Thema des Tages
27-07-2023 13:50
Wissenschaft Kompakt
Die Zugspitze wurde sein Schicksal - Teil 1
Zum 150. Geburtstag Johann Josef Enzenspergers (1873-1903) erfahren
Sie in der heutigen Ausgabe mehr zu seiner Person und Einrichtung der
Zugspitzstation mit ihm als ersten Meteorologen.
Ein Meteorologiestudent und Bergsteiger
Als 1873 auf dem 1. Internationalen Meteorologen-Kongress in Wien
angeregt wurde, die höheren Luftschichten mit Fesselballonen und von
isolierten hohen Berggipfeln zu untersuchen, kam im selben Jahr
Johann Josef Enzensperger in Rosenheim auf die Welt (Lüdecke 2000,
Schmitt 1959). Als die Familie 1887 nach Sonthofen ins Allgäu zog,
wurde seine Liebe zum Bergsteigen geweckt. Seine hervorragenden
Abiturnoten verschafften ihm ein Stipendium am Maximilianeum in
München und er begann an der Ludwig-Maximilians-Universität Jura zu
studieren. Während des Studiums führte er einige sehr schwierige
Erstbesteigungen in den Alpen durch und gründete 1892 mit anderen
bergbegeisterten Kommilitonen den Akademischen Alpenverein München
(AAM), in den auch der spätere Arzt Hans Gazert kurz nach der
Gründung aufgenommen wurde (Deutscher Alpenverein 1990, Lüdecke
2015). Von 1895 an hatte Enzensperger für fünf Semester selbst den
Vorsitz des AAM inne (Abb. 1).
Diese erfolgreichen Freizeitaktivitäten im Hochgebirge verleiteten
ihn wohl dazu, das Jurastudium aufzugeben und fortan Mathematik und
Physik mit der Spezialisierung Meteorologie zu studieren
(Enzensperger 1905).
Bau des Münchner Hauses
In dieser Zeit wurde das Bergsteigen immer beliebter. Es entstanden
viele neue Alpenvereinssektionen und es wurden zunehmend
Unterkunftshäuser in den Alpen errichtet. Die Sektion München des
Deutsch-Österreichischen Alpenvereins (DÖAV) war damals die größte
Sektion und die Zugspitze als höchster deutscher Gipfel wurde immer
mehr zum Ziel der Bergsteiger (Lüdecke 2000, 2001). So wundert es
nicht, dass vor der Wende zum 20. Jahrhundert einerseits der Wunsch
der Bergsteiger nach eine Unterkunftshütte auf der Zugspitze und
andererseits nach einer guten Wettervorhersage für eine Tour auf den
höchsten Berg immer dringender wurde. Letzteres wünschten auch die
Meteorologen, die gerade anfingen auf mehreren Bergstationen
"Höhenwetter" zu untersuchen (Wege 2000). So hatte man in Österreich
bereits 1886 auf dem Hohen Sonnblick ein Observatorium in 3105 m Höhe
eingerichtet.
Eine der treibenden Kräfte für den Ausbau der alpinen
Unterkunftshütten war die Sektion München des DÖAV (Lüdecke 2000,
2001). Zunächst wurde 1897 das Münchner Haus als Unterkunftshütte in
2959 m Höhe auf dem Westgipfel der Zugspitze eröffnet. Zusätzlich
hatte man damals schon auf der Südwestseite der Hütte ein weiteres
Plateau für den künftig zu errichtenden Meteorologischen Turm
vorgesehen. Die Münchner Bergsteiger konnten damals im Schaufenster
der Lindauer Buchhandlung in der Münchner Kaufingerstraße 16 den
aktuellen Wetterbericht vom Gemeindehaus in Tegernsee und von der
Hirschberghütte bekommen, was für die Tourenplanung sehr hilfreich
war. Aber diese Informationen stammten aus dem Alpenvorland
südöstlich von München und gaben keine Auskunft über westlich
gelegene Gebiete wie z. B. die Wettersteinregion mit der Zugspitze.
Gutachten für den Meteorologischen Turm
Bis zum Baubeginn des Meteorologischen Turmes mussten noch Gutachten
eingeholt werden, um finanzielle Unterstützung durch das Königlich
Bayerische Staatsministerium des Innern für Kirchen- und
Schulangelegenheiten zu erhalten. Zunächst äußerte sich Professor
Wilhelm von Bezold, der bis 1885 der erste Direktor der K. b.
Bayerischen Meteorologischen Centralstation in München gewesen ist
und nun Direktor des Preußischen Meteorologischen Instituts in Berlin
war. Bezold schrieb "Obgleich sich nicht bestreiten lässt, dass man
aus den Aufzeichnungen der Hochstationen noch lange kein richtiges
Bild von den Zuständen der freien Atmosphäre gewinnt, so bietet doch
gerade die Vergleichung der auf den Gipfel ermittelten Zahlen mit den
im Luftballon erhaltenen die Möglichkeit, die Fehler derartiger
Rückschlüsse auf ein geringes Maass zurückzuführen." (Erk 1898a:
122).
