Thema des Tages
07-01-2024 12:50
Wissenschaft kompakt
Der Alpenraum im Fokus
Die nationalen Wetterdienste der DACH-Region würdigen den sensiblen
Naturraum der Alpen mit eigens dafür angefertigten, saisonalen
Klimaberichten.
Vor wenigen Wochen erschien bereits der dritte Bericht zum Alpenklima
(Sommerhalbjahr 2023: Klimazustand in den Zentral- und Ostalpen), der
von den drei nationalen Wetterdiensten Bundesamt für Meteorologie und
Klimatologie MeteoSchweiz, Geosphere Austria und dem Deutschen
Wetterdienst gemeinsam und regelmäßig herausgegeben wird. Der
Alpenraum als hochsensibles Gebiet ist ganz besonders von
verändernden Klimabedingungen betroffen, die dort auch zunehmend
sichtbar werden. Nicht nur die Gletscher verlieren beständig an
Masse, sondern auch höhere Durchschnitttemperaturen mit längeren
heißen Phasen und teils katastrophale Starkregenereignisse machen
sich im Leben der dortigen Bevölkerung bemerkbar. Da diese
Veränderungen nicht an den Landesgrenzen Halt machen und den gesamten
Alpenraum betreffen, ist es umso wichtiger grenzübergreifende
Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Klimaentwicklung in den
einzelnen Ländern wird so genau beobachtet und in einen größeren
Kontext gestellt, um diesen wertvollen Natur-, Lebens- und
Wirtschaftsraum vor den Auswirkungen des Klimawandels besser schützen
zu können.
Der Bericht zum vergangenen Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober 2023)
zeigt eindrücklich drei verschiedene, teils einschneidende
Wetterereignisse: extreme Niederschläge im August, erneut viele neue
Temperaturrekorde und eine lange herbstliche Wärmeperiode zum
Abschluss sowie die Messung einer neuen Rekordhöhe der
Nullgradgrenze. Anfang August 2023 fielen in Südösterreich und den
angrenzenden Gebieten in Italien und Slowenien Rekordniederschläge.
Das ursächliche Italientief (ZACHARIAS) sorgte über mehrere Tage
hinweg für die Heranführung von feuchtwarmen Luftmassen, die
unweigerlich in einem regionalen Hochwasserereignis mündeten.
Beispielsweise regnet es am Loibl (Grenzgebiet zwischen Kärnten und
Slowenien) 266 l/qm in 48 Stunden, in Ferlach (Kärnten) 213 l/qm im
selben Zeitraum (zur Einordnung: die Warnschwelle des Deutschen
Wetterdienstes für extrem ergiebigen Dauerregen liegt bei 90 l/qm in
48 Stunden). Statistisch treten solche Niederschlagsmengen seltener
als einmal in 100 Jahren auf. Zum Ende des Monats brachte schließlich
ein weiteres Italientief (ERWIN) auch in manchen anderen Regionen des
Berichtsgebiets Starkniederschläge, teilweise erneut mit
Jährlichkeiten von über 100 Jahren. Überflutungen, Erdrutsche und
Schäden an der Infrastruktur waren vor allem in der Schweiz und
Westösterreich die Folge.
Die erste Hitzewelle des Sommers 2023 wurde im Juli verzeichnet. Auf
der Vorderseite eines Langwellentroges (siehe Wetter- und
Klimalexikon des DWD) über Nordwesteuropa wurde extrem warme Luft aus
Nordafrika in den Alpenraum geführt. Die Temperaturen am 3109 m hohen
Sonnblick Observatorium (Österreich) knackten zum fünften Mal seit
Messbeginn 1886 die 15 °C-Marke (am 11. Juli 2023 mit 15,7 °C ein
neuer Temperaturrekord). Eine weitere längere Hitzewelle während der
zweiten Augusthälfte war auch in den mittleren und oberen
Troposphärenschichten durch ungewöhnlich hohen Temperaturen
charakterisiert. In der Nacht vom 20. auf den 21. August 2023
erreichte die Nullgradgrenze in der freien Atmosphäre über der
Schweiz die Rekordhöhe von 5298 m. Der bisherige Rekord von 5184 m
vom 25. Juli 2022 wurde damit bereits im Folgejahr deutlich
übertroffen. In Oberschleißheim liegt 2023 ebenfalls ein neuer
Augustrekord vor (5064 m am 21. August), bis dahin wurden
Nullgradgrenzen über 5000 m nur im Juni und Juli erreicht. Seit 1959
ist die Nullgradgrenze in Payerne (Schweiz) um gut 90 m pro Dekade
gestiegen mit Auswirkungen unter anderem auf Wasserversorgung und
Biodiversität.
Das Ende des Sommerhalbjahres wurde schließlich durch eine lange
Wärmeperiode geprägt. Der September war mit Abstand der wärmste seit
Aufzeichnungsbeginn, das Temperaturmittel an der Zugspitze lag 5,5 °C
über dem vieljährigen Septembermittel und 1,3 °C über dem bisherigen
Rekord aus dem Jahre 2006. Der Oktober rangierte lokal unter den Top
3. Die prägenden Wetterereignisse im Sommerhalbjahr 2022 und im
Winter 2022/23 können in den ebenfalls verfügbaren Berichten zum
Alpenklima eingesehen werden. Unterstützt durch viele Abbildungen und
Tabellen sowie näheren Erläuterungen kann man in die Welt der alpinen
Klimatologie richtig eintauchen. Schauen Sie bei Interesse einfach
mal rein.
Hinweis: Dieses Thema des Tages basiert auf der Pressemitteilung vom
12. Dezember 2023 und den bisher erschienenen Bulletins "Alpenklima"
(siehe Links). Kontakte zu den verschiedenen Autorinnen und Autoren
sind aus den Berichten zu entnehmen.
(Die Bilder zum heutigen Thema des Tages finden Sie wie immer im
Internet unter www.dwd.de/tagesthema.)
Mag.rer.nat. Florian Bilgeri
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 07.01.2024
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