Thema des Tages
05-09-2023 14:20
Wetter aktuell
Kataklysmus
Des einen Freud ist des anderen Leid - während bei uns in Deutschland
die ganze Woche im Zeichen des Sonnenscheins steht, versinken Teile
Griechenlands in exorbitanten Regenfluten.
"Kataklysmus" wird im Deutschen im Sinne von "Weltuntergang"
gebraucht. Ursprünglich kommt das Wort aus dem Altgriechischen
("Kataklysmos") und bedeutet "Sintflut", und wird diesbezüglich in
erster Linie im biblischen Kontext verwendet. Metaphorisch betrachtet
ist das aber wohl auch keine Untertreibung angesichts dessen, was in
einigen Landesteilen Griechenlands an Wassermassen zu erwarten ist.
Die europäische Großwetterlage ist in dieser Woche geprägt von einem
Omega-Hoch. Dieses erhält den Namen aus der Form der umgebenden
Höhenströmung, die einem großen Omega ähnelt. Flankiert wird dieses
ausgeprägte Hoch von zwei recht kräftigen Tiefdruckgebieten bei
Spanien und eben Griechenland. Bereits in Spanien sorgte diese
Konstellation regional für heftige Überflutungen durch Starkregen,
bei dem in Summe zwischen 50 und etwa 150 mm Niederschlag innerhalb
weniger Stunden fielen. Ähnliches steht Griechenland in den nächsten
48 bis 72 Stunden bevor, allerdings in Verbindung mit noch wesentlich
größeren Niederschlagsmengen.
Dabei kommen viele verschiedene Faktoren zusammen. Zum einen liegt
das Tiefdruckgebiet über dem Mittelmeer und bewegt sich zunächst kaum
von der Stelle. Weiterhin wird an dessen Vorderseite dauerhaft warme,
sehr feuchte und hochreichend instabile Luft herangeführt. Diese
trifft an der Ostküste des griechischen Festlandes auf etwa 500 m
hohe Bergketten, sodass sich dort nahezu stationäre und wiederholt
regenerierende Gewitter aufbauen, die entsprechend heftigen
Starkregen über lange Zeiträume mit sich bringen. Dieser Vorgang wird
von den verschiedenen Wettervorhersagemodellen in verschiedener
Ausprägung simuliert. Grundsätzlich gemein ist allen diesen
Vorhersagen der Ort des Eintreffens - nämlich die Region Thessalien
im zentralen Griechenland - und die Heftigkeit in Form riesiger
Niederschlagsmengen von vielen hundert Litern bzw. Millimetern.
Je nachdem, welches Modell man betrachtet, schwanken die Summen
zwischen 400 und in der Spitze weit über 1000 mm. Einige räumlich
hochaufgelöste Modelle, die die örtliche Topografie sowie die
auftretenden Gewitter noch besser repräsentieren, zeigen entsprechend
noch deutlich höhere Summen. Einen Hinweis darauf, dass vierstellige
Gesamtsummen fallen können, ergibt sich durch die Tatsache, dass
bereits am heutigen Dienstag an der Station Zagora seit den
Frühstunden offenbar bereits über 500 mm Regen gefallen sind. Zur
Einordnung: Das ist mehr als die doppelte Menge in einem kürzeren
Zeitraum als beim Ahrtal-Hochwasser 2021.
Überhaupt sprengen die erwarteten Niederschlagsmengen wohl so
ziemlich jede Statistik. Dass innerhalb von zwei bis drei Tagen über
1000 mm Niederschlag in Modellen simuliert werden, geschweige denn
tatsächlich auch fallen, liegt außerhalb der bekannten
Erwartungswerte und Wiederkehrzeiten. Welches Ausmaß die
Überflutungen annehmen, lässt sich dabei höchstens erahnen,
gleichzeitig aber auch schlimmes befürchten.
Auch mittelfristig bleibt es in der Region weiter spannend. Im
Anschluss soll das Mittelmeertief südwestwärts ziehen, wo es sich
über dem offenen Mittelmeer nochmals verstärkt und sich
möglicherweise zu einem sogenannten "Medicane" entwickelt. Dabei
handelt es sich um ein Tief, welches aufgrund der hohen
Wassertemperaturen von gebietsweise über 26 Grad tropischen Charakter
annimmt und unter Umständen sogar eine Art Auge wie bei einem
Hurrikan ausbildet (daraus leitet sich auch die Namensgebung ab).
Trifft es dann nochmals auf Land, was vor allem für die
nordafrikanische Küste durchaus realistisch erscheint, würde es dort
am kommenden Wochenende für Sturm und weitere heftige Regenfälle
sorgen.
M.Sc. Felix Dietzsch
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 05.09.2023
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