Thema des Tages
30-03-2023 13:50
Wissenschaft kompakt
Neues Allzeittief der antarktischen Meereisausdehnung
Im zweiten Jahr in Folge hat die sommerliche Eisschmelze dem
antarktischen Meereis besonders zugesetzt. Nach dem Rekordminimum von
2022 wurde im Februar 2023 bereits das nächste Allzeittief
aufgestellt.
Im Thema des Tages vom 04.01.2023 berichteten wir bereits, dass die
antarktische Meereisbedeckung im Dezember 2022 einen außergewöhnlich
starken sommerlichen Rückgang verzeichnete und ein Rekordminimum für
den Monat Dezember konstatiert werden konnte. Mit dieser großen
negativen Anomalie stellten sich die konkreten Fragen: "Wie wird sich
das antarktische Meereis noch bis zum Ende des Südsommers
entwickeln?" und "Wird ein neuer Negativrekord erreicht?" - Auf diese
Fragen wollen wir nun Antworten liefern.
Etwa Mitte Februar erreicht die antarktische Meereisausdehnung in der
Regel ihr saisonales Minimum. Bereits in der ersten Monatsdekade
wurde am 08.02.2023 das Rekordminimum (siehe auch Thema des Tages vom
14.03.2022) aus dem letzten Jahr unterschritten, sodass für den
diesjährigen Südsommer ein neues Allzeittief unumgänglich war. Die
neue absolute Minimummarke wurde laut den ausgewerteten
Satellitendaten des Meereisportals am 19.02.2023 mit einer
Meereisausdehnung von nur 2,01 Mio. km² ermittelt (siehe Abbildung
1). Auch das europäische Ocean and Sea Ice Satellite Application
Facilities (OSI-SAF) und das amerikanische National Snow and Ice Data
Center (NSIDC) werteten mit eigenen etwas abweichenden
Berechnungsalgorithmen die Meereiskonzentration aus. OSI-SAF
ermittelte ein Minimum von 2,06 Mio. km² (16.02.), während NSIDC
einen noch geringeren Wert von 1,79 Mio. km² (21.02.) bestimmte.
Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf die vom Meereisportal
ermittelten Absolutwerte. Auf jeden Fall lässt sich konstatieren,
dass das neue Allzeittief das bisherigen Rekordminimum um eine
zusätzlich verschwundene Eisfläche von ca. 260.000 km² unterschritt.
Diese zusätzlich geschmolzene Fläche entspricht rund Dreiviertel des
deutschen Bundesgebietes oder etwas mehr als der Größe des
Vereinigten Königreiches.
Wie bereits im Dezember festgehalten, war die sommerliche Eisschmelze
vor allem im Amundsenmeer und der Bellingshausensee besonders stark.
Diese Meeresgebiete entlang der Westantarktis waren praktisch
eisfrei. Auch im angrenzenden Ross- und Weddellmeer ist auffallend
wenig Meereis im Vergleich zum Vorjahr registriert worden. Die
erhöhten Schmelzraten in diesen Regionen lassen sich auf eine
Kombination von zwei entscheidenden Bedingungen zurückführen. Zum
einen wurde in weiten Teilen der Antarktis eine überdurchschnittlich
hohe Lufttemperatur verzeichnet, die bis zu 2 Grad über dem
Langzeitmittel lag. Zugleich wirkte auch in vielen Bereichen eine
überdurchschnittlich hohe Meeresoberflächentemperatur, die bis zu 1,5
Grad über langjährigem Mittel lag, auf die Meereisbedeckung ein.
Bemerkenswert ist auch, dass an insgesamt 23 von 28 Februartagen die
Meereisausdehnung das letztjährige Rekordminimum unterschritt. Es
verwundert daher nicht, dass auch der Monatsmittelwert im Februar mit
2,15 Mio. km2 einen neuen Tiefstwert aufstellte. Im Vergleich mit dem
Langzeitmittel 1981-2010 (3,1 Mio. km2) wurde somit 30 % weniger
Meereis in den die Antarktis umgebenden Meeren registriert. Die
starke sommerliche Eisschmelze ist jedoch kein Einzelfall mehr.
Einschließlich des diesjährigen Februars liegt die mittlere
Eisbedeckung im Monat Februar nun das achte Jahr in Folge (seit 2016)
unterhalb des Langzeitmittels. Eine Entwicklung die in der
44-jährigen kontinuierlichen Satellitenbeobachtung der
Meereisausdehnung einmalig ist. Insgesamt hat sich dadurch nun ein
leicht negativer Trend für den Monat Februar ergeben, auch wenn
dieser statistisch noch nicht signifikant ist.
Nach dem Durchschreiten des Minimums treten die antarktischen
Meereisregionen in der Regel in der zweiten Februarhälfte wieder in
die Gefriersaison über. Seit der dritten Februardekade nimmt die
Meereisausdehnung nun wieder kontinuierlich zu und hat inzwischen
wieder eine Fläche von 4,19 Mio. km2 erreicht.
Während sich in der Antarktis die Polarnacht wieder einstellt, endete
in der geografisch entgegengesetzten Arktis etwa Mitte März die
Gefriersaison mit dem winterlichen Meereismaximum. Eine Auswertung
der saisonalen maximalen Meereisausdehnung folgt in Kürze in einem
weiteren Thema des Tages.
M.Sc.-Met. Sebastian Altnau
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 30.03.2023
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