Thema des Tages
30-09-2023 12:20
Wissenschaft kompakt
Die kalte und oftmals neblige Bucht von San Francisco und die
Verbindung zur "El-Niño - Southern Oscillation"
Wer kennt das Bild nicht? Die "Golden Gate Bridge" eingehüllt im
Nebel. Doch warum ist dies häufig so? Und welche Verbindungen gibt es
zur "El-Niño - Southern Oscillation"?
Die Gegend um San Francisco und Los Angeles (Kalifornien, USA)
verwöhnt die vielen Besucher häufig mit Sonnenschein und sehr warmen
Temperaturen. Das Meerwasser an den Küsten will aber nicht so richtig
warm werden. Stattdessen kühlt es die unteren Luftschichten so stark
ab, dass sich teilweise sogar dichter Nebel bilden kann, der dann
z.B. die "Golden Gate Bridge" ein in Grau-in-Grau hüllt. Dieses
Phänomen lässt sich jedoch nicht nur an der kalifornischen Küste
beobachten. Vielmehr herrscht an allen tropischen und subtropischen
Westküsten der Kontinente mehr oder minder stark ausgeprägt kaltes
Küstenwasser vor. Doch warum ist dies so?
Wie die Atmosphäre ist auch der Ozean ständig in Bewegung. An der
Oberfläche und in der Tiefe dominieren dabei häufig horizontale
Strömungen. Jedoch kann das Meerwasser lokal auch Absinken oder
Aufsteigen.
Oberflächenströmungen werden im Wesentlichen durch Wind angetrieben.
In erster Linie sind dafür die Passate (beständiger Wind in
tropischen Seegebieten bis etwa 25° südlicher und nördlicher
geographischer Breite) und die Westwinde in den mittleren Breiten
verantwortlich. Dabei gibt der Wind durch die Reibung einen Impuls
(Bewegungsgröße, Stärke einer bewegten Masse) an das Wasser der
oberflächennahen Schichten des Ozeans ab. Das Wasser wird
entsprechend mit der Windrichtung gezogen. Durch die Erdrotation
wirkt jedoch auf bewegte Flüssigkeiten oder Gegenstände eine
ablenkende Kraft, die sogenannte Corioliskraft. Mit der Tiefe nimmt
die Abweichung der Wasserströmung von der herrschenden Windrichtung
stetig zu, bis der Windimpuls seine Antriebskraft komplett verloren
hat und das Wasser steht. Über die gesamte Tiefe gemittelt kommt es
daher zu dem Effekt, dass sich das Wasser nicht in Windrichtung,
sondern in eine Richtung senkrecht zum Wind bewegt. Auf der
Nordhalbkugel zeigt diese Richtung nach rechts (wenn man den Wind im
Rücken hat), auf der Südhalbkugel nach links. Eine Strömung, die
durch diesen Effekt zustande kommt, wird "Ekman-Transport" genannt.
An den tropischen und teils auch subtropischen Westküsten der
Kontinente wehen die Passatwinde häufig küstenparallel zum Äquator.
Entsprechend des beschriebenen Ekman-Transportes wird das küstennahe
Oberflächenwasser westwärts von den Küsten weg auf den Ozean
getrieben. Da durch die Kontinente von Osten kein Wasser nachströmen
kann, quillt aus Massenerhaltungsgründen kaltes nährstoffreiches
Tiefenwasser auf und ersetzt somit das abtransportierte
Oberflächenwasser.
Als Folge liegen die küstennahen Wassertemperaturen in den
Aufquellgebieten von Tiefenwasser und somit auch vor San Francisco
selbst im Sommer nur bei etwa 13 Grad. Daher sind diese Küstengebiete
nur bedingt für Badegäste geeignet. Gleichzeitig freuen sich jedoch
die Fischer über einen durch das kalte, nährstoff- und
sauerstoffreiche Tiefenwasser überdurchschnittlich hohen
Fischreichtum.
Schwächeln nun die Passatwinde wird weniger warmes Oberflächenwasser
von den Küsten Südamerikas westwärts Richtung Australien und
Indonesien transportiert, sodass das kalte Tiefenwasser kaum oder gar
nicht aufquillt. Dadurch befindet sich das wärmste Wasser nicht mehr
über Südostasien, sondern weiter östlich in Richtung der Westküste
Südamerikas. Der Weg für ein sogenanntes El-Niño-Ereignis wäre frei.
Als Maß für die Bewertung und Vorhersage eines "El-Niño-Ereignisses"
wird beispielsweise der sogenannte "Ozean Niño Index (ONI)"
verwendet, der auf den mittleren dreimonatigen Abweichungen der
Oberflächenwassertemperaturen in der Niño3.4 Region (170° W bis 120°
W, 5° S bis 5° N) basiert. Als Referenz dienen verbesserte und
homogene historische Analysen der Oberflächenwassertemperatur für den
30-jährigen Zeitraum zwischen 1981 und 2010. Ein El-Niño-Ereignis ist
dabei durch einen positiven ONI größer oder gleich 0,5 Grad
definiert. Bei einem La Niña-Ereignis liegen ONI-Werte kleiner oder
gleich -0,5 Grad vor.
Auch derzeit wird ein "El-Niño-Ereignis" beobachtet. Dieses Ereignis
geht dabei mit überdurchschnittlich hohe
Meeresoberflächentemperaturen (SST) im zentralen und östlichen
tropischen Pazifik einher. Die Abweichungen der
Oberflächenwassertemperaturen betrugen zwischen dem 18. und 25.
September 1,2 Grad in der Niño 4 Region und bis 2,8 Grad in der Niño
1+2 Region. Insgesamt sind seit März überdurchschnittliche Werte zu
verzeichnen. Derzeit wird mit einer 95%-Wahrscheinlichkeit erwartet,
dass El Niño über den Winter der nördlichen Hemisphäre hinweg bis
mindestens März 2024 anhält. Einhergehend ist über Indonesien mit der
Abnahme der Niederschläge zu rechnen, während diese über dem
zentralen und östlichen tropischen Pazifik zunehmen bzw. weiter
überdurchschnittlich ausfallen.
Dipl.-Met. Lars Kirchhübel
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.09.2023
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