenphasen ein gelbliches Öl
produzieren und absondern. Dieses ätherische Öl wird von Böden und
Gesteinen (daher der Namensbestandteil "petros") absorbiert, also
auch von Gehwegen und Straßen. Neuere Studien haben ergeben, dass
noch ein weiterer Stoff für den Geruch verantwortlich ist. Die Rede
ist von einem Alkohol namens Geosmin, der von Bakterien im Erdboden
produziert wird. Diese Mikroorganismen fahren bei Hitze und
Trockenheit ihren Stoffwechsel auf das Nötigste herunter. Sobald die
Bakterien mit Wasser in Kontakt kommen, werden sie wieder aktiv und
geben unter anderem das flüchtige und stark riechende Geosmin ab.
Manchmal genügt schon Tau an einem kühlen Frühlingsmorgen, um die
Bakterien zu aktivieren. Zusammen mit dem ätherischen Öl der Pflanzen
und Staub auf Steinen entsteht so das bekannte erdige und frische
Aroma des Petrichor.
Im Jahre 2015 fanden Forscher des "Massachusetts Institute of
Technology" mittels Hochgeschwindigkeitskameras einen weiteren
wichtigen Effekt heraus, der den intensiven Geruch erklärt. Wenn die
Regentropfen auf den staubigen Boden treffen, bilden sich kleine
Luftbläschen, in denen die winzigen Geruchspartikel eingeschlossen
sind. Diese Bläschen platzen allerdings rasch auf und bereits ein
schwacher Luftzug oder Luftverwirbelungen genügen, um das Aroma in
der Luft zu verbreiten. Der gleiche Effekt verursacht übrigens auch
den intensiven Geruch beim Öffnen von Sekt- oder
Erfrischungsgetränkeflaschen, da die aufsteigende Kohlensäure
aufplatzt und so der Duft der Getränke verbreitet wird.
Wie intensiv der Petrichor ist, hängt von der Porosität und
Feuchtigkeit des Bodens ab. Besitzt der Boden viele Hohlräume und ist
sehr trocken, ist das förderlich für ein starkes Regenaroma. Beste
Voraussetzung bildet leichter Regen, der auf einen feinporigen und
staubtrockenen Boden fällt, aus dem sich zahlreiche Partikel lösen
können. Deshalb riecht man den Regen meist nach längeren
Trockenperioden oder im Sommer bei Gewittern, wenn die Hitze den
Erdboden zuvor stark ausgetrocknet hat. Neben Lehmböden sind
Waldböden gute Quellen für einen intensiven Duft, da sich in diesen
Bodenarten genügend Hohlräume befinden, aus denen die Luftblasen
heraussteigen können. Regnet es hingegen sehr stark oder
langanhaltend, dann ist der Boden schnell durchnässt und eine
Wasserschicht legt sich über den Boden, durch die keine Luftbläschen
mehr emporsteigen können - der Regenduft versiegt bzw. tritt erst gar
nicht auf.
Manchmal riecht man den Petrichor schon einige Zeit vor Eintreffen
des Regens und bisweilen bleibt der Regen auch gänzlich aus. Nähert
sich beispielsweise im Sommer eine Gewitterlinie, dann frischt oft
schon einige Zeit im Voraus aus Richtung der aufziehenden Gewitter
der Wind böig auf und die Luft kühlt ab. Man bekommt den kalten
Ausfluss der Gewitterlinie zu spüren, der den Regengeruch mit sich
führt und mitunter auch in Regionen transportiert, die vom Regen gar
nichts abbekommen. Man riecht also förmlich den Regen aus der Ferne.
Zum Abschluss noch eine kleine Kuriosität: Da die meisten Leute den
Regenduft als angenehm empfinden, kann man Petrichor sogar als Duftöl
für den Einsatz in Kerzen, als Badekugeln oder als Zugabe in
Luftbefeuchtern kaufen. Selbst Eau de Parfums imitieren diesen Duft.
Manch ein Regen- oder Naturliebhaber würde sich als Geschenk
vielleicht über eines dieser doch sehr ausgefallenen Produkte freuen.
Dr. rer. nat. Markus Übel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 01.03.2024
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