DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist
22-06-2023 10:01
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 22.06.2023 um 10.30 UTC
Kommende Woche zunehmend atlantischer Einfluss => Wechsel von mal hoch-, mal
tiefdruckbestimmten Phasen.
__________________________________________________________
Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 29.06.2023
Genau einen Tag alt ist der kalendarische Sommer, der heute übrigens einen in
dieser Form schon lange nicht mehr dagewesenen Schwergewittertag auf die Bühne
bringt. Wer sich dafür interessiert, also jeder, der sich als meteorologisch
affin bezeichnet, dem sei die "Synoptische Übersicht Kurzfrist" des geschätzten
Kollegen Winninghoff von heute früh ans Herz gelegt. So viel Brisanz hat die
Mittelfrist - das sei an dieser Stelle schon verraten - nicht zu bieten, was sie
aber nicht minder interessant macht. Schließlich laufen wir auf Ende Juni zu und
da war doch was. Richtig, bald beginnt der sogenannte Siebenschläfer, der bis
Anfang Juli dauert und mal mehr, mal weniger richtungsweisend für den
Wetterablauf der nächsten Wochen ist. Noch ist nicht klar, in welche Richtung
genau der Hase in diesem Jahr läuft. Für die nächste Woche deutet sich aber ein
leicht wechselhafter Wettercharakter an, der sich etwa wie folgt darstellt.
Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag liegen wir
unter einer meridionalen Hochdruckzone, die sich von ihrem Zentrum über dem
Europäischen Nordmeer bis hinunter zum westlichen Mittelmeer erstreckt. Nach
zwei weniger warmen respektive heißen Tagen steigt die Temperatur zumindest in
der Südwesthälfte auf 30°C oder etwas darüber. Gestützt wird das Hoch von einem
Höhenrücken, der allerdings nicht ganz kapitelfest ist. Auf seiner Ostabdachung
rutscht ein flacher Sekundärtrog südostwärts, der im Nordosten leichte Schauer
bringen könnte. Noch härter wird der Rücken auf seiner Westflanke attackiert.
Ein schmalbrüstiger, von Grönland bis UK/Irland reichender Trog versucht im
Verbund mit einem korrespondierenden Tiefdrucksystem, einen Fuß in die
mitteleuropäische Tür zu bekommen. Offensichtlich mit Erfolg, wie der kommende
Montag zeigt. Zwar bohrt sich der Trog nicht direkt bis zu uns vor, sondern
dreht sich eher gegen den Uhrzeigersinn in Richtung Nordosten, um schlussendlich
abzutropfen. Das reicht aber, um Druckfall in Deutschland zu erzeugen (=>
Bodentrog) und eine Kaltfront mit schauerartigem Regen und Gewittern von West
nach Ost durchzuschleusen. Rückseitig gelangt eine Portion weniger warme bis
kühle Nordseeluft in den Vorhersageraum, in der T850 im Norden und Westen auf
rund 5°C zurückgeht.
Postfrontal steigt der Luftdruck rasch wieder an, was uns am Dienstag in den
Genuss eines breit angelegten, bis zum östlichen Mitteleuropa reichenden
Azorenhochkeils bringt. Die Höhenströmung ist allerdings weniger antizyklonal
aufgestellt, gilt es doch erst den flachen Trog des über Südskandinavien
abgetropften Höhentiefs passieren zu lassen. Vor allem im Norden regnet es
zeitweise, was z.T. aber auch der Annäherung einer Warmfront geschuldet ist,
welche zu einem Tief knapp nördlich von Irland gehört. Dieses Tief zieht am
Mittwoch dicht an Schottland vorbei in Richtung Island, während die Warmfront
über den Norden ostwärts schwenkt. Damit gelangt quasi der gesamte
Vorhersageraum in einen Warmsektor, der im Süden sehr breit und antizyklonal (=>
viel Sonne und sehr warm), im Norden trotz eines überlagerten flachen Rückens
eher zyklonal (=> wolkiger, weniger warm, gebietsweise Regen) aufgestellt ist.
Am Donnerstag greift dann die Kaltfront des o.e. Tiefs über, die im Südosten
mehr und mehr ins Schleifen gelangt. Rückseitig wird ein neuerlicher Schwall
Nordseeluft insbesondere in den Norden und Westen advehiert, die von ähnlicher
Qualität wie die vom Montag ist.
Für die Zeit danach, die Rede ist von der erweiterten Mittelfrist bis Sonntag,
deutet sich eine zyklonale West-, später eher Südwestlage an, die für eine
Fortdauer der wechselhaften Witterung spricht.
