Thema des Tages

25-08-2023 12:50


Wissenschaft kompakt
Der Einfluss von Wetter und Klima auf die Menschheitsgeschichte ?
Teil 2


Im zweiten Teil dieser Reihe wird es etwas frostig; ganz im Gegensatz
zu den Temperaturen der letzten Tage. Die Schwerpunkte dieses Mal
sind die Russlandfeldzüge von Napoleon und Hitler und der
Hungerwinter 1946/47.

Im ersten Teil dieser Reihe wurde der Einfluss des Wetters auf zwei
historische Ereignisse zur Zeit des Zweiten Weltkrieges thematisiert.
Zum einen wurde auf die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki
im August 1945 eingegangen. Zum anderen kam der D-Day (06. Juni 1944)
zur Sprache, der erste Tag der Invasion der Alliierten an der
französischen Atlantikküste in der Normandie. Entscheidend waren
hierbei vor allem die Sichtbedingungen sowie beim D-Day noch die
Kriterien "Wind" und "Regen"
(https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2023/8/7.html).
Im heutigen Teil wird es nun ein wenig winterlich (in vier Monaten
ist ja schließlich auch schon wieder Weihnachten ?).
Zu Beginn soll zunächst einmal die Frage geklärt werden, was Napoleon
und Hitler gemeinsam hatten. Beide scheiterten mit ihrem Feldzug in
Russland und das lag mitunter auch am Wetter.
Hitler gab am 22. Juni 1941 den Befehl zum "Unternehmen Barbarossa",
dem Einmarsch in die Sowjetunion. Bis dato hatte Nazideutschland
bereits große Teile Europas durch seinen Blitzkrieg überrollt. Nun
begann mit dem Krieg des nationalsozialistischen Deutschlands gegen
die kommunistische Sowjetunion ein Krieg der Ideologien.
Fast auf den Tag genau, am 24. Juni, aber 129 Jahre zuvor, startete
Napoleon einen Feldzug gegen Russland, dessen Ende nicht nur die
Zerschlagung einer zu diesem Zeitpunkt schon stark reduzierten Grande
Armée bedeutete, sondern auch einen Wendepunkt in der Geschichte
darstellte.
Die Winter 1812/13 und 1941/42 zählten in großen Teilen Europas zu
den kältesten Wintern. Kommt dann ein dezimierter und schlecht
ausgerüsteter Angreifer hinzu, der einem zahlenmäßig überlegenen,
nach einigen Anlaufschwierigkeiten gut ausgerüsteten und vor allem
motivierten Gegner gegenübersteht, ist es nur noch eine Frage der
Zeit, bis der Angreifer den Rückzug antreten muss. Auf beiden Seiten
forderten aber nicht nur Kampfhandlungen hohe Opferzahlen, sondern
auch Hunger, Krankheit und vor allem Kälte. Die sowjetische Armee
konnte mit der Situation besser umgehen, weswegen sie nicht ganz so
hohe Opferzahlen wie die Angreifer zu beklagen hatte. Aus der Zeit
des Zweiten Weltkrieges ist bekannt, dass die deutschen Soldaten
versuchten, sich mit Stroh in den kaputten Stiefeln sowie gestohlenen
Fausthandschuhen und Schals alter Frauen oder Mänteln gefallener
Sowjetsoldaten warmzuhalten, aber gegen Temperaturen von bis zu -40
Grad half das wenig. In der Zivilbevölkerung Deutschlands wurden für
die Soldaten Wintermäntel gesammelt, allerdings erreichten diese sie
nicht vor Februar.
Vom Krieg schwer gebeutelt war Deutschland auch noch im Winter
1946/47 und die Städte glichen Trümmerwüsten. Dieser Winter zählte zu
den kältesten Wintern des letzten Jahrhunderts. Davon betroffen war
aber nicht nur Deutschland, sondern auch dessen Nachbarländer, die
ebenfalls noch unter den Folgen des Krieges litten. Der Hungerwinter
1946/47 ist im Gegensatz zu den bisher erläuterten Beispielen kein
historisches Ereignis, welches durch vorherrschende
Witterungsverhältnisse beeinflusst wurde, sondern ist selbst ein
historisches Ereignis, welches aufgrund der Lebensumstände vielen
Menschen das Leben kostete und den Überlebenden nachhaltig in
Erinnerung geblieben ist. Der Begriff "fringsen" fand damals Eingang
in die deutsche Sprache und fasst die damaligen Lebensumstände in
einem Wort zusammen. Der Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings
zeigte in seiner Silvesterpredigt 1946 Verständnis für diejenigen,
die sich im Angesicht der Existenzbedrohung mit kleinen Diebstählen
über Wasser hielten und sich das Dringendste nahmen, wenn sie es
nicht durch ehrliche Arbeit bekommen konnten. Der Winter dauerte von
Oktober bis in den März hinein. Bereits wenige Wochen später wartete
der Juni mit einer Rekordhitze mit Höchsttemperaturen von rund 39
Grad auf. Der Sommer 1947 ist der viertwärmste der Messgeschichte.
Der September 1947 sticht zudem mit einer relativ langen Hitzeperiode
in der zweiten (!) Monatsdekade bis heute in den Statistiken heraus.
In diesem Sommer vertrockneten die Äcker und es fehlten abermals die
dringend benötigten Lebensmittel.


M.Sc. Tanja Sauter
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.08.2023

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