Das zweite Gutachten kam von Hofrat Julius von Hann, damals Professor
für Meteorologie in Graz, der die außerordentliche günstige Lage in
der Mitte zwischen den Bergobservatorien auf dem Säntis am Bodensee
und dem Hohen Sonnblick in den Hohen Tauern hervorhob (Erk 1898a).
Schließlich äußerte sich auch der amtierende Direktor der K. b.
Meteorologischen Centralstation Friedrich Erk und forderte in seinem
Gutachten vor allem einen wissenschaftlichen Beobachter für die
wissenschaftliche Aufgabe. Schließlich konnte der Meteorologische
Turm auf der Zugspitze mit staatlichen Geldern gebaut werden.
Eröffnung der Meteorologischen Hochstation auf der Zugspitze
Der Meteorologische Turm wurde am 8. November 1899 fertiggestellt. Er
hat eine Grundfläche von 4 m x 4 m und eine Höhe von 9 m. Die beiden
Stockwerke mit Schlaf/Wohn- und Arbeits/Vorratsraum sind jeweils 2,20
m hoch (Lüdecke 2000). Für den ersten Meteorologen hatte die Münchner
Firma Dallmayer 40 Zentner Lebensmittel geliefert, denn es sollte an
nichts fehlen (Lüdecke 2001). Vom Arbeitsraum geht es weiter auf die
Plattform mit den Messgeräten (Abb. 2)
Der Turm war zum Schutz vor starken Winden mit dicken Drahtseilen
abgespannt. Als Blitzableiter diente das 5,5 km lange Telefonkabel,
das in das Höllental hinabführte. Durch das Telefon war die
Hochstation direkt mit der Centralstation in München verbunden.
Die Innereinrichtung erfolgte im Sommer 1900 und die feierliche
Eröffnung am 19. Juli 1900. Die Honoratioren und Gäste waren über das
Reintal mit Übernachtung in der Knorr Hütte aufgestiegen. In einem
feierlichen Akt überließ die Alpenvereins-Sektion München den von ihr
gebauten Meteorologischen Turn dem Staat zur "unentgeltlichen
Benützung". Erst wenn die Hochstation aufgegeben werden sollte, würde
sie wieder an die Alpenvereins-Sektion München zur "freien Verfügung"
zurückfallen.
* Dieser Artikel ist in leicht verkürzter Form zuerst in den
Mitteilungen 2/2023 der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG)
erschienen. Wir danken Frau Prof. Dr. Cornelia Lüdecke und Herrn
Prof. Dr. Dieter Etling von der Uni Hannover ausdrücklich für die
Zusammenarbeit! Freuen Sie sich auf den zweiten Teil des Artikels am
kommenden Samstag!
Literatur
Deutscher Alpenverein (Hrsg.), 1990, Josef Enzenperger: Meteorologe
und Kletterer. Bearbeitet von H. Höfler. Alpine Klassiker 13, J.
Berg, München, 304 S.
Erich von Drygalski, 2013, Zum Kontinent des eisigen Südens: Die
erste deutsche Südpolarexpedition 1901-1903. Herausgegeben von
Cornelia Lüdecke, Edition Erdmann, marixverlag, Wiesbaden, 366 S.
Enzensperger, J.J., 1901: Sieben Monate auf der Zugspitze. - Das
Wetter Monatsschrift für Witterungskunde, 18, 66-71.
Enzensperger, J., 1905: Ein Bergsteigerleben: eine Sammlung von
alpinen Schilderungen nebst einem Anhang Reisebriefe und
Kerguelen-Tagebuch. Hrsg. vom Akad. Alpenverein München. Vereinigte
Kunstanstalten in Komm., München, 276 S.
Erk, F. 1898a, Ein meteorologisches Observatorium auf der Zugspitze.
Mitteilungen des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 10, 121-123.
Erk, F. 1898b, Ein meteorologisches Observatorium auf der Zugspitze.
Mitteilungen des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins 11, 133-136.
Gazert, 2023, Hans Gazert, https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Gazert
angesehen 12.4.2023.
Lüdecke, C., 2000, Hundert Jahre meteorologische Hochstation auf der
Zugspitze ? Der Deutsch-Österreichische Alpenverein als Förderer der
alpinen Meteorologie, Meteorologische Zeitschrift, 9 (6), 381-391.
Lüdecke, C., 2001, ...die meteorologische Hochstation Zugspitze als
glänzender Appendix. 100 Jahre meteorologischer Turm auf der
Zugspitze. Heidelberg, Berg 2001 Alpenvereinsjahrbuch "Zeitschrift"
Band 125, 136-148.
Lüdecke, C. 2015, Deutsche in der Antarktis: Expeditionen und
Forschungen vom Kaiserreich bis heute. Chr. Links, Berlin, 224 S.
Schmitt, Fritz, "Enzensperger, Josef" in: Neue Deutsche Biographie 4
(1959), S. 541 [Online-Version]; URL:
https://www.deutsche-biographie.de/pnd118965034.html#ndbcontent.
Wege, K., 2000, Die Geschichte der Wetterstation auf der Zugspitze.
Geschichte der Meteorologie in Deutschland 4, Selbstverlag des
Deutschen Wetterdienstes, Offenbach am Main, 104 S.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 27.07.2023
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