__________________________________________________________
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Betrachtet man nur das großräumige Strömungsmuster, kann die Konsistenz von IFS
(ECMF) als gut bezeichnet werden. Demnach steht uns in der kommenden Woche ein
leicht wechselhafter Wettercharakter mit unterschiedlichen Luftmassen bevor.
Dabei gilt die Faustregel "im Süden wenn auch nicht dauerhaft mehr
Hochdruckeinfluss und wärmer als im Norden". Vom Tisch scheint die gestern noch
simulierte Passage eines kleinen Sturmtiefs von Montag auf Dienstag in
Norddeutschland. Offensichtlich bevorzugt das Tief einen nördlicheren Kurs über
Südskandinavien.
__________________________________________________________
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Wie so oft bei Lagen mit wechselnden Abläufen liegen die Hauptunterschiede der
Modelle in der zeit-räumlichen Verteilung der bestimmenden Systeme sowie deren
geometrische Konstitution (z.B. ob ein Trog schärfer oder flacher ist o.ä.). Der
wechselhafte Wettercharakter als solcher wird nicht angezweifelt. Da davon
auszugehen ist, dass die Phasen bei den nächsten Modellläufen jeweils wieder
etwas anders aussehen, lohnt an dieser Stelle kein tieferes Einsteigen in die
Materie.
__________________________________________________________
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die vom Hauptlauf beschriebene Abwechselung spiegelt sich in den
IFS-EPS-Rauchfahnen als Wellenmuster sowohl bei der Temperatur 850 hPa als auch
beim Geopotenzial 500 hPa wieder. Dabei ist der Median bis fast zum Ende hin gut
ausgeprägt. Trotzdem nimmt die Streuung im Laufe der nächsten Woche zu, was den
eigentlichen Trend aber nicht aus der Bahn wirft. Vielmehr wird nur die Aussage
aus dem Kapitel zuvor bestätigt, wonach jeder Lauf (egal ob deterministisch oder
im Ensemble) eine etwas andere Vorstellung von Raum und Zeit hat, sprich, die
Phasenunterschiede etwas zunehmen. Interessante Bemerkung am Rande: Es gibt ein
einziges Ensemblemitglied, das den Temperatur- und Potenzialrückgang zu Beginn
der nicht mitmacht und konstant auf hohem Niveau bleibt. Nun denn...
Die Clusterung bietet für den Zeitraum T+72...96h (Sonntag/Montag) fünf Cluster
an, die aber sehr ähnlich gestrickt sind. Von Dienstag bis Donnerstag
(T+120...168h) wird sogar noch eine Schublade mehr aufgemacht (sechs Cluster), die
aber alle ein wellendes Strömungsmuster zeigen. Die Unterschiede sind
vergleichsweise gering, was u.a. daran deutlich wird, dass in allen sechs Fällen
mal ein etwas mehr, mal ein etwas weniger ausgeprägter Rücken über dem
Vorhersageraum liegt. Interessant wird es ab Freitag (T+192...240h) in der
erweiterten Mittelfrist, wo vier von fünf Clustern in Richtung Südwest zyklonal
(SWz) tendieren. Lediglich das mit 7 Fällen besetzte CL 5 präferiert eine
hochdruckbestimmte Großwetterlage.
FAZIT: Der grobe Kurs für die nächste Woche steht, die genauen Phasen der
Ondulationen noch nicht. Bis auf Weiteres scheint sich aber ein Strömungsmuster
einzustellen, bei dem uns der Atlantik deutlich stärker seinen Stempel aufdrückt
als wir das von den vergangenen Wochen mit den ewig andauernden Nord- und
Ostlagen gewohnt sind.
_________________________________________________________
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Das Fenster signifikanter Wettererscheinungen konzentriert sich im Wesentlichen
auf die apostrophierten Kaltfrontpassagen am Montag und Donnerstag. In beiden
Fällen sind Gewitter wahrscheinlich, deren Intensität und räumliche Verteilung
heute noch nicht abschließend bewertet werden können. Ein Vergleich mit der
heutigen Lage verbietet sich aber, so dicke wird´s nicht kommen. Wahrscheinlich
läuft es im Wesentlichen auf markante Gewitter raus, was lokale Unwetter
freilich nicht ausschließt.
Eine weitere andauernde Hitzephase steht zunächst nicht auf der Karte, auch wenn
es am Sonntag in der Südwesthälfte noch mal heiß wird und gebietsweise eine
starke Wärmebelastung auftritt.
________________________________________________________
Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-Mix mit IFS-EPS und dem IFS-Modell.
________________________________________________________
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann