Thema des Tages

06-01-2024 15:20


Wissenschaft kompakt
Das Niederschlagsradar

Wie erkennen wir, wann es anfängt zu regnen? In der heutigen
Kurzfristvorhersage ist das Niederschlagsradar neben Wettermodellen
unverzichtbar. In diesem Beitrag wollen wir das Funktionsprinzip
dieses Radars und seine vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten
beleuchten.

RADAR ist die Abkürzung für RAdio Detection And Ranging, auf Deutsch
"funkgestützte Ortung und Abstandsmessung". Ursprünglich wurde Radar
ausschließlich für militärische Zwecke genutzt und fand im Zweiten
Weltkrieg erstmals breite Anwendung zur Ortung von Schiffen und
Flugzeugen. Dabei wurde die Entdeckung von Heinrich Hertz aus dem
Jahr 1886 genutzt, der herausfand, dass metallische Gegenstände
elektromagnetische Wellen reflektieren. Während des Zweiten
Weltkriegs wurde entdeckt, dass auch Niederschlag Signale im Radar
erzeugt. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigten sich
Wissenschaftler damit, diese Niederschlagssignale herauszufiltern und
spezielle Radarsysteme für die Niederschlagsdetektion zu entwickeln.

Das Funktionsprinzip des Niederschlagsradars ist relativ einfach. Ein
Sender sendet gepulste Mikrowellen aus, deren Wellenlänge so gewählt
ist, dass sie an Niederschlagspartikeln wie Regentropfen,
Schneeflocken, Graupel und Hagel reflektiert und zum Radar
zurückgestreut werden. Anschließend wird das zurückgestreute Signal,
das nur einen Bruchteil der Energie des gesendeten Signals hat, am
Radar mithilfe einer Antenne empfangen und gemessen. Aus der
Antennenposition und der Laufzeit des Signals ergibt sich die
Position der reflektierenden Hydrometeore. Die Geschwindigkeit der
Mikrowellen wird dabei unter Berücksichtigung des Brechungsindex der
Luft korrigiert.

Die Radarbilder des Deutschen Wetterdiensts, die von 17
Radarmessstationen frei zugänglich und auf diversen Wetterseiten zu
sehen sind, zeigen die entfernungskorrigierte Intensität des
zurückgestreuten Signals, gemessen in Dezibel (dBZ). Die Skala ist
logarithmisch, das heißt 2 dBZ sind die 10-fache Intensität wie 1
dBZ. Doch wie lässt sich das interpretieren: Das Beispielbild zeigt
eine sommerliche Gewitterlage. Die Farbskala ist an die Skala in der
Warnwetter-App angelehnt. Hellblaue Werte (1 bis 15 dB) zeigen
zumeist leichten Sprühregen oder nur ein paar Tropfen Regen. Unter
Grün (~15 - 30 dB) kann man sich einen leichten bis mäßigen Landregen
vorstellen, der bei Gelb (ab 30 dB) schon in kräftigere Intensität
übergeht. In diesem Fallbeispiel sieht man dies an den kräftigeren
Schauern zwischen Alb und Allgäu. Interessant wird es, wenn die Farbe
ins Rot geht. Dies bedeutet Reflektivitäten von über 45 dBZ, die fast
nur in Schauern und Gewittern erreicht werden. Ab da nimmt das
Starkregenpotenzial deutlich zu. Am auffälligsten ist dies in diesem
Beispiel im Gewitterkomplex über Südbayern der Fall. An seiner
Südostseite geht die Reflexivität ins ?Blaue? (> 55 dBZ), dies ist
meist bei Hagel der Fall. Dieser blaue Bereich war in diesem Fall
einem größeren Hagelunwetter zuzuordnen. Die Schauer und Gewitter in
Mittel- und Norddeutschland sind weniger heftig. Die Fläche mit roten
und blauen Reflektivitäten ist dort viel kleiner.

Um die Niederschlagsintensität zu messen, erfolgt eine Umrechnung des
empfangenen Signals in l/m² pro Stunde. Diese Umrechnung erfolgt
durch Z-R-Beziehungen, wobei Z für die Reflektivität des Signals
(dBZ) und R für die Regenrate (l/m² pro Stunde) steht. Diese
Beziehungen wurden durch langjährige Messung empirisch gewonnen, ist
aber besonders in Gewittern, die Hagel enthalten, auch zu einem
gewissen Maße ungenau. Um die Genauigkeit zu erhöhen, werden die aus
dem Radar gemessenen Niederschlagsraten mit Stationsmeldungen
verglichen und entsprechend kalibriert. So lässt sich relativ gut die
Niederschlagsmenge flächendeckend bestimmen.

Niederschlagsradare bieten jedoch noch weitere Möglichkeiten. Die
Radarbilder können zeitlich animiert werden, um die Verlagerung des
Niederschlags und die Zugrichtung von Gewittern abzuschätzen.
Mithilfe des mathematischen Verfahrens des "optischen Flusses" kann
diese Bewegung sogar in die Zukunft projiziert werden, was genaue
Vorhersagen von 15 Minuten bis zu einer Stunde ermöglicht. Der
Deutsche Wetterdienst betreibt sogenannte dual-polarimetrische
Radare. Diese können darüber hinaus über den Dopplereffekt sogar die
Windgeschwindigkeit messen, den Wasser- und Eisgehalt einer Wolke
bestimmen und aus der Depolarisation sogar Aussagen über die Art des
Niederschlags treffen. So kann man unterscheiden, ob eine Wolke
Hagel, große oder kleine Tropfen, Graupel oder Schnee enthält.
Mittels der vertikalen Temperaturschichtung und Temperaturmessungen
an Wetterstationen und Glättemeldeanalgen lässt sich dann ableiten,
ob der Niederschlag als Regen oder Schnee am Boden ankommt.


Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 06.01.2024

Copyright (c) Deutscher Wetterdienst