DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

19-04-2023 09:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.04.2023 um 10.30 UTC



Am Wochenende Kaltfrontpassage mit einzelnen Gewittern. Nächste Woche
unbeständig, teils windig und sehr kühl. Vor allem im Bergland und an den Alpen
etwas Schnee möglich, im Verlauf verbreitet Nachtfrost.
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Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 26.04.2023


Zu Beginn der Mittelfrist am Samstag erfolgt eine Umstellung der Großwetterlage.
Die Tage der nordeuropäischen Blockierungslage sind gezählt. Das
verantwortliche, von Südskandinavien zur südlichen Ostsee ziehende Höhenhoch
schwächt sich ab und geht auf in ein Rücken, dessen Achse leicht positiv geneigt
vom westlichen Mittelmeer über Mitteleuropa bis zum Baltikum reicht. Zeitgleich
erfolgt zwischen einem hochreichenden Tief über der Barentssee und einem sich
kräftigenden Blockadehoch bei Grönland ein nach Süden gerichteter
Kaltluftausbruch, was in eine Austrogung über dem Nordmeer mündet. Der
Kaltlufttropfen, der in der Kurzfrist retrograd über Mitteleuropa zu den
Britischen Inseln gewandert ist, interagiert mit einer niedertroposphärischen
Störung und wandelt sich in ein hochreichendes Cut-Off-Tief um. Über der Nordsee
beginnen das Cut-Off-Tief und der Nordmeertrog Tuchfühlung miteinander
aufzunehmen. Über Deutschland resultiert daraus eine süd- bis südwestliche
Strömung, mit der ein Schwall warmer Subtropikluft herangeführt wird (T850 auf 5
bis 11 Grad ansteigend). Während in der Osthälfte antizyklonaler Einfluss
herrscht, bringt die übergreifende Kaltfront des Cut-Off-Tiefs dem Westen
bereits schauerartigen Regen. Präfrontal labilisiert die Luftmasse hochreichend
und es werden einige Hundert J/kg CAPE generiert, womit auch einzelne Gewitter
möglich sind. Markant wird die Konvektion aber kaum (schlechte
Dynamik-Energie-Überlappung), bei PPWs über 20 mm am ehesten aber durch lokalen
Starkregen. Mit Unterstützung der Sonne werden recht verbreitet um oder knapp
über 20 Grad erreicht, nur im Westen kühlt es bereits ab.

Am Sonntag verbinden sich der Nordmeertrog und das ehemalige Cut-Off-Tief,
sodass letzteres als Randtrog zur Nordsee und nach Deutschland schwenkt. Das
korrespondierende, etwa zur Südspitze Norwegens ziehende Bodentief kann sich
etwas verstärken, wobei dahingehend noch gewisse Unsicherheiten bestehen. Je
nach Ausprägung sind an der Nordsee und im Nordwesten sowie in den westlichen
und nördlichen Mittelgebirgen stürmische Böen oder Sturmböen nicht
auszuschließen. Die Kaltfront schwenkt leicht wellend mit schauerartigem Regen
ostwärts über Deutschland hinweg. Der befinden sich anfangs noch in der Warmluft
(Höchstwerte von knapp 20 Grad), sodass hier erneut wenige Hundert J/kg CAPE
generiert werden und einzelne Gewitter mit lokalem Starkregen möglich sind.
Postfrontal folgt eine stark erwärmte maritime Polarluft (T850 auf +3 bis -3
Grad absinkend), die ebenfalls labil geschichtet ist und so zu Schauern und
kurzen Gewittern neigt. In den Alpen sinkt die Schneefallgrenze in der Nacht auf
rund 1200 m ab, viel Neuschnee fällt aber nicht.

Am Montag und Dienstag bleibt Deutschland unter dem Einfluss des sich vom
Nordmeer und Skandinavien bis weit in den zentralen Mittelmeerraum südwärts
ausweitenden Troges. Der Randtrog zieht rasch ostwärts durch, von der Nordsee
folgt allerdings ein weiterer. Dieser begünstigt die Entwicklung eines kleinen
Randtiefs, das an der Südflanke des o. e., sich nach Südskandinavien
verlagernden Tiefs bis Dienstagvormittag über die Mitte oder den Süden zügig
ostwärts gesteuert wird. Modellseitig wird diese Entwicklung aber noch mit
einigen Unschärfen simuliert. Dahinter dreht die Strömung auf Nordwest, sodass
noch etwas kältere Polarluft herangeführt werden kann. Die 0-Grad-Isotherme
erreicht auf 850-hPa die Alpen, die -5-Grad-Isotherme die zentralen
Mittelgebirge. Damit können die mit dem Randtief in Verbindung stehenden, teils
kräftigen Niederschläge zumindest bis in mittlere Lagen, bei günstigem Timing
und Isothermie eventuell sogar bis in tiefe Lagen in Schnee übergehen. Die
Neuschneeakkumulation dürfte sich aber bei den warmen Böden schwertun, sodass es
wohl nur bei einer dünnen Nassschneedecke bleibt. Nur an den Alpen könnte es
staubedingt für mehr als 10 cm Neuschnee reichen. Abseits des mesoskaligen
Niederschlagsgebietes gibt es teils gewittrige Regen-, Schneeregen- und
Graupelschauer. Am Montag werden in der Südhälfte teils noch bis 15 Grad
erreicht, am Dienstag liegen die Höchstwerte verbreitet um oder unter 10 Grad
und damit über 5 Grad unter dem vieljährigen Mittel. In der Nacht zum Dienstag
ist in den Mittelgebirgen bereits leichter Frost möglich. Sturmböen sind an der
Südflanke des sich kaum entwickelnden Randtiefs eher unwahrscheinlich. An der
Küste, im angrenzenden Binnenland sowie in Hochlagen aber durchaus
wahrscheinlich.

Am Mittwoch und in der erweiterten Mittelfrist bleibt Deutschland zwischen dem
nur zögerlich nach Osten abziehenden Trog und einem sich über Westeuropa
aufwölbenden Rücken in einer nordwestlichen Strömung in der Zufuhr kühler
Meeresluft. Allerdings setzt sich mit einem vom Grönlandhoch südostwärts bis zu
den Alpen gerichteten Keil zumindest in der Südwesthälfte allmählich schwacher
Hochdruckeinfluss durch. In windschwachen, teils klaren Nächten nimmt die
Nachtfrostgefahr damit nochmal deutlich zu. Dieser dürfte - mit Ausnahme des
Nordens und Nordostens, wo es noch recht windig bleibt - verbreitet auftreten,
stellenweise auch in mäßiger Ausprägung.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Im Hinblick auf die großräumigen Strukturen kann dem IFS über weitere Strecken
der Mittelfrist eine gute Konsistent bescheinigt werden, sodass an den
Grundfesten des gestern skizzierten Vorhersageszenarios nicht gerüttelt werden
muss. Im Detail gibt es allerdings noch ein paar Unschärfen, was insbesondere in
der Interaktion des Cut-Off-Tiefs mit dem Nordmeertrog zu Beginn der Mittelfrist
begründet ist. Folglich wird auch das korrespondierende Bodentief noch leicht
variierend simuliert. In den neueren Läufen von 12Z (gestern) und 00Z (heute)
wird es insgesamt etwas schwächer gerechnet.
Auch hinter der Entwicklung des Randtiefs Montag auf Dienstag stehen noch ein
paar Fragezeichen. Auch hier sind die beiden neusten Läufe schwächer aufgestellt
und lassen die Welle sehr flott und äußerst flach über den Süden ostwärts
laufen. Im gestrigen 00Z-Lauf war der Schnellläufer noch deutlich besser
entwickelt.
In der erweiterten Mittelfrist favorisierte der gestrige 00Z-Lauf noch ein etwas
progressiveres Muster mit schnellerer Wetterberuhigung und Erwärmung von
Südwesten, das wird in den neueren Läufen deutlich verzögert.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch die üblicherweise an dieser Stelle betrachteten Modelle (ICON, GFS, UK10)
haben noch so ihre Probleme mit der Cut-Off-Trog-Interaktion. Die
Prognoserelevanz hält sich aber einigermaßen in Grenzen und fokussiert sich auf
die Sturmgefahr im Norden.
Prognoserelevante Unterschiede ergeben sich sehr wohl im Hinblick auf das
Randtief Montag/Dienstag: GFS und UK10, vor allem aber ICON haben die vom
gestrigen IFS-00Z-Lauf noch postulierte, von den neuen IFS-Läufen aber
verworfene stärkere Variante immer noch auf der Agenda. ICON lässt das Tief mit
einem Kerndruck von rund 1000 hPa über den Norden, GFS und UK10 mit einem
Kerndruck von rund 1004 hPa über die Mitte ostwärts ziehen. Im Zuge dessen
müssten kräftigere Niederschläge, die an der Nordflanke des Tiefs zumindest bis
in mittlere, eventuell sogar bis in tiefe Lagen als Schnee fallen, genauso ins
Kalkül gezogen werden wie eventuelle Sturmböen an der Süd- und Westflanke.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


RAUCHFAHNEN:
Die Rauchfahnen des IFS-EPS starten am Samstag sowohl bei der 850-hPa-Temperatur
als auch beim 500-hPa-Geopotenzial bei einem relativen Maximum und zeigen danach
mehrheitlich einen bis zur Wochenmitte andauernden Abwärtstrend
(Kaltfrontpassage, Trogeinfluss). Dies geht einher mit einer Phase starker
Niederschlagssignale. Es fällt allerdings auf, dass sich die Rauchfahnen vor
allem in den mittleren und südlichen Landesteilen schon ab Sonntag recht
deutlich aufweiten. Eine nicht zu verachtende Anzahl an EPS-Mitgliedern rechnet
den Geopotenzialverlust und den Temperaturrückgang deutlich schwächer
(schwächerer Trogeinfluss und kaum Abkühlung). Der deterministische IFS-Lauf
befindet sich eher am unteren Rand der Memberschar, bekommt aber Unterstützung
vom Kontrolllauf und von einer Vielzahl an weiteren EPS-Membern. Das darauf
basierende, oben beschriebene Szenario mit starkem Trogeinfluss und sehr kühlen
Luftmassen muss also nicht verworfen werden, allerdings mit einem kleinen
Fragezeichen versehen werden.
Ab Wochenmitte nimmt die Unsicherheit weiter zu. Die meisten EPS-Mitglieder
simulieren im Verlauf aber einen Geopotenzialgewinn und eine Temperaturzunahme
bei gleichzeitig abnehmender Niederschlagstätigkeit. Allerdings scheint unklar,
wie schnell dies vonstattengeht. Vor allem nach Norden zu kommen viele Member
hinsichtlich der Temperatur bis zum Wochenende kaum "aus dem Quark".

CLUSTER:
Dass es im Hinblick auf die groben Strukturen nur wenig Varianz gibt,
verdeutlich die Tatsache, dass für alle Zeiträume nur ein einziger Cluster
gebildet wird. In den Zeiträumen +72-96 h und +120-168 h vollzieht sich ein
Regime-Wechsel von BLOCKING über NAO+ zu ATLANTIC RIDGE und nachfolgend wieder
zurück zu NAO+.

FAZIT:
Die Wetterentwicklung in der Mittelfrist scheint zumindest in groben Zügen
eingetütet: Kaltfrontpassage am Wochenende mit einzelnen Gewittern. Danach
unbeständig, windig, an der See auch stürmisch und von Norden her spürbar kälter
mit Schneeoptionen für das Bergland und die Alpen. Im weiteren Verlauf von
Südwesten zwar Wetterberuhigung, allerdings verbreitet Nachtfrostgefahr.
Größere Fragezeichen stehen hinter dem kleinen Randtief am Montag/Dienstag, das
- je nach Ausprägung - an der Nordflanke kräftigere Niederschläge und bei
günstigem Timing Schneefälle bis in tiefere Lagen bringen kann, an der Südflanke
vorübergehend stürmisch auffrischenden Wind.

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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Insgesamt sollten markante Wettererscheinungen in der Mittelfrist eher die
Ausnahme darstellen.

Am Samstag und Sonntag sind mit orographischer Unterstützung in der Warmluft
bzw. unmittelbar vor der ostwärts schwenkenden Kaltfront aber einzelne GEWITTER
möglich, die vor allem bezüglich lokalen Starkregens markant ausfallen können.

Zudem ist an der Südflanke des ehemaligen, nach Südskandinavien ziehenden
Cut-Off-Tiefs mit auffrischendem Wind zu rechnen. Vor allem am Sonntag und
Montag sind zunächst in den westlichen und nördlichen Mittelgebirgen sowie im
Nordwesten sowie generell an der Küste STÜRMISCHE BÖEN (Bft 8), exponiert
STURMBÖEN (Bft 9) möglich.
Die Wahrscheinlichkeit für STURMBÖEN an der Südflanke des etwaigen Randtiefs
Montag auf Dienstag ist aktuell noch als sehr gering einzuschätzen.

Der Kaltluftvorstoß zu Wochenbeginn ruft SCHNEE auf den Plan. Vor allem, im Zuge
des Randtiefs Montag auf Dienstag sind Schneefälle zumindest bis in mittlere
Lagen nicht ausgeschlossen. Die warmen Böden lassen aber kaum markanten
Neuschnee zu. Ansonsten beschränken sich Schneefälle und Schneeschauer auf das
obere Bergland und den Alpenraum, in letzterem sind insbesondere
Dienstag/Mittwoch mehr als 10 cm nicht völlig auszuschließen.

Zur Wochenmitte nimmt die FROSTgefahr deutlich zu. Das ist per se zwar kein
markantes Warnereignis, angesichts der fortgeschrittenen Vegetation aber
durchaus ernst zu nehmen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det.+EPS, anfangs auch noch MOS-Mix, das hintenraus die Höchsttemperaturen
aber wohl überschätzt.
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser