Thema des Tages
22-12-2022 18:20
Wetter aktuell
Kaltluftausbruch in Kanada und den USA
Über den USA und Kanada ist aktuell ein massiver Kaltluftausbruch zu
beobachten. Wir schauen diesbezüglich im Thema des Tages einmal etwas
genauer hin.
In Nordamerika kann aktuell ein massiver Kaltluftausbruch beobachtet
werden. Während eines solchen Szenarios strömt Kaltluft aus polaren
Breiten zügig und auf direktem Weg nach Süden. Damit ein solcher
Kaltluftausbruch möglichst kräftig ausfällt, müssen die
Druckverhältnisse in der Region eine bestimmte Konstellation
aufweisen.
Am effektivsten lässt sich der Kaltluftvorstoß nach Süden
bewerkstelligen, wenn über dem Westen Kanadas ein Hoch-, über dem
Osten Kanadas dagegen ein Tiefdruckgebiet liegt. Bei dieser
Positionierung schieben sowohl das sich im Uhrzeigersinn drehende
Hoch als auch das sich entgegen des Uhrzeigersinns drehende Tief über
Zentralkanada Luftmassen nach Süden. Dabei dürfen die Druckgebilde
auch nicht zu weit im Norden liegen. Sollte dies der Fall sein, dann
"zapfen" sie zwar polare Luft an, können diese aber nicht weit genug
nach Süden transportieren. Liegen die Tiefs dagegen zu weit südlich,
so kommen sie nicht an die polaren Luftmassen heran.
Die Abbildung 1 zeigt für die vergangene Nacht (mitteleuropäischer
Zeit; in Nordamerika also in den Abendstunden) die Druckverteilung
über Nordamerika. Zu diesem Zeitpunkt befand sich ein Tief über der
Hudson Bay und ein Hoch über den kanadischen Rocky Mountains.
Entsprechend der für einen Kaltluftvorstoß günstigen Lage der beiden
Druckgebilde wird zwischen ihnen Kaltluft nach Süden geschoben (blaue
Pfeile). Dies ist ebenfalls in Abbildung 1 zu erkennen, denn als
Farbflächen sind dort die Temperaturen in 850 hPa, also in etwa 1,5
km Höhe, angegeben. Man kann deutlich eine "kalte Nase" ausmachen,
die sich zwischen den Rocky Mountains und den Großen Seen nach Süden
auf den Weg macht.
Eine kleine Randbemerkung an dieser Stelle: Es lohnt sich, einen
kurzen Blick auf den Kerndruck des Hudson Bay-Tiefs zu werfen. Dieser
liegt nur knapp unter 1020 hPa - und damit würde unser Tief
andernorts und in einer anderen Konstellation als veritables Hoch
durchgehen.
Aber wie auch immer - der ausgelöste Kaltluftvorstoß kam plötzlich
und mit "Wumms". Dazu ist in der zweiten Abbildung für die Station
Cheyenne im Südwesten Wyomings in Rot der Temperaturverlauf angegeben
(Karte nach NOAA, leicht modifiziert). Zwischen 13 und 14 Uhr MST
(Mountain Standard Time, entspricht MEZ - 8h) fiel die Temperatur von
+6 auf bemerkenswerte -17°C. Und danach ging es weiter abwärts. Noch
ein knappes Stündchen später lag die Temperatur schon bei -23°C -
also ein Temperaturrückgang von 29°C innerhalb von 2 Stunden.
Der bemerkenswerte Temperaturrückgang betraf aber natürlich nicht nur
das Städtchen Cheyenne. Über großen Teilen Nordamerikas präsentiert
sich das Wetter aktuell extrem winterlich. Dazu sind in Abbildung 3
die Tiefstwerte der vergangenen Nacht angegeben. In den Vereinigten
Staaten waren es zwischen den Großen Seen und den Rocky Mountains
etwa -15 bis -35°C. In Zentral- und (Nord-)Westkanada ging es sogar
bis auf -25 bis -50°C runter. Ins Auge springen auch die beiden
Stationen mit unter -50°C (grün). Rekordhalter war der Ort Rabbit
Kettle (könnte mit Kaninchentopf bzw. Kaninchenkessel übersetzt
werden) mit -52,6°C. Ortsunkundige können hier anfangen zu
spekulieren. Ein Kessel oder Topf könnte eine Senke beschreiben, in
der sich in kalten Winternächten natürlich Kaltluft sammelt - was
dann die extrem niedrigen Temperaturen erklären könnte.
Aber nicht nur der Blick ins nördliche Nordamerika lässt einen
frösteln. Auch Washington lag mit -7°C im mäßigen Frostbereich und am
Flughafen Dallas - Fort Worth im sonst warmen Texas entging man mit
+1°C nur knapp den Frostgraden.
Damit ist die "Weiße Weihnacht" jenseits des "Großen Teichs" wohl
gesichert - zumindest taut der Schnee, wenn denn Schnee liegt - nicht
mehr weg. Stattdessen freut man sich in USA aber auch deswegen auf
die Weihnachtstage, weil es dann mit den Temperaturen wieder
aufwärtsgehen soll.
Dipl.-Met. Martin Jonas
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.12.2022
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