DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

07-12-2023 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 07.12.2023 um 10.30 UTC



Atlantische Dominanz - unbeständig und mild mit häufigen Regenfällen und
Tauwetter bis hin zu Hochwasser.
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 14.12.2023


Es hätte - und hier spricht bzw. schreibt der Verfasser für alle, die es mit
richtigem! Winterwetter halten - so schön werden können. Pünktlich zum
meteorologischen Winteranfang hat es im Süden geschneit, als gäbe es kein morgen
mehr. Aber auch sonst hat der Winter fette Duftmarken in Form von Schneefällen
und tiefen Temperaturen gesetzt, auch wenn - das muss man zugeben - ein paar
unangenehme Dinge (man denke an das Glatteis zu Beginn der Woche) mit dabei
waren. Aber wie heißt es so unschön in internen Fachkreisen, "der Atlantik siegt
immer" und so hat bereits in den vergangenen Tagen die mittlerweile schon als
klassisch zu bezeichnende Milderung eingesetzt, die sich mittelfristig fortsetzt
und sogar noch steigert - mit wenig angenehmen Folgeerscheinungen, wie später
noch zu lesen sein wird. Doch der Reihe nach.

Am kommenden Sonntag, dem 2. Advent und seines Zeichens offizieller
Eröffnungstag des mittelfristigen Prognosezeitraums, verläuft die glatt
konturierte Frontalzone über weite Teile des Ostatlantiks knapp südlich an
UK/Irland vorbei bis nach Frankreich, wo sie auffächert und in Richtung
westliches Mittelmeer abknickt. Dadurch kann ein flacher Rücken auf Deutschland
zulaufen, dem aber ein vor allem in Norddeutschland ausgeprägter Randtrog
vorgeschaltet ist. Dieser wiederum - und damit wären wir bei der
Bodendruckverteilung angelangt - korrespondiert mit einem kleinen Randtief,
welches von Schottland kommend zur Nordsee zieht, wo es aber nicht recht
weiterkommt und beginnt sich aufzufüllen. Das kleine Tief markiert übrigens den
östlichen Rand einer ganzen Kaskade von Tiefdruckgebieten, die sich auf der
kalten Seite in Reih´ und Glied auf dem Atlantik aufgestellt haben und auf ihren
Einsatz warten. Nun, angesichts einer solch wuchtigen Armada an zyklonaler Power
verwundert es nicht, dass die Tiefs sich wenig bis gar nicht um das fette
Sibirienhoch scheren, das mit 1050 hPa reich genährt ist und bis Dienstag sogar
noch einige Pfunde zulegt, was in diesen vorweihnachtlichen Zeiten menschlich
ist (etwas über 1060 hPa im Zentrum). Das Hoch liegt erstens zu weit weg und
verfügt zweitens über keine Unterstützung nach Westen hin (z.B. in Form eines
anständigen Keils), als dass es eine nennenswerte Blockadewirkung entfachen
könnte. Kurzum, mit südwestlicher Grundströmung wird eine milde Atlantikluft
advehiert, in der T850 bis zum Datumswechsel auf 0 bis +4°C steigt.

Zu Beginn der neuen Woche setzt sich dieser Trend fort. Die Frontalzone weitet
sich nach Osten aus und verschiebt sich dabei etwas nach Norden, so dass sie nun
auch auf Deutschland übergreift. Nördlich davon zieht das nächste Tief von
Schottland zur Nordsee, an dessen Südflanke die Advektion milder Atlantikluft
(mSp) andauert. Zwar steigt T850 gegenüber Sonntag gar nicht mehr so stark an
(um 24 UTC um 0°C an den Küsten bis zu +6°C am Hochrhein), es reicht aber, um
bei solider Durchmischung die 2m-Temperatur in weiten Teilen des Landes
(Ausnahme Nordosten und Südosten) in den zweistelligen Bereich zwischen 10 und
14°C zu prügeln. Hinzu kommt der unglückliche Umstand, dass sich im Süden eine
sogenannte Schleifzone einstellt, an der es zu andauernden und gebietsweise
recht kräftigen Niederschlägen (an den Alpen, im südlichen Vorland sowie im
Süden BaWüs sind aus heutiger Sicht mehr als 30 l/m² innert 24 h drin) kommt.
Diese fallen überwiegend als Regen, die Schneefallgrenze steigt auf 2000 m oder
noch etwas darüber. Regen, hohe Plusgrade, dazu noch etwas Wind - eine Rezeptur,
die eine vorhandene Schneedecke gebrauchen kann wie Fußpilz. Tauwetter heißt das
Stichwort, starkes Tauwetter, um genau zu sein. Zwar ist die Schneedecke bis
dahin gegenüber heute weiter geschrumpft, doch wird am Montag noch ausreichend
liegen, um ein Überangebot an abflussrelevantem Wasser (sogenanntes
Niederschlagsdargebot) zu generieren. Gar nicht gut für die Flüsse, die
steigende Pegel und Hochwasser zu erwarten haben, was heute schon von
einschlägigen Vorhersagetools wie z.B. EFAS angezeigt wird. Vor allem die Donau,
bedingt aber auch der Rhein nebst Einzugsgebieten dürften betroffen sein, doch
bleiben wir an dieser Stelle bei den meteorologischen Begebenheiten.

Danach zieht am Dienstag das inzwischen dritte, wahrscheinlich aber auch vorerst
letzte Tief von Schottland (seit der EM-Auslosung pflegen wir offensichtlich
eine besondere Beziehung zu den Bravehearts, die nun sogar meteorologisch
abfärbt) zur Nordsee, um von dort (Mittwoch/Donnerstag) via Norddeutschland nach
Polen zu ziehen. Dabei strömt zunächst weiterhin milde Meeresluft heran, in der
es nach wie vor regnet mit den höchsten Mengen im Süden. Am Mittwoch und
Donnerstag, wenn wir langsam auf die Rückseite des Tiefs gelangen und zudem ein
erklecklicher, etwas nach Südwesten zurückhängender Höhentrog bei uns
einmarschiert, gelangt wieder etwas kältere, aber keinesfalls richtig kalte
Meeresluft subpolaren Ursprungs (mPs) in den Vorhersageraum (Donnerstagmittag
T850 um -2°C). Dass die Kaltluftzufuhr nicht kräftiger ausfällt, liegt übrigens
daran, dass von der Irminger See her ein Sturmtief zur Norwegischen See zieht.
Auf dessen Vorderseite wird relativ milde Luft nordwärts gesteuert, die die
direkte Zufuhr polarer Luftmassen bis zu uns unterbindet.

Kurzer Ausblick noch in die erweiterte Mittelfrist ab Freitag: Abzug des
Höhentrogs, gleichzeitig breiter Rücken + umfangreiches Hoch über dem nahen
Atlantik. Bei uns zunächst recht weit südlich ansetzender Keil mit milden
maritimen Luftmassen an dessen Nordostabdachung (=> leicht unbeständig,
Niederschläge (meist Regen/Nieselregen) aber nur noch leichter Intensität).

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Auch der neueste Lauf von IFS (ECMF) von heute 00 UTC lässt keine Zweifel daran,
dass vom Atlantik kommende Tiefdruckgebiete und deren Ausläufer das Heft des
Handelns kurz- und mittelfristig in die Hand nehmen. Somit bestätigt sich die
Prognose der vergangenen Tage, wonach sich ein unbeständiger und zumindest bis
Mitte kommender Woche milder Witterungsabschnitt einstellt. Dass es im Detail
bei solchen Westlagen, bei denen gleich mehrere Tiefs in rascher Abfolge
Ansprüche anmelden, hier und da hakt, ist nicht ungewöhnlich. Als Beispiel sei
der kommende Dienstag erwähnt, wo sich nach Lesart des gestrigen 00-UTC-Laufs
der mäßige Regen aus Süddeutschland in die Mitte verlagern sollte. Die beiden
Nachfolgeläufe belassen den Schwerpunkt des Regens im Süden, was von anderen
Globalmodellen bestätigt wird.

FAZIT: Unbeständig mit wiederholten, vor allem im Süden in Summe ergiebigen
Niederschlägen, die bis in höhere Lagen als Regen fallen. Resultierend daraus
starkes Tauwetter mit Hochwassergefahr, insbesondere an der Donau.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Grundsätzlich folgen die anderen an dieser Stelle für gewöhnlich begutachteten
Globalmodelle (namentlich ICON, GFS, GEM und UK10) der Idee von IFS. Von daher
ist die grundsätzliche Ausrichtung unstrittig, was sich ja schon bei der
Konsistenzbetrachtung gezeigt hat. Dass auch hierbei nicht alles 1:1 gleich
simuliert wird, verwundert nicht wirklich. So gibt es z.B. bei der
Aneinanderreihung der diversen Tiefdruckgebiete leichte, aber absolut im
Vorhersagerahmen liegende Positionsverschiebungen respektive
Intensitätsunterschiede. Dass daraus auch Differenzen beim Niederschlag
resultieren, ist evident. Schaut man sich aber die akkumulierten Mengen bis
nächsten Donnerstag an, so liegt der Modellschwerpunkt modellübergreifend
eindeutig im Süden.
In der erweiterten Mittelfrist fällt auf, dass das kanadische GEM auf ähnlicher
Schiene wie IFS unterwegs ist (das kräftige Hoch liegt eher noch etwas weiter
südlich). GFS dagegen favorisiert ein zügiges Übergreifen des Hochs auf
Mitteleuropa mit Fühlung zum Sibirienhoch (am Freitag in Deutschland um 1040
hPa). ICON und UK10 äußern sich nicht, weil sie naturgemäß nach 168 bis 180 h
aus der Vorhersage aussteigen.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen über weite
Strecken eine Seitwärtsbewegung auf dem Zeitstrahl. Das gilt für die Temperatur
auf 850 hPa genau so wie für das Geopotenzial auf 500 hPa, die beide von
reichlich Niederschlagssignalen begleitet werden. Die Streuung der Kurven hält
sich dabei in Grenzen, auch wenn bei T850 der Hauptlauf ab Montag insbesondere
im NOrden und Osten am oberen warmen Rand der leicht auffächernden Schar
verläuft. Von Mittwoch an nimmt die Streuung dann allmählich zu, wobei bei
Pot500 ein deutlicher Trend nach oben erkennbar ist, während T850 uneinheitlich
und weiterhin eher seitwärts agiert. Dichte und Amplitude der Niederschlagspeaks
nehmen sichtbar ab, verebben aber nicht gänzlich.

Die Clusterung startet am Sonntag (T+72...96h) mit vier Clustern, die alle NAO
positiv sind (besser als Corona positiv) und dem Hauptlauf sehr ähnlich sehen
Vier Schubladen werden auch von Dienstag bis Donnerstag (T+120...168h) geöffnet.
Das Interessante dabei: Zwar sehen die Grundfelder bei uns relativ ähnlich aus
(Unschärfen vor allem bei der Zugbahn der Tiefs), trotzdem driften die Cluster
in unterschiedliche Klimaszenarien ab (CL1 weiterhin NAO+, CL3 NAO-, CL2 und 4
Blockierung) - schwierig, da die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Ähnlichkeit
zum Hauptlauf ist aber definitiv gegeben.
In der erweiterten Mittelfrist ab Freitag (T+192...240h) klärt sich die
Angelegenheit, indem alle fünf Cluster in die Blockierung hineinlaufen. Die
Frage ist nur, wie kräftig der von Westen unstrittig zunehmende
Hochdruckeinfluss am Ende ausfällt und welche Konfiguration bzw. Position Rücken
und Bodenhoch schlussendlich aufweisen.

FAZIT: Der Generalkurs für die mittelfristige Vorhersage steht sowohl
deterministisch (Modellvergleich und -konsistenz) als auch probabilistisch
(GFS-EPS übrigens mit ähnlich verlaufender Kurvenschar). Demnach müssen wir uns
auf einen vergleichsweise ungemütlichen, nur noch wenig winterlichen
Wetterabschnitt mit häufigen Regenfällen einstellen, der am Ende sehr
wahrscheinlich aber in wie auch immer gearteten Hochdruckeinfluss mündet.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Der Fokus in diesem Kapitel liegt eindeutig in der bevorstehenden
Niederschlagsentwicklung, die im Verbund mit den relativ hohen Temperaturen
einen nicht unerheblichen Impact erzeugt. Dass die Schneefallgrenze über
Kammniveau der Mittelgebirge und in den Alpen auf mindestens 2000 m ansteigt,
ist sicher. Und auch wenn die finalen Regenmengen, die in den nächsten Tagen,
vor allem aber zu Beginn der neuen Woche im Süden zusammenkommen sollen, noch
nicht feststehen, gibt es doch deutliche Signale in Richtung Tauwetter, im Süden
sogar starkes Tauwetter. Markante Regenmengen (besonders anfällig die Staulagen
von Schwarzwald und Allgäu) plus rasch abschmelzende Schneedecke erzeugen ein
hohes Niederschlagsdargebot (abflussrelevante Wassermenge), das wiederum die
Hochwassergefahr deutlich ansteigen lässt. Das Europäische Hochwasserwarnsystem
EFAS zeigt deutliche Signale an Donau und etwas abgeschwächt auch an Ober- und
Mittelrhein für einen Pegelanstieg sowie ein Hochwasser mit mindestens
5-jähriger, teils sogar 20-jähriger Wiederkehrzeit. Sehr gut möglich, dass
zumindest für den Süden eine Unwetterwarnung für starkes Tauwetter ausgegeben
wird, auch wenn der zeitliche Rahmen von Ausgabe bis Gültigkeitsdauer noch nicht
feststeht.

Im Gegensatz dazu verblasst das mittelfristige Windprofil, auch wenn es in
höheren Lagen, am Sonntag anfangs auch noch an der Nordsee mitunter stürmisch
zur Sache geht.
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Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und Modellmix.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann