Thema des Tages
05-11-2016 14:40
Verkehrte Welt
Am 2. November lasen Sie im Thema des Tages wie üblich die Statistik
der wärmsten und kältesten Orte Deutschlands im Oktober.
Während die kältesten Orte Deutschlands aufgrund ihrer Lage nicht
ganz überraschend im Erzgebirge zu finden waren, hat mancher sich
sicher über den wärmsten Ort gewundert.
Bezüglich der Temperatur hieß der Oktobersieger 2016 Helgoland. Der
Mittelwert erreichte dort 11,6°C. Auch die weiteren "Podestplätze"
wurden mit Norderney und Hooksiel von Nordseeanliegern erreicht. Das
ist nicht allzu ungewöhnlich.
Wie kommt es aber dazu, dass die im Jahresmittel auf Platz 253 (von
500) liegende Station Helgoland trotzdem fast erwartungsgemäß einen
der ersten Plätze in der Temperaturtabelle belegt? (Dort ist es im
Jahresdurchschnitt etwa 2 Grad kälter als an den wärmsten Stationen.)
Helgoland hat als einzige deutsche Hochseeinsel ein Seeklima. In
diesem Klima wird die Temperatur im größten Teil des Jahres von der
Wassertemperatur bestimmt.
Wasser hat im Vergleich zur Erdoberfläche eine höhere Wärmekapazität
und wirkt also als Pufferspeicher. Das bedeutet, dass sich das Wasser
wesentlich langsamer als die Luft erwärmt, aber auch langsamer
abkühlt, was sich im Herbst auch in Helgoland bemerkbar macht.
Während auf dem Festland die Temperatur vom Maximum bis Mitte
September um vier Grad zurückgeht, sinken die Temperaturen in
Helgoland bis dahin nur um 2 Grad. Damit rückt Helgoland in die
Spitzengruppe der wärmsten Stationen vor. Dieser Effekt hält auch in
den Folgemonaten an, sodass Helgoland im langjährigen Mittel im
Oktober die zweitwärmste Station Deutschlands ist.
Kein Wunder, dass die Insel oft auf Platz eins der Monatsstatistik
für Oktober steht.
Bis Januar gehört Helgoland, zusammen mit einigen Stationen im
Rheinland, zu den wärmsten Orten Deutschlands. Im November (7,6°C)
und Dezember (4,4°C) ist Helgoland sogar im Mittel die wärmste
Wetterstation Deutschlands.
Ab Februar allerdings zeigt sich die Kehrseite der Medaille.
Während es ab Monatsmitte überall mit den Temperaturen steil bergauf
geht, erreicht das Meer und damit auch die Temperatur in Helgoland
seinen tiefsten Jahreswert. Im März, der im Deutschlandmittel etwa
genau so warm ist wie der November, ist es auf Helgoland 4°C kühler
als im November. Der Rückstand zu den Festlandsstationen wird im Mai
und Juni so groß, dass Helgoland der kälteste Ort Deutschlands ist,
wenn man von Bergstationen absieht.
Die scheinbar "verkehrte" Welt lässt sich also durch das Seeklima
leicht erklären.
Dipl.-Met. Christoph Hartmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.11.2016