Thema des Tages

23-12-2022 13:20


Wissenschaft kompakt
Der Weihnachtsmann macht sich auf den Weg

Tief verschneite Wälder, gefrorene Seen und Polarlichter: Eine kleine
(Bilder-)Geschichte über die Reise des Weihnachtsmannes durch
Lappland.

Blaues Licht umhüllt die eisige Schneelandschaft, als der
Weihnachtsmann seine kleine rote Hütte verlässt um die Schlitten zu
packen. Die Sonne geht hier in Finnisch Lappland erst in gut 2
Stunden, um kurz nach 11 Uhr, auf - doch die Stunden zuvor, wenn die
Sonne einige Grad unterhalb des Horizonts steht, hat er ohnehin am
liebsten. Und so nimmt sich der Weihnachtsmann an diesem Morgen des
23.12. zum wiederholten Male vor, den Begriff "Chappuis-Absorption"
im dicken Enzyklopädie-Wälzer nachzuschlagen, der auf seinem
Nachttisch steht. Er möchte den Kindern auf seiner Reise endlich den
Grund dafür erklären können, wenn sie ihn wieder Löcher in den Bauch
fragen.

Die Rentiere sind unruhig. Ob sie wohl merken, dass heute ein
besonderer Tag ist? "Vielleicht werden sie mit dem Alter auch nur
etwas wetterempfindlicher", denkt sich der Weihnachtsmann,
schließlich hat Tief FRANZISKA heute Nacht Schneefall gebracht und
das Thermometer zeigt -12 °C an.

Rudolf, sein treuer Weggefährte, scharrt schon mit den Hufen. Er hat
den Schlitten entdeckt und weiß, was das bedeutet: Eine traumhafte
Reise durch Schweden (dort gibt es immer so leckere Kanelbullar,
warum können die finnischen Zimtschnecken nicht auch so köstlich
sein?) und schließlich durch Dänemark, bevor sie morgen früh auf
deutsche Gefilde treffen sollten.

Kurze Zeit später geht es los: Leise gleitet der Schlitten durch den
Schnee und der morgendliche Trubel ist schnell vergessen. Der
Weihnachtsmann hängt seinen Gedanken nach. Ob er auch an alle
Geschenke gedacht hat?

Und so vergehen die ersten Stunden wie im Fluge. Immer wenn sich der
Weihnachtsmann umdreht, sieht er nichts außer der Spur von Rudolf und
seinem Schlitten, die unendliche Weite fasziniert ihn jedes Mal aufs
Neue. Inzwischen ist auch die Sonne aufgegangen und lässt den Schnee
funkeln und glitzern.

Als das voll bepackte Reiseduo in Schweden ankommt, machen sich die
Mägen bemerkbar. Irgendwo hier in Norbotten muss es doch etwas zu
essen geben! Für Rudolf wäre sicher Trockenfutter oder eine Suppe
nicht schlecht, er selbst hätte große Lust auf einen Elchburger.

Von weitem sieht er ein rotes Häuschen in der Ferne. Zugegeben, etwas
verlassen schaut es aus, aber einen Versuch ist es wert. Und
tatsächlich: Je näher sie kommen, desto intensiver duftet es nach
Zimt und Kaffee. Kaum den Schlitten zum Stehen gebracht, öffnet der
Weihnachtsmann quietschend die Tür. "Hejhej" ruft er freundlich, doch
er bekommt keine Antwort. Seine Blicke bleiben am Tisch hängen und er
traut seinen Augen nicht: Ein ganzes Blech voller Kanelbullar! Rasch
legt er 3 auf einen Teller (2 für ihn und 1 für Rudolf sollten doch
okay sein, oder?) und geht zu seinem vierbeinigen Freund.

Schnell stellt er die Köstlichkeiten bei Rudolf ab um noch geschwind
"für kleine Weihnachtsmänner" zu gehen, bevor er sich der
wohlverdienten Stärkung widmen wird. Inzwischen hat es wieder leicht
angefangen zu schneien. "Zwischen minus 10 und minus 20 Grad müsste
es jetzt haben, bei stark übersättigter Luft", denkt sich der
Weihnachtsmann, als er die Schneeflocken beobachtet. Denn dann
entstehen diese klassischen Dendriten mit sechs symmetrisch
angeordneten Ästen, an denen wiederum feine Ästchen sprießen.

Zurück bei Rudolf bekommt der Weihnachtmann einen Schreck. Rudolf hat
sich hingelegt, was er sonst nie macht, und seine Nase ist noch röter
als sonst. Mit einem Blick auf den Teller wird ihm klar, was passiert
ist: Rudolf hat alle Kanelbullar gegessen! Schnell wird deutlich,
dass er so nicht weiterlaufen kann, geschweige denn den Schlitten mit
den schweren Geschenken und dem noch schwereren Weihnachtsmann ziehen
kann. Was tun? Seine Ohren liefern ihm die Antwort: Hundegebell lässt
darauf schließen, dass es hier in der Nähe Hundeschlitten geben muss!
Und so kommt es, dass der Weihnachtsmann im Jahr 2022 seine Reise
durch Lappland nicht mit Rudolf fortsetzt, sondern mit 7 Alaskan
Huskies, die so voller Power stecken, dass der Weihnachtsmann gar
nicht weiß, wie er sie bremsen kann. Neben dem Wehmutstropfen, sein
geliebtes Rentier mit kugelrundem Bauch nach Hause zu seinen Freunden
zu schicken, gibt es noch einen weiteren: Auf dem neuen Gespann muss
er nun stehen und kann nicht genüsslich seine Beine hochlegen.

Doch es ist keine Zeit zu verlieren und so steht der Weihnachtsmann
Minuten später auf dem Hundeschlitten, die Geschenke im grünen Sack
vor ihm, und gleitet durch die eisige Schneelandschaft, die ihn schon
seit Kindheitstagen fasziniert. Er fährt über gefrorene Seen, durch
tiefverschneite Wälder und hört nichts außer dem Hecheln der Hunde
und dem Knirschen des Schnees.

Inzwischen ist es dunkel geworden, er muss schon kurz vor der
dänischen Grenze sein. Plötzlich flackert es grünlich am Horizont,
als er sich umdreht und nach Norden schaut. Polarlichter! Ein
einmaliges Naturschauspiel, wenn Elektronen (seltener auch Protonen)
des Sonnenwindes auf Sauerstoffatome treffen und diese daraufhin
Licht in bestimmten Wellenlängen emittieren, die den grünlichen
Farben entsprechen.

Der Weihnachtsmann kann sein Glück kaum fassen. "Könnte es noch
perfekter sein?", fragt er sich und streicht sich durch seinen
langgewachsenen Bart. "Ja", denkt er. "Wenn alle Kinder auf dieser
Welt das Glück hätten, diese friedliche Idylle erleben zu können und
alle Menschen die Schönheit der Natur sehen würden, das wäre das
größte Geschenk". Zumindest ist das sein Wunsch zu Weihnachten.


Dipl.-Met. Magdalena Bertelmann
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 23.12.2022

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