Thema des Tages

31-10-2023 14:20


Wissenschaft kompakt

Föhn vs. "Gruselwetter"


Gruselig graues und nasses Wetter - nicht bei Föhn! Dass man bei ihm
mit der klassischen Schulbuchtheorie aber schnell an seine Grenzen
stoßen kann, mag vielleicht doch manch Einen erschrecken.


Ob am heutigen Halloween-Dienstag wirklich Gruselwetter herrscht, ist
sicherlich Geschmackssache. Von Herbstwetter kann man aber definitiv
sprechen. Viele Wolken, immer wieder mal Regen und windig - so lässt
sich das Wetter nicht nur für heute, sondern im Großen und Ganzen
auch für die kommenden Tage zusammenfassen. Eine Ausnahme bilden
dabei das Alpen- und Erzgebirgsvorland am Mittwoch und zum Teil auch
am Donnerstag. Auf der Ostflanke eines Tiefdruckkomplexes bei den
Britischen Inseln sorgt Föhn für weitgehend trockene Verhältnisse und
immer wieder auch sonnige Abschnitte.

Ist von Föhn die Rede, wird schnell das (vielleicht auch schon etwas
eingestaubte) Schulwissen herausgekramt: Luft trifft auf ein Gebirge
und wird zum Aufsteigen gezwungen. Dabei kühlt sie um 1 Kelvin pro
100 m ab. Irgendwann bilden sich Wolken und es beginnt zu regnen,
wobei die Luft nun nur noch mit 0,65 Kelvin pro 100 m Aufstieg
abkühlt. Am Gipfel angekommen, strömt die Luft auf der Leeseite, also
der windabgewandten Seite des Gebirges, herab und erwärmt sich dabei,
wodurch es zur Wolkenauflösung kommt. Die Erwärmung beim Abstieg
erfolgt nun durchweg mit 1 K pro 100 m.


Bei diesem Prozess spricht man von der klassischen Föhntheorie. Jetzt
gibt es allerdings ein Problem: Wie eine Studie zeigt, gehen zum
Beispiel in Innsbruck mindestens 50 % der dort untersuchten Föhnfälle
ohne Niederschläge einher. Zu einem geringen Teil kam es sogar nicht
einmal zur Wolkenbildung. Irgendwie blöd, oder?

Gut, dass es - neben zahlreichen weiteren Theorien - die hydraulische
Föhntheorie gibt. Bei ihr geht man davon aus, dass die Luft, die auf
ein Gebirge trifft, nicht aufsteigt, sondern geblockt wird und im Luv
(also auf der windzugewandten Seite des Gebirges) liegen bleibt und
langsam auskühlt. Die im bzw. oberhalb des Bergkammniveaus
heranströmende, deutlich trockenere Luft fällt dagegen nach
Überquerung des Gebirgskamms ins Tal ab und erwärmt sich dabei um 1 K
pro 100 m. Das kann man sich vorstellen wie in einem randvollen
Stausee, bei dem nur die oberste Wasserschicht über die Staumauer in
die Tiefe schwappt.


Stellt sich noch die Frage, wie es zu den mitunter hohen
Windgeschwindigkeiten auf der Leeseite eines Gebirges kommt.
Betrachten wir daher einfach mal ein Luftpaket, das gerade über dem
Gipfel angekommen ist. Dieses Paket besitzt eine gewisse Energie, die
sich hauptsächlich aus seiner Lage- und seiner Bewegungsenergie
zusammensetzt. Die Lageenergie hängt dabei von der Höhe (also der
vertikalen Lage) des Pakets ab und die Bewegungsenergie stark von
dessen Geschwindigkeit. Strömt das Paket nun den Berg hinab, nimmt
seine Höhe und damit auch seine Lageenergie ab. Da seine
Gesamtenergie aber gleichbleiben muss (Stichwort Energieerhaltung),
muss im Umkehrschluss seine Bewegungsenergie zunehmen und damit seine
Geschwindigkeit.

Verstärkt werden kann dieser Effekt u.a. noch durch das Gelände. Muss
unser Luftpaket unterwegs noch einen engen Gebirgspass durchströmen,
entsteht eine Art Düseneffekt (Stichwort Venturi-Effekt) und es kann
vorübergehend noch einmal deutlich mehr Gas geben.

Diese Beschreibung wurde an dieser Stelle natürlich nur sehr grob
gehalten. Deutlich detailliertere Informationen zu dieser und
weiteren Föhn-Theorien finden Sie in unserem Wetterlexikon unter
www.dwd.de/lexikon, Stichwort "Föhn".



Dipl.-Met. Tobias Reinartz
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.10.2023